02 Apr

Schulkonferenzen von über 50 Schulen bei OGS-Vergabe übergangen

Böse Überraschung bei einigen Bochumer Grundschulen: Ab dem nächsten Schuljahr sollen die Kinder nicht mehr von dem Träger im offenen Ganztag betreut werden, mit dem die Eltern, Kinder und Lehrkräfte seit Jahren hochzufrieden sind. Ab dem 01.08.23 soll ein anderer übernehmen. Obwohl die Schulen die Betroffenen sind, wurde die Neuvergabe an ihnen vorbei organisiert. Eltern, Schulleitungen und Lehrkräfte sind aufgebracht. Um die Vorgänge aufzuklären haben die STADTGESTALTER Akteneinsicht genommen.

Beispiel Frauenlobschule, Bochum-Hiltrop: Seit Jahren organisiert der gemeinnützige Träger Outlaw gGmbH mit großem Einsatz und enger Einbindung in die Schulgemeinschaft den offenen Ganztag. Jetzt teilt das Schulverwaltungsamt mit, ab August 2023 wird die SPD-nahe AWO, die Organisation des offenen Ganztagstags (OGS) übernehmen. Ausgerechnet der Träger soll zukünftig wieder die Kinder im offenen Ganztag betreuen, dessen Vertrag die Schulkonferenz vor Jahren gekündigt hatte, weil dieser den Anforderungen der Schule an die OGS nicht gerecht wurde.

Schulen. Eltern und Lehrkräfte beklagen Intransparenz und fehlende Beteiligung

Eltern, Lehrkräfte und Schulleitung der Frauenlobschule wie weiterer Grundschulen sind erzürnt, dass die Neuvergabe über ihre Köpfe hinweg entschieden wurde und sie als Betroffene nicht wirklich in das Vergabeverfahren eingebunden wurden (WAZ vom 17.03.23).

Die STADTGESTALTER nahmen Akteneinsicht, um zu prüfen wie die Vergabefahren gelaufen sind. Es bestätigt sich, die Beteiligung der Schulen bzw. der Schulkonferenzen, dem höchsten Gremium jeder Schule, dass bei Grundschulen paritätisch durch Eltern wie Lehrkräfte besetzt ist, war in jeder Hinsicht unzureichend. Darüber fiel auf, dass bei den Verfahren in einem Punkt die Vorgaben des Schulgesetztes missachtet wurden.

Eigentlich sollte man erwarten, dass eine solch wichtige Entscheidung, wie wer die Schulkinder auf welche Weise im offenen Ganztag (OGS) betreut, nur in enger Abstimmung mit den betroffenen Schulen erfolgt. Denn die Eltern und Lehrkräfte vor Ort wissen naturgemäß am besten, wie der Ganztag an der Schule organisiert werden sollte und von wem. Doch die Akteneinsicht ergab, die Schulen wurden außen vorgelassen.

Die Ergebnisse der Akteneinsicht

Eine Beteiligung der Schulen fand eigentlich nur am Anfang der Vergabeverfahren statt. Alle Schulen sollten der Schulverwaltung ein von der Schulkonferenz beschlossenes OGS-Konzept zusenden.

Bewertungsgremium wurde nicht eingerichtet – Gemäß den Beschlüssen des Stadtrates vom 28.09.2017 (Vorgänge 20172075 und 20172076) sollte im nächsten Schritt des Verfahrens zu jeder Schule ein Bewertungsgremium gebildet werden, das die im Vergabeverfahren eingehenden Bewerbungen von möglichen OGS-Trägern bewerten sollte. Dieses Bewertungsgremium sollte aus fachkundigen Vertreterinnen und Vertretern des Schulverwaltungsamtes der Stadt Bochum sowie der jeweiligen Schule bestehen.

Entgegen den Vorgaben der entsprechenden Ratsbeschlüsse, bildete das Schulverwaltungsamt jedoch keine entsprechenden Bewertungsgremien. Stattdessen stellte die Verwaltung eine Bewertungsmatrix mit 3 Hauptkriterien auf, die sich in insgesamt 10 Unterkriterien untergliedern. 9 der 10 Kriterien wurden durch den Stadtrat vorgegeben (Vorgang 20172075), ein weiteres Unterkriterium fügte die Verwaltung hinzu.

Bewertungskriterien und Gewichtung unzureichend – Dazu nahm die Verwaltung eine Gewichtung der Kriterien vor. Auch diese wurde weder vom Stadtrat vorgegeben, noch mit den Schulen abgesprochen. Ebenfalls wurde den Schulen nicht die Möglichkeit gegeben den Kriterienkatalog um eigene Wertungskriterien zu erweitern, mit denen bei der Bewertung schulspezifische Besonderheiten hätten berücksichtigt werden können. Im vorgesehenen Bewertungsgremien hätten die Bewertungskriterien und deren Gewichtung zwischen Schulverwaltung und Schulen besprochen und abgestimmt werden müssen. Das konnte mangels entsprechender Gremien nicht geschehen.

