Bochum sollte Zahl der Corona-Tests verdreifachen
Am 04.03 wurde der erste Corona-Fall in Bochum gemeldet. Heute,
fast 4 Wochen später, lässt sich eine Zwischenbilanz ziehen, wie entwickelt sich die Infektion in Bochum, wie gut ist Bochum mittlerweile aufgestellt, wie wird es weiter gehen?
Entwicklung der Coronainfektionen
Aktuell (Freitag 27.03.20) liegt die Zahl der in Bochum seit Beginn der Krise gemeldeten Corona-Infektionen bei 231, 21 Menschen haben die Infektion überstanden, 4 Tote sind zu beklagen. Am Samstag ist ein weiterer Infizierter verstorben. Am Freitag waren somit in Bochum 206 Menschen mit dem Virus infiziert (Grafik, Entwicklung der Corona-Fälle).
Seit dem 17.03. wird in Bochum vermehrt getestet. An diesem Tag ging die von den STADTGESTALTERn vorgeschlagene Drive-in Teststation in Betrieb (Viele testen – Drive-in Corona-Teststationen). Dort werden aktuell pro Tag bis zu 300 Verdachtsfälle getestet.
Die Zahl der festgestellten Infektionen ist seit dem 18.03. jeden Tag um 3 bis 49 Fälle gestiegen. Wie hoch in Bochum und Wattenscheid die Dunkelziffer ist, also die Zahl der Menschen, die infiziert, aber deren Infizierung bisher nicht bekannt ist, lässt sich bislang nicht seriös einschätzen.
Leider sind die von der Stadt erfassten Zahlen zu den gemeldeten Fällen wenig aussagekräftig. Das liegt besonders an zwei Gründen, am Sonntag wird weder getestet noch werden Tests ausgewertet, Dazu wird den Getesteten teilweise erst nach 5 Tagen, in Einzelfällen sogar noch nach längerer Zeit ihr Testergebnis mitgeteilt. Die Angabe, dass die Testergebnisse in 24 bis 72 Stunden vorliegen, kann vielfach nicht eingehalten werden. Die Anzahl der neu gemeldeten Infizierungsfälle liegt regelmäßig aufgrund der genannten Defizite am Wochenende und Montag tendenziell zu niedrig, die Zahl für Dienstag zu hoch.
Wie sich die Zahl der Infektionen in Bochum in den nächsten Tagen entwickeln wird, lässt sich auf Grundlage der vorliegenden Daten nicht vorhersagen.
Zu wenige Test, Auswertungen dauern zu lange
Die Zahl der Infektionen wird sich dauerhaft nur durch mehr Tests eindämmen lassen, insbesondere auch für die Zeit nach der akuten Krise, wenn die aktuell geltenden massiven Einschränkungen wieder aufgehoben werden. Ein Strategiepapier des Innenministeriums geht davon aus, dass deutschlandweit die Zahl der Tests auf 200.000 pro Tag erhöht werden muss (Tagesschau vom 27.03.20). Das würde bedeuten, die Zahl der Tests in Bochum sollte verdreifacht und auf 930 pro Tag erhöht werden.
Aus Sicht der STADTGESTALTER sind im Hinblick auf die Testungen daher folgende Maßnahmen zu ergreifen:
- Die Zahl der Test ist zeitnah auf mindestens 900 pro Tag zu erhöhen.
- Tests müssen an 7 Tagen die Woche durchgeführt und ausgewertet werden
- Die Auswertung der Tests muss spätestens am Folgetag vorliegen
Die STADTGESTALTER hatten sich bereits Mitte März für massenweise Tests ausgesprochen (Viele testen – Drive-in Corona-Teststationen).
Kapazitäten der Corona-Hotline wurden erhöht
Um getestet zu werden sollen die Bürger im Verdachtsfall bei der Corono-Hotline anrufen. Mittlerweile hat die Telekom die Telefonkapazitäten für die Corona-Hotline der Stadt verdoppelt. Die STADTGESTALTER hatten diese schnelle Hilfe vermittelt (STADTGESTALTER helfen die Telefonkapazitäten der Corona-Hotline zu verdoppeln). Zuvor hingen Anrufende teilweise eine Stunde und länger in der Warteschleife, wurden im schlimmsten Fall aufgrund der überlasteten Leitungen der Stadt aus der Schleife geworfen oder konnten die Hotline erst gar nicht erreichen, weil alle Warteplätze schon belegt waren.
Eine gute Erreichbarkeit der Hotline sicher zu stellen, kam bei den Bemühungen die Verbreitung des Virus einzudämmen, eine zentrale Bedeutung zu, da überlange Wartezeiten oder gar die Nichterreichbarkeit der Hotline letztlich dazu führen, dass infizierte Menschen das Vorhaben aufgeben, sich testen zu lassen und ggf. den Virus unkontrolliert weiter verbreiten.
