05 Mrz

Wie soll die Bochumer Innenstadt attraktiver werden?

Die Bochumer Innenstadt hat es schwer. Gegenüber den benachbarten Innenstädten von Essen und Dortmund sowie dem Ruhrpark kann das Einzelhandelsangebot der Innenstadt nicht mithalten. Dafür ist das Angebot an Geschäften und Ladenflächen im Ruhrpark und den benachbarten Städten im Verhältnis zur Bochumer Innenstadt zu groß und zu vielfältig.

Beim Wettlauf „Wer hat die beste Einkaufsstadt?“ bleibt für Bochum hinter Essen, Dortmund und dem Ruhrpark immer nur der vierte Platz. Aber es gibt andere Bereiche, in denen Bochum punkten kann: Als Ausgehstadt liegt Bochum unbestritten auf Platz 1. Menschen aus anderen Städten kommen wegen eines besonderen Angebotes in die Stadt, eines besonderen Flairs oder besonderen Attraktionen. In dieser Richtung kann und muss Bochum mehr tun.

Parkraum und Verkehr

Billiger Parkraum dagegen kann niemanden in die Stadt locken, wenn das Angebot der Stadt die Menschen nicht anzieht. Chaotischer Parksuchverkehr außerhalb von Parkhäusern empfinden Besucher eher als behindernd und störend. Er mindert die Attraktivität.

schwachstellen

Schwachstellen der Bochumer Innenstadt

Breite mehrspurige Radialstraßen bringen zwar Menschen in die Stadt, sie ermuntern sie aber in gleicher Weise in die Einkaufszentren und -städte außerhalb Bochums und der Innenstadt zu fahren. Im Saldo leiten sie mehr Besucher nach Dortmund, Essen und Einkaufszentren als in die Bochumer Innenstadt.

Während Menschen, die mit dem Auto mobil sind, nur zu einem bestimmten Anteil in Bochum einkaufen, erledigen Radfahrer und Fußgänger fast ihren gesamten Einkauf in der Stadt, in der sie wohnen. Entsprechend werden in modernen, als besonders lebenswert empfundenen Städten deutlich über 40% der Wege zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt (z.B. München 44%, Berlin 43%), bei uns sind es uns nur 24%. Entsprechend ist es nicht verwunderlich, dass selbst viele Bochumer, die in direkter Nähe zu Innenstadt wohnen, ihren Bedarf nicht in der Innenstadt decken, sondern mit dem Auto in Nachbarstädte oder Einkaufszentren fahren. Der Grund: Die Erreichbarkeit der Innenstadt aus den benachbarten Wohnvierteln mit dem Rad oder zu Fuß ist nach wie vor mangelhaft und regelmäßig unattraktiv.

Fehlende Urbanität

Der Stadt fehlt es weiterhin an Urbanität. Zwar bieten die verwinkelten Straßenverläufe und Plätze eigentlich eine gute Basis für die Schaffung einer besonderen städtischen Flairs, wie es Essen und Dortmund fehlt, jedoch hat die Stadtplanung durch massive Fehlplanungen, den urbanen Charakter der Innestadt an vielen Stellen völlig zerstört. Eine besondere Urbanität erlebt man in der Innenstadt eigentlich nur noch, wenn der Weihnachtsmarkt die Stadt mit Leben erfüllt.

Öde oder sanierungsbedürftige Plätze wie der Dr.-Ruer-Platz, der Husemannplatz, der Platz im Gerberviertel (unterhalb der Propsteikirche), die Pflasterwüste des so genannten „Boulevards“, die misslungene Einbindung der Paluskirche in die Stadtgestaltung oder der von der Innenstadt abkoppelte Markt hinter dem Bahnhof auf einem Parkplatzdach sind Zeugnisse für eine in wesentlichen Punkten gescheiterte Innenstadtplanung aus einem Guss. Entsprechend lang ist die Liste der städtebaulichen Schwachstellen in der Innenstadt (siehe Plan und Liste).

Neue Zielvorstellung

Trotz der vielen Schwachstellen ist das Entwicklungspotential der Innenstadt aber weiterhin sehr hoch. Die Zielrichtung muss sich allerdings ändern. Statt im Wettlauf „Wer hat die beste Einkaufsstadt?“ erster werden zu wollen, sollte die Entwicklung zuküftig dahin gehen, eine Innenstadt zu entwickeln, die ggü. denen in Dortmund und Essen oder den Einkaufszentren, über eine besondere Urbanität aufweist, wo man sich gerne aufhält, gerne lebt, wo es viele attraktive Plätze gibt, an denen man verweilt, andere Menschen beobachtet, sich mit Freunden trifft, seinen täglichen Bedarf deckt und seine Zeit verbringt.

Das größte Potential der Stadt sind auch für die Innenstadt die Studenten. 59.000 Menschen studieren in Bochum. Studentenstädte sind regelmäßig besonders lebenswerte Städte. Wohnen und studieren mehr Menschen in der Innenstadt, entwickelt sich mehr studentisches Leben in der Stadt. Gastronomie und Geschäfte entstehen, die speziell die studentischen Bedürfnisse befriedigen. Die Innenstadt wird jung. Die Zukünftige Innenstadtplanung sollte daher ein besonderes Augenmerk auf die Bedürfnisse dieser studentischen Zielgruppe werfen. Insbesondere müssen wir massiv studentisches Wohnen und studentisches Arbeiten in der Innenstadt fördern.