Zudem erscheint die Gewichtung einiger Kriterien fragwürdig. So wurde die laufende Fortbildung der OGS-Kräfte höher gewichtet als deren Quantität und Qualität.

OGS-Konzepte nicht ausreichend berücksichtigt – Das von den Schulen ausgearbeitete OGS-Konzept floss so gut wie gar nicht in die Bewertung ein. Die Mühe eigene Bewertungskriterien in die Bewertungsmatrix aufzunehmen, um bei der Bewertung die besonderen Merkmale des OGS-Konzeptes der jeweiligen Schule berücksichtigen zu können, sparte man sich. Es wurde lediglich ein allgemeines Unterkriterium “Berücksichtigung schulspezifischer Besonderheiten” aufgenommen und mit nachrangiger Gewichtung versehen, so dass das eingereichte OGS-Konzept letztlich für die Bewertung der Angebote der möglichen OGS-Träger quasi bedeutungslos wurde.

Punktevergabe fragwürdig – Auch die Bewertung der Angebote der möglichen Träger nach den einzelnen Kriterien erfolgte auf fragwürdige Weise. Für jedes Unterkriterien konnte die Erfüllung des jeweiligen Kriteriums prinzipiell mit 10, 8, 6, 4 oder 2 Punkte bewertet werden. Jedoch wurde die Vergabe von 8 Punkten bei acht von zehn Kriterien unmöglich gemacht. Das führt im Ergebnis zu einer unangemessen hohen Punkteabwertung für den Fall, in dem ein Angebot in einer Bewertungskategorie nur knapp besser war als das andere, also eigentlich die Bewertung 10 zu 8 Punkten angemessen gewesen wäre, jetzt aber die nur leicht schlechtere Erfüllung des Kriteriums automatisch zu einer Abwertung um 4 (auf 6 Punkte) statt nur um 2 Punkte (auf 8 Punkte) führte, was sich letztlich unangemessen stark auf die Gesamtbewertungszahl auswirkt.

Ohnehin fraglich erscheint wie eine Bewertung der Kriterien nach Punkten möglich war, da die Vorgaben des Rates eigentlich nur eine Bewertung, Erfüllung des jeweiligen Kriteriums oder Nicht-Erfüllung des Kriteriums möglich macht. (Vorgang 20172076).

Fehlender Realitätscheck bei Konzepten der Träger – Weiterhin erscheint bedenklich, dass in die Bewertung nur eingeflossen ist, was die möglichen OGS-Träger in ihren Konzepten vollmundig versprochen haben bzw. als prinzipiell möglich angekündigt haben. So versprechen die Träger beispielsweise eine bestimmte personelle Ausstattung. Angesichts des aktuellen Personalmangels im sozialen Bereich ist aber fraglich, ob das zugesicherte Personal dann real auch bereitgestellt werden kann. Denn das Personal, das gemäß Angebot an den offenen Ganztagsschulen eingesetzt werden soll, haben die möglichen Träger nicht etwa schon angestellt, nein, sie müssen es erst einstellen, wenn ihnen die Trägerschaft der OGS tatsächlich übertragen wird. So sucht die AWO-Ruhr-Mitte aktuell händeringend Personal für dutzende Stellen (Stellenangebote AWO).

Entscheidung allein auf Basis der Bewertung der Verwaltung – Die Bewertung der Konzepte der möglichen Träger erfolgte letztlich durch die Verwaltung, die Schule wurde, anders als der Stadtrat es vorgesehen hatte, nicht beteiligt. Zwar wurde der Schulleitung die Bewertungsmatrix vorgelegt, damit sie zu 9 von 10 Unterkriterien eine eigene Bewertung abgeben konnte. Jedoch wurde anschließend diese Bewertung ohne Rücksprache mit Schule und Schulleitung verworfen und durch eine eigene Bewertung der Verwaltung ersetzt. Die Auswahl des zukünftigen OGS-Trägers erfolgte damit ausschließlich auf Grundlage der Bewertung durch die Verwaltung..

Eigentlich hätte in dem Bewertungsgremium Einvernehmen über die Bewertung zwischen Schulverwaltungsamt und Schulen bzw. Schulkonferenz  und hinsichtlich der Auswahl des zukünftigen OGS-Trägers hergestellt werden müssen. Dazu konnte es jedoch nicht kommen, da solche Gremien gar nicht geschaffen wurden. Die Verwaltung entschied über die Köpfe der Schule hinweg.