Umfangreiche Maßnahmen zur Milderung der Folgen der Corona-Krise
Gleichzeitig sind in Bochum umfangreiche Maßnahmen angelaufen die Folgen der Corona-Krise abzufedern oder ihnen entgegen zu wirken. Das geht vom Ausbau der Zahl an Intensivbetten und Beatmungsplätzen, wirtschaftlichen Hilfen für Unternehmen, über Gabenzäune für Obdachlose und andere Hilfsbedürftige, einem verstärkten Angebot von Hotlines für zwischenmenschliche Krisenfälle bis zum Angebot von Besorgungs- und Hilfsdiensten verschiedenster ehrenamtlicher Hilfsinitiativen und der Ehrenamtsagentur. Der Einsatz der Bochumer ist vorbildlich. Auf allen Ebenen, egal ob professionell oder ehrenamtlich, geben ganz viele Menschen ihr Bestes. Auch hier engagieren sich STADTGESTALTER, so hat Mete Kökşen, die Flugblätter der Ehrenamtsagentur ins Türkische übersetzt.
Der städtische Schulbetrieb ist derweil mangels digitaler Alternativen quasi zum Erliegen gekommen. Die den Lehrern zur Verfügung stehenden Alternativen zum klassischen Unterricht sind unzureichend. Die Defizite in diesem Bereich werden sich kurzfristig nicht beheben und nur sehr begrenzt abmildern lassen (Corona-Krise legt digitale Defizite der Stadt offen).
Einhaltung der Kontaktsperre und weiterer Auflagen
Die Kontaktsperre sowie die weiteren Auflagen für die Einwohner der Stadt wie die Betreiber von Geschäfts- und Gastronomiebetrieben werden von den allermeisten Menschen in Bochum und Wattenscheid vorbildlich eingehalten. Die Gewerbetreibenden haften Geschäfte und Gastronomiebetriebe geschlossen, die meisten Einwohner der Stadt bleiben die überwiegende Zeit des Tages zu Hause und halten, wenn sie doch raus gehen, 2 Meter Abstand zu ihren Mitmenschen. Natürlich gibt es immer Ausnahmen. Nie werden alle Menschen sich an die Regeln halten. Entscheidend ist, dass die ganz überwiegende Zahl der Einwohner erkannt hat, wie wichtig es ist, die Einschränkungen zu befolgen und sich dementsprechend verhält.
Weiteres Vorgehen, Prioritäten und Vorbereitung auf das Ende des Shutdowns
Um die Verbreitung des Virus einzudämmen müssen alle diesbezüglich Maßnahmen Priorität haben, das gilt besonders für die Erhöhung der Zahl der Tests pro Tag.
Um so schneller die Verbreitung eingedämmt werden kann, desto schneller können die bestehenden Einschränkungen wie die Kontaktsperre aufgehoben werden. Das muss das Ziel sein. Auf Dauer lässt sich ein Shutdown für viele Bereiche der Wirtschaft nicht durchhalten. Auch die Abmilderung der Folgen durch Soforthilfen und Steuerstundungen hat Grenzen. Die Stadt muss ihren Beitrag dazu leisten, dass die Einschränkungen möglichst schnell aufgehoben werden können.
Auf die Stadt werden auch nach der Krise erhebliche Belastungen zu kommen. Zum Einen muss, bis ein Impfstoff verfügbar ist, sichergestellt werden, dass die Zahl der Infizierungen in einem beherrschbaren Rahmen gehalten werden. Einem unkontrollierter Anstieg kann nur durch eine anhaltend hohe Zahl von Tests entgegengewirkt werden.
Für das ohnehin wirtschaftlich immer noch vergleichsweise schwach aufgestellte Bochum, werden sich zusätzliche wirtschaftliche und finanzielle Herausforderungen ergeben. Einnahme- und Steuerausfälle wie zusätzliche Ausgaben werden einen Nachtragshaushalt erforderlich machen. Die Stadt wird neue Schulden aufnehmen müssen. Gerade erst ist mit Jahren Verspätung der wirtschaftliche Aufschwung auch in Bochum und dem Ruhrgebiet angekommen, schon ist zu befürchten, dass die Corona-Krise für Bochum bei den Bemühungen in wirtschaftlicher Hinsicht den Anschluss an den Rest der Republik zu finden einen herben Rückschlag bedeuten könnte.
Vorausschauend muss die Stadt bereits jetzt beginnen eine Strategie zu entwickeln, wie sie die Wirtschaft und das Leben in der Stadt nach dem Shutdown wieder in Schwung bringt. Einiges könnte durch die Beschleunigung bereits beschlossener, aber bisher schleppend umgesetzter Maßnahmen erreicht werden. Das betrifft zum Beispiel die Maßnahmen zur Digitalisierung der Stadt oder für eine effizientere Verwaltungsorganisation. Erhöht die Stadt hier deutlich das Tempo, kann sie in diesen Bereichen schneller zu vorbildlich aufgestellten Städten aufschließen oder sich gar als Vorreiter profilieren. Das wäre wichtig, um den negativen Folgen der Corona-Krise etwas entgegen zu stellen. Die Krise sollte dazu führen, dass die Stadt ihre Anstrengungen in allen Bereichen spürbar erhöht.
Unbedingt zu vermeiden ist, dass die Stadt nach der Krise quasi in ein Loch fällt, in der wieder negative Nachrichten über die wirtschaftliche Entwicklung das Bild bestimmen, und so der Eindruck entsteht, dass eine Rezession unvermeidlich ist und daher die Bemühungen weitgehend aufgegeben werden, auf Basis des bisher Erreichten, die Stadt wieder nach vorne zu bringen.