Orte, an denen sich die Zukunft der Innenstadt entscheidet

Die Zukunft der Innenstadt, entscheidet sich in den nächsten Jahren insbesondere an 5 Orten (im Plan grün gekennzeichnet):

– Was passiert am Telekom- und Justizgelände? Entsteht hier ein 08/15 Einkaufszentren, wird an anderer Stelle die Innenstadt zu grunde gehen, wie es auch in Essen, Oberhausen oder Mühlheim zu beobachten ist.

– Was geschieht mit dem BVZ, besonders der Stadtbücherei und der VHS? Wird ideenlos der Appollonia-Pfaus-Park zugebaut oder gelingt es, mit diesen Institutionen die der Mitte Stadt zu beleben?

– Wie wird der Husemannplatz umgestaltet? Gelingt es einen Platz zu gewinnen, der Menschen in die Stadt zieht, wo sie sich gerne aufhalten und andere Menschen treffen?

– Wie gelingt eine Umgestaltung des „Bongardboulevard“ mit dem Kuhhirtenplatz von einer öden, überdimensionierten Pflasterwüste zu einem belebten Ort, an dem diie Innenstadtbesucher gerne flanieren und verweilen?

– Wie kann die ehemalige Altstadt rund um die Propsteikirche, insbesondere die Kreuzung, Große-Beck- und Untere Marktstraße als urbaner Raum mit hoher Aufenthaltsqualität zurück gewonnen werden?

Hinzu kommt die Frage, wie lässt sich die Innenstadt um neue Attraktionen bereichern, die andere Innenstädte so nicht besitzen. Vorschläge sind hier die Seilbahn, die Markthalle oder besondere Spiel- und Aufenhaltsräume für alle Altersgruppen. Immer nur das nachzubauen, was benachbarte Städte bereits haben, reicht nicht mehr aus. Bisher fehlte hier der Politik der Mut auch mal was Besonderes zu wagen. Erst langsam wird ein Umdenken spürbar.

Umfassendes Konzept für die zukünftige Entwicklung der Innenstadt

Die Fraktion „FDP & Die STADTGESTALTER“ hatte in der letzten Ratssitzung vorgeschlagen, dass die Stadt ein Konzept erarbeitet, wie die Innenstädte von Bochum und Wattenscheid familienfreundlicher gestaltet werden können. Die CDU hatte darauf hin vorgeschlagen, diesen Auftrag zu erweitern und für die Bochumer Innenstadt ein umfassendes Entwicklungskonzept erarbeiten zu lassen, das auch alle anderen Aspekte der Innenstadtentwicklungen umfasst, wie sie in diesem Beitrag bereits dargestellt wurden. So kam der Rat überein, die Erarbeitung eines solchen umfassenden Entwicklungskonzeptes für die Bochumer Innenstadt in den zuständigen Ausschüssen zu diskutieren und dort auf den Weg zu bringen. Für die Innenstadt Wattenscheid soll die Erarbeitung eines entsprechenden Konzeptes im Rahmen der angestoßenen Stadtsanierung ebenfalls erfolgen.

Auch die IHK begrüßt die Aufstellung eines umfassenden Entwicklungskonzeptes für die Innenstadt. Wichtig aus Sicht der IHK: Zum einen sollte das Konzept nicht nur das Gleisdreieeck umfassen, sondern auch die daran angrenzenden Viertel. Zum anderen brauchen wir ein Konzept aus einem Guss, das alle Schwachstellen beleuchtet und für die nächsten Jahre eine einheitliche Zielvorstellung formuliert und einen roten Faden festlegt, dementsprechend zukünftige Planungen erfolgen. Es bringt nichts, ein neues Konzept zu erarbeiten, dass dann nicht konsequent umgesetzt wird. Auch sollte das Konzept von einem renommierten externen Stadtplanungsbüro erstellt werden, das in der Gestaltung von modernen Städten über besondere Qualifikationen verfügt. Jan Gehl, einer der einflussreichsten und prägendsten Stadtplaner der letzten Jahrzehnte, bzw. sein Planungsbüro wären sicher eine gute Wahl.

Wir entscheiden in den nächsten 2 Jahren über die Zukunft der Innenstadt. Wenn wir es jetzt verpassen, die Weichen für eine moderne Stadtentwicklung zu stellen, wird sich der Niedergang der Bochumer Innenstadt kaum mehr aufhalten lassen. Eine weitere Chance wird es in absehbarer Zeit nicht mehr geben. Weitere städtebauliche Fehlentscheidungen wird die Stadt nicht verkraften. Ist etwa die Bebauung des Telekom- und Justizgeländes nicht erfolgreich, wird sich die Entscheidung in den nächsten 20 Jahren nicht mehr korrigieren lassen.

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