Zustimmung von Schulkonferenzen wurde nicht eingeholt – Es folgte am 21.12.2022 eine Mail an die Schulleitungen, dass diese dringend den entsprechenden Vergabeentscheidungen des Schulverwaltungsamtes zustimmen müssten, also im Fall von mindestens drei Grundschulen auch einem völlig unerwarteten Wechsel des Trägers der OGS zum neuen Schuljahr 2023/24 (WAZ vom 01.03.23).

Allerdings bedarf es gemäß §65 (2) 3. i.V.m. § 9 (3) SchulG-NRW nicht der Zustimmung der Schulleitung, sondern der Schulkonferenz, wenn im Anschluss an eine Vergabe eine Kooperationsvereinbarung zwischen Schulträger und dem zukünftigen Träger der OGS geschlossen werden soll. Das Schulverwaltungsamt versuchte jedoch die Kooperationsvereinbarungen ohne Beteiligung der Schulkonferenzen zu schließen. Dies ist ausweislich des Wortlauts des Schulgesetzes rechtswidrig.

Gemäß den Vorgaben des Schulgesetzes müssen an allen betroffenen Grundschulen die Schulkonferenzen einberufen werden, um ihnen die beabsichtigten Kooperationsvereinbarungen vorzulegen und über diese abstimmen zu lassen. Wird in einer Schulkonferenz einer Vereinbarung nicht zugestimmt, wird diese nichts rechtwirksam. Der ausgewählte Träger kann ohne Zustimmung der Schulkonferenz nicht mit der Übernahme der OGS beauftragt werden. Eine Zustimmung allein der Schulleitung ohne zustimmenden Beschluss der Schulkonferenz ist rechtswidrig und hat keine Rechtskraft.

Nach aktuellem Kenntnisstand hat sich nur an einer der betroffenen über 50 Grund- und Förderschulen die Schulkonferenz mit der Kooperationsvereinbarung beschäftigt und darüber abgestimmt. An der Frauenlobschule hat die Schulkonferenz am 28.03.23 einstimmig beschlossen der Kooperationsvereinbarung aufgrund der ungenügenden Beteiligung der Schule und der mannigfachen Verfahrensmängel im Vergabeverfahren nicht zuzustimmen.

Dringend sind Beschlüsse der Schulkonferenzen gemäß §65 (3) i.V.m. §9 (3) SchulG-NRW an allen anderen Schulen nachzuholen. Die Schulleitungen sind gesetzlich verpflichtet die Schulkonferenzen einzuberufen und die Mitglieder und Mitgliederinnen des Gremiums über den Ablauf der Vergabeverfahren zu informieren, über die Mängel der Beteiligung zu beraten und die beabsichtigten Kooperationsvereinbarungen zur Abstimmung vorzulegen. Sollten Kooperationsvereinbarungen ohne Zustimmung der Schulkonferenz von Schulleitungen unterschrieben worden sein, sind diese Unterschriften zur “Zustimmung” umgehend zurück zu ziehen.

Fazit

Zusammenfassend ist festzustellen, die Einschätzung der Schulen, Eltern und Lehrkräfte der betroffenen Schulen ist richtig. Eine echte Beteiligung der Schulen gab es nicht. Das Vergabeverfahren war für die Schulen intransparent. Die Vorgaben des Stadtrates (Bewertungsgremium) wie des Schulgesetzes (Zustimmung Schulkonferenz), in welcher Weise die Schulen bzw. Schulkonferenzen hätten an dem Verfahren beteiligen werden müssen, wurden missachtet.

Darüber hinaus fand zudem keine Beteiligung statt wie sie in der Sache angemessen gewesen wäre. Die Organisation der OGS ist ein wesentlicher Bestandteil des Schullalltags und des Lebens der Kinder an den Schulen. Eine gut geführte und in den Unterrichtstag eingebundene OGS hat einen entscheidenden Einfluss auf den Schulerfolg. Es hätte also von Seiten der Verwaltung alles dafür getan werden müssen, die Schulen an den OGS-Vergabeverfahren zu beteiligen und ihre Ein- und Vorgaben zu berücksichtigen. Das Ziel hätte sein müssen, die Entscheidung, wer zukünftig die OGS trägt, gemeinsam mit den Schulen zu treffen. Die Verwaltung hatte sicher zu stellen, dass das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt wird und alle Belange der Schulen in den Verfahren berücksichtigt werden. Es war und ist aber nicht ihre Aufgabe – ohne die Schulen zu kennen – über die Köpfe von Eltern, Schulleitung und Lehrkräften hinweg für diese Entscheidungen zu treffen. Das Selbstverständnis der Verwaltung bedarf in dieser Hinsicht dringend einer Korrektur.

Neue Vergabeverfahren

Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. Stimmen Schulkonferenzen den Kooperationsvereinbarungen mit zukünftigen OGS-Trägern aufgrund der Mängel im Vergabeverfahren und ihrer ungenügenden Beteiligung nicht zu, ist das Vergabeverfahren nach Ansicht der STADTGESTALTER zu wiederholen, auch wenn das Schadenersatzforderungen, der von der Verwaltung ohne Rücksprache mit den Schulen ausgewählten Träger nach sich zieht.

12 Mrz

Warum es auch nach 7 Jahren keinen Innenstadt-Spielplatz gibt

Trotz ständiger Absichtserklärungen des Oberbürgermeisters und eines Ratsbeschlusses, einen Spielplatz auf dem Kuhhirtenplatz zu bauen, schafft es die Verwaltung seit 7 Jahren nicht, das Vorhaben umsetzen. Woran liegt es? Unwille, Unfähigkeit? Die STADTGESTALTER haben Akteneinsicht genommen, um das aufzuklären.

Moderne, lebenswerte Innenstädte aber auch Einkaufszentren punkten mit attraktiven Spielplätzen, die besonders Familien mit Kindern zu den Einkaufsmeilen locken. Die Kinder bekommen die Eltern besser von einem Einkaufstag überzeugt, wenn sie ihnen versprechen können, dass es danach noch auf einen tollen City-Spielplatz geht. 2016 schien es schon so, als hätte man das auch in Bochum verstanden, doch bis heute, 7 Jahre später, ist ein solcher Innenstadt-Spielplatz immer noch nicht in Sicht.

Die Vorgeschichte 2016-2023

2016 – Schon vor 7 Jahren schlugen die STADTGESTALTER einen Spielplatz auf dem Kuhhirtenplatz vor (Innenstädte sollen neue Spielplätze erhalten). Ein Antrag, der für die Bochumer wie die Wattenscheider City eine familienfreundliche Gestaltung sowie zeitgemäße und interaktive Spielplätze vorsah, wurde von STADTGESTALTERn und FDP zum 18.02.16 in den Rat eingebraucht (Vorgang 20160325). Im Ausschuss für Strukturentwicklung erklärte der Oberbürgermeister, die Verwaltung sei bereits an entsprechenden Planungen dran und würde diese bald vorstellen. Er bat daher den Antrag zurückzustellen. Im Vertrauen auf die Worte des OB kamen die Antragsteller dieser Bitte nach.

Spielplatz Kuhhirtenplatz, STADTGESTALTER 2016

    2018 – Doch bis 2018 tat sich nichts. Also stellten STADTGESTALTER und FDP den Antrag in aktualisierter Form am 07.06.2018 erneut (Vorgang 20181424). Dieses Mal erklärte die Verwaltung jetzt sei man an entsprechenden Planungen im Rahmen des gerade in Bearbeitung befindlichen Entwicklungskonzeptes für die Innenstadt (ISEK-Innenstadt) dran und könnte diese in Kürze vorstellen. Erneut vertrauten die Antragsteller auf die Worte der Verwaltung und nahmen den Antrag zurück.

    2019 – in diesem Jahr wurde das ISEK Innenstadt vorgestellt, doch entgegen den Ankündigungen der Verwaltung kommt in dem Konzept die Anlage eines Innenstadt-Spielplatzes nicht vor. Es ist lediglich davon die Rede, dass man bis 2025 ein Konzept “Begrünte und bespielbare Innenstadt” entwickeln wolle (Maßnahme C1).

    Diesmal ergriff die CDU die Initiative und stellte zur Ratssitzung am 12.12.19 den Antrag einen Innenstadt-Spielplatz auf dem Kuhhirtenplatz zu schaffen (Vorgang 20193683). Der Rat stimmte dem einstimmig zu und beauftragte die Verwaltung einen Gestaltungs- und Finanzierungvorschlag auszuarbeiten und diesen den politischen Gremien zur Beratung vorzulegen. Den hat die Verwaltung jedoch bis heute weder erarbeitet noch vorgelegt.

    2022 – Im Rahmen der Beratungen zu einem weiteren Antrag der CDU, in der Innenstadt einen betreuten Spielplatz in der Bochumer Innenstadt einzurichten (Vorgang 20221605), erklärt der Oberbürgermeister, dass es einen Innenstadt-Spielplatz auf dem Kuhhirtenplatz geben werde und die Planungen dazu bereits aufgenommen worden seien (Rats-TV zur Ratssitzung am 21.06.22).

    2023 – Die Verwaltung beantwortet eine Anfrage der CDU, wieweit denn jetzt die Planungen zum Spielplatz auf dem Kuhhirtenplatz gediehen seien (Mitteilung 20230015). Tenor, man prüfe noch die Möglichkeiten zum Umbau des Platzes, es gäbe noch keine Ergebnisse und man wisse auch noch nicht, wie lange man noch brauchen werde.

    Wie so häufig in Bochum wurde also jahrelang viel über das Projekt Innenstadt-Spielplatz gesprochen, viel angekündigt, zugesichert und erklärt, was die Verwaltung angeblich schon tue, nur real gebaut wurde in 7 Jahren nichts.

    Die Akteneinsicht

    Also beantragten die STADTGESTALTER im Februar 2022 Akteneinsicht, um zu klären, was die Verwaltung in Sachen Innenstadt-Spielplatz tatsächlich seit 2016 unternommen hat. Die Verwaltung antwortete, die Bereitstellung der Akten würde etwas Zeit in Anspruch nehmen, da alle Vorgänge seit 2016 bereitgestellt werden müssten.

    Am 08.03.23 konnten die Akten eingesehen werden. Drei schmale Leitzorder wurden vorgelegt. Der erste beinhaltete die Vorgänge zum temporären Spielplatz am Kuhhirtenplatz 2021 und 2022, der zweite die Vorgänge zu Spielplätzen für politische Gremien (u.a. Spielleitplanung), die alle auch im Ratsinformationssystem zu finden sind. Nur der dritte dünne Ordner befasste sich mit den Planungen zur Anlage eines Spielplatzes in der Innenstadt, genauer dem auf dem Kuhhirtenplatz. Dieser Ordner beginnt mit dem Antrag der CDU vom 12.12.19 einen Innenstadt-Spielplatz auf dem Kuhhirtenplatz zu schaffen. Bemühungen oder Planungen zu einem Innenstadt-Spielplatz vor diesem Antrag, gab es gemäß Aktenlage nicht. Entsprechende Aussagen des Oberbürgermeisters und der Verwaltung aus 2016 und 2018 waren somit falsch. Die Politik wurde hinters Licht geführt, um sie zu bewegen diesbezügliche Anträge zurückzustellen.

    Das nächste und zweite Blatt in der Akte ist der Antrag der CDU vom Juni 2022, in der Bochumer Innenstadt einen betreuten Spielplatz einzurichten. Auch in der Zeit bis zu diesem Antrag (Dezember 2019 bis Juni 2022) hat sich die Verwaltung gemäß Aktenlage, anders als der OB es in der Ratssitzung am 21.06.22 vorzugeben versucht hatte, in keiner Weise mit Planungen zum Kuhhirtenspielplatz beschäftigt. Es stellt sich die Frage, haben Oberbürgermeister und Stadtbaurat den Beschluss zur Schaffung eines Innenstadt-Spielplatzes auf dem Kuhhirtenplatz aus der Ratssitzung am 12.12.19 absichtlich unter den Tisch fallen lassen, ggf. weil ihn nicht SPD und Grüne gestellt hatten, sondern die CDU, oder war Organisationsversagen im Dezernat des Stadtbaurats die Ursache, wo man den Überblick verloren hat, welche Beschlüsse des Rates noch umzusetzen sind?

    Der Akte ist jedenfalls zu entnehmen, dass erst nach dem erneuten Antrag der CDU im Juni 2022 die Planungen für den Spielplatz am Kuhhirtenplatz aufgenommen wurden. Allerdings enthält die vorgelegte Akte weder einen Arbeitsauftrag, noch einen Projektzeitplan oder einen Katalog von Aufgaben und Maßnahmen, in welchem Zeitrahmen mit welcher Fragestellung, wer in der Verwaltung welche Aufgabe abzuarbeiten hat. Offenbar wurde eine Mitarbeiterin beauftragt, sich mal zu den Planungen Gedanken zu machen, die erforderlichen Platzpläne zu besorgen, mit Veranstaltungsakteuren zu reden und erste – durchaus spannende – Planungsideen zu entwickeln und diese mit Spielgeräte-. und Sitzmobiliarherstellern abzuklären. Dass es ein durchdachtes Projekt zur Schaffung des Innenstadt-Spielplatzes bis zu einem festgelegten Datum x, gibt, ist der Akte jedoch nicht zu entnehmen. Auch war die Akte in keiner Weise vollständig, sondern stark lückenhaft und folgerichtig auch entgegen der rechtlichen Vorgaben nicht paginiert (mit fortlaufenden Seitenzahlen versehen). U.a. fehlten Vorgänge, aus denen sich andere Vorgänge ergeben haben müssen, zudem Besprechungsprotokolle von offenbar durchgeführten Besprechungen und Vermerke zu Absprachen, wie bestimmte Vorgänge zu behandeln sind. Es hatte sehr den Anschein als wäre die Akte extra für die Akteneinsicht zusammengestellt worden.

    Letztlich bestätigt die Akteneinsicht den Verdacht, dass Aussagen von Oberbürgermeister und Verwaltung, wieweit man sich mit Angelegenheiten schon beschäftigt hat, grundsätzlich nicht zu trauen ist und dass im Dezernat des Stadtbaurats Beschlüsse des Rates nicht systematisch, sondern nach Gutdünken abgearbeitet werden. Ob dies absichtlich so geschieht oder in Folge schlechter Organisation, mag dahinstehen, beides ist inakzeptabel.

    Folgerungen und Konsequenzen

    Die Angelegenheit zeigt, wie wichtig es wäre, dass die Stadt ein Umsetzungsregister führt, in dem die Verwaltung mindestens jährlich zu berichten hat, wie weit die Umsetzung der Beschlüsse des Rates fortgeschritten ist (Bochum fehlt Umsetzungsregister für Beschlüsse des Rates und der Bezirksvertretungen). Ein solches Register hatten die STADTGESTALTER im Mai 2022 im Rat vorgeschlagen. Der Antrag wurde jedoch von SPD und Grünen gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt, die Koalitionsparteien waren nicht bereit diese wichtige Voraussetzung für eine ordnungsgemäße politische Kontrolle der Verwaltung zu schaffen.

    Nachdem schon im Rahmen der Akteneinsicht zur Trassenführung des Radschnellwegs schwere Defizite bei der Verwaltungsarbeit offensichtlich wurden (Akteneinsicht: Verwaltung “lenkt” große RS1-Trassensuchshow zum gewünschten Ergebnis) bestätigt die Akteneinsicht zum Innenstadt-Spielplatz, dass eine deutlich verstärkte Kontrolle der Verwaltungsabläufe durch die Ratsmitglieder erforderlich ist. Die STADTGSTALTER haben sich daher vorgenommen systematisch weitere Verwaltungsvorgänge mittels Einsicht in die Akten zu beleuchten. Zu hoffen ist, dass andere Fraktionen in gleicher Weise vorgehen, um aufzuklären, was in der Verwaltung falsch läuft, warum die Realisierung von Beschlüssen häufig endlos dauert (Stadtverwaltung – viel zu oft viel zu langsam) und in nicht wenigen Fällen dann nicht mal überzeugen kann (Radverkehrskonzept ist kaum zu gebrauchen).

    06 Mrz

    Akteneinsicht: Verwaltung “lenkt” große RS1-Trassensuchshow zum gewünschten Ergebnis

    Noch bevor in Bochum mit der großen Trassensuche des Radschnellwegs (RS1) durch die Innenstadt öffentlichkeitswirksam begonnen wurde, lag der Verwaltung die Streckenführung des RS1, die am 09.03.22 die Politik beschließen soll, ausgearbeitet vor. Die offizielle Trassensuche wurde zur Farce. Die Verwaltung lies das Gutachten so lange umschreiben, bis nur noch die von ihr zuvor entwickelte Streckenführung übrigblieb.

    Viele machte es gleich stutzig als die Stadt Bochum das Gutachten zur Findung der besten Streckenführung für den Radschnellweg (RS1) durch die Bochumer Innenstadt vorlegte und eine Streckenführung vorschlug, die vom Gutachterbüro mit -3 Punkten bewertet wurde, während die besten 14 Streckenführungsvarianten, die mit +1 bis +7 Punkten bewertet wurden, allesamt ohne plausible Begründung von der Verwaltung als ungeeignet verworfen wurden.

    Streichung der besten Varianten aus dem Gutachten zur Trassensuche

    Akteneinsicht bestätigt Verdacht

    Diese nicht nachvollziehbare Vorgehensweise ließ den Verdacht aufkommen, dass die Ergebnisse des Gutachtens so lange gebogen wurden, bis nach Streichung aller guten Varianten letztlich nur noch eine bestimmte Streckenvariante zur Realisierung verblieb und zwar ausgerechnet jene, die verwaltungsintern von Anfang an präferiert wurde. “Die PARTEI und STADTGESTALTER” vorgenommene Akteneinsicht beim Tiefbauamt bestätigte jetzt diesen Verdacht.

    Zwei Trassenfindungsverfahren, ein offizielles, ein verwaltungsinternes

    Es zeigte sich, in der Verwaltung gab es zwei Trassenfindungsverfahren, ein offizielles und ein verwaltungsinternes.

    Direkt nachdem die erste Trassensuche für den Radschnellweg 2018 gescheitert war, bei der erst viel geplant wurde, dann aber die Bahn die Bereitstellung der für die zunächst geplante Streckenführung erforderlichen Flächen abgelehnt hatte, kündigte die Stadt an eine öffentliche Trassensuche mit einer groß aufgezogenen Bürgerbeteiligung zu veranstalten. 

    Einwohner*innen, Interessengruppen, die Radverbände, die Geschäftsleute und Gastronomen, also alle die Ideen hatten, sollten in der ersten Phase des Trassensuchprozesses Vorschläge zu möglichen Streckenvarianten einreichen. Daraufhin sollte ein Gutachterbüro anhand eines von ihm entwickelten Schemas alle Varianten bewerten. In der zweiten Phase des Verfahren sollten die drei am besten bewerteten Varianten als so genannte Vorzugsvarianten vorausgewählt und näher untersucht werden. Auf Basis dieser Ergebnisse sollte schließlich die Politik entscheiden, welche Vorzugsvariante realisiert werden soll. Am 31.01.19 stimmte der Stadtrat diesem Plan zu (Beschlussvorlage:20183423).

    Die geheime Trassensuche

    Die Planungen für die RS1-Streckenführung, die die Politik jetzt am 09.03.2022 beschließen soll (Beschlussvorlage 20220116), gab es allerdings schon, ehe überhaupt mit der öffentlichen Trassensuche publikumswirksam begonnen wurde. Denn während noch die Vorbereitungen für die offizielle Trassensuche liefen, hatte die Verwaltung intern, im Verborgenen, ohne Politik und Bürger*innen zu informieren, diese Trassenführung untersuchen und ausarbeiten lassen. In enger Zusammenarbeit mit einer Entwicklungsgesellschaft wurde für diesen Zweck ein Ingenieurebüro beauftragt, das bereits am 05.05.2020 eine umfassende Untersuchung vorlegte, die die entsprechende Streckenführung detailliert untersuchte und beschrieb.

    Übereinstimmung verwaltungsintern bereits 2020 präferierte Streckenführung und Ergebnis der offiziellen Trassensuche 2022

    Vom beauftragten Ingenieurebüro wurde eine rote und eine blaue Variante untersucht. Im Ergebnis wurde die Führung des RS1 über die Frederikabahn und den P&R-Parkplatz am Klever-Weg vorgeschlagen, die anschließende Brückenquerung mit Überwurf über Universitätssstraße und Buddenbergplatz sowie die Führung über die Wittener Straße durch den Kortumpark zur Akademiestraße, weiter zum Lohring, bis schließlich über die steile Straße Am Lohberg zur Springorumtrasse. Bis auf wenige Meter im Kortumpark ist das genau die Streckenführung des RS1, die in der nächsten Woche, am 09.03.22 im Mobilitätsausschuss beschlossen werden soll (Beschlussvorlage 20220116). In der Beschlussvorlage wurde noch eine Alternativstreckenführung über Ehrenfeld- und Clemensstraße ergänzt, für den Fall die Strecken entlang der Bahnlinie stünden nicht zur Verfügung.

    Für die Öffentlichkeit: Die große Trassensuchshow

    Bezeichnender Weise floss die bereits ausgearbeitete Streckenführung allerdings nicht in die große Trassensuchshow ein. Zu dieser wurde publikumswirksam im Juni und Juli 2021 eine großangelegte Öffentlichkeitsbeteiligung organisiert. Online konnten die Menschen insbesondere ihre Ideen zu Trassenvorschlägen angeben und ihre Meinungen zu Streckenführungen äußern. Ende August folgte ein Workshop mit allen Interessengruppen. Die Zahl der Rückmeldung war erfreulich hoch. Insgesamt wurden auf der Webseite 4.350 Zugriffe verzeichnet, es wurden 336 Trassenvarianten in die Online-Karte eingetragen. Basierend auf dieser großen Menge Streckenvarianten entwickelte das von der Stadt beauftragte Gutachterbüro anschließend ein aufwendiges Bewertungssystem um nach einer Vorauswahl 42 realistische Varianten bewerten und vergleichen zu können.

    Aufgrund des Vergleichs und der Bewertung der Varianten kam das Gutachterbüro zu eindeutigen Ergebnissen, die sie der Verwaltung Ende 2020 vorstellte, Das Büro kam zu dem Schluss, im weiteren Verlauf der Trassensuche sollten folgende drei Streckenführungen als Vorzugsvarianten näher untersucht werden (zu den Variantennummern, siehe Gutachten): die erste über den Boulevard (1c), die zweite über Süd- und Ostring, am Justizzentrum vorbei und dann durch den Tunnel nördlich der Springorumtrasse (5b und 7a) sowie eine dritte über das Gelände City-Tor-Ost. Südring, Wittener Straße und Altenbochumer Straße und schließlich von dort auf die Springorumtrasse (10). Die Varianten südlich der Bahnlinie sollten nach Ansicht des Gutachterbüros nicht weiterverfolgt werden. Diese seien zu schlecht bewertet, würden zu viele Hemmnisse aufweisen und ihre Herstellung sei zu (kosten-)aufwendig. Dies betraf auch die Varianten 3e und 6a, die sich in Kombination zu einem nicht unwesentlichen Teil mit der von der Verwaltung im Geheimen bereits entwickelten Streckenführung decken.

    Die Ergebnisse der Trassensuche werden von der Verwaltung auf den Kopf gestellt

    Die Ergebnisse sollten der Verwaltung nicht passen. Zunächst wurde versuchte die Bewertungskriterien beim Gutachterbüro zu erweitern und zu verändern, um bessere Bewertungen für die gewünschten Varianten zu erzielen. Doch das gelang nicht. Der Punkteabstand zu den besten Varianten war zu groß.

    Also entschloss man sich die ganze Bewertung auf den Kopf zu stellen. Mit der Begründung, die Ergebnisse des Gutachterbüros seien unzureichend, rechtfertigte man eine sogenannte “pragmatische” Lösung: Kurzerhand sollte alle Varianten, über Straßen, auf denen vor kurzem Radwege eingerichtet wurden oder gerade geplant würden, nicht weiter betrachtet werden, also solche über Alleestraße. Westring, Südring, Ostring, Hattinger Straße und Oskar-Hoffmann-Straße, Ebenso sollte die Variante über den Boulevard nicht weiterverfolgt werden, weil zu dieser Straße die Politik bereits vor Jahren gegenteiliges beschlossen habe. Und auch Varianten mit großen Strecken über die Wittener Straße sollten eliminiert werden.

    Im Handstreich führte diese im Kreis von vier Verwaltungsmitarbeiter*innen und ohne jede politische Beteiligung getroffene Entscheidung die gesamte Bewertung des Gutachterbüros ad absurdum. Hatte das Gutachterbüro gestützt auf seine aufwendige Bewertung ausschließlich Streckenführungen nördlich der Bahnlinie als sinnvoll angesehen, hatte die Verwaltung jetzt mit fadenscheinigen Begründungen fast alle Streckenführungen nördlich der Bahnlinie eliminiert und so dafür gesorgt, dass nur die schlecht bewerteten Streckenführungen südlich der Bahnlinie übrigblieben, insbesondere auch die Streckenführung, die die Verwaltung schon seit Mai 2020 in der Schublade geparkt hatte.

    Die Begründung zur Eliminierung aller nördlichen Streckenvarianten ist eine Farce. Laut Bewertungsschema des Gutachterbüros ist auf allen zur näheren Untersuchung vorgeschlagenen Varianten der RS1-Standard umsetzbar, bei den Varianten 1c und 5b sogar zu 100%, also besser als bei der von der Verwaltung favorisierten Streckenführung. Auch der frühere Beschluss des Rates, eine RS1-Führung über den Boulevard nicht mehr zu verfolgen, stand einer weiter Betrachtung dieser Variante nicht im Weg. Wenn am Ende der Trassensuche die Variante entlang des Boulevards als beste Streckenführung heraus gekommen wäre, hätte die Politik überlegen können, ihren bisherigen Beschluss ggf. zu ändern. Für den West-, Süd- und Ostring waren zum Zeitpunkt der Entscheidung noch gar keine Umgestaltungs- und Planungsmaßnahmen vom Stadtrat beauftragt worden. Die wurden erst fünf Monate später im Rahmen des Verkehrskonzepts Innenstadt beschlossen, wohl auch um zumindest pro forma die Eliminierung der entsprechenden Streckenvarianten rechtfertigen zu können. In anderen Besprechungen wurde zu der bereits im Umbau befindlichen Hattinger Straße ausgeführt, auf dieser könne der RS1 mindestens noch so lange eingeplant werden, bis der erste Randstein gesetzt werde. Warum große RS1-Strecken an der Wittener Straße zum Ausschlusskriterium für diese Straße wurden, ist aus den Akten gar nicht ersichtlich.

    Die wenig überzeugende Begründung zur Eliminierung aller Streckenvarianten nördlich der Bahntrasse erkannte die Verwaltung wohl bei Abfassung des Gutachtens selbst. Für das später veröffentlichte Gutachten verfiel man daher auf die ergänzende Formulierung, der RS1-Standard sei auf den Straßen nördlich der Bahnlinie nicht umsetzbar, obwohl dies im Gutachten selbst widerlegt wird, wo den allermeisten eliminierten Streckenvarianten ein RS1-Standard von weit über 90% bis 100% attestiert wird. Ein Wert, der in der Regel besser ist, als derjenige der Streckenführung, die von der Verwaltung favorisiert wird, denn diese weist eine 219 Meter lange, nicht RS1-Standard-konforme 7%-Steigung auf (Strecke des RS1 soll in Bochum über 7%-Anstieg gehen).

    Im Endeffekt hatte die Verwaltung die Bewertung des Gutachtens soweit ausgehebelt, dass alle gut bis sehr gut bewerteten Streckenvarianten eliminiert wurden. Damit war der Weg frei mit Hilfe des Gutachtens statt einer Streckenführung mit einer Bewertung von +1 bis +7 Punkten eine Vorzugsvariante vorzuschlagen, die nur mit –3 Punkten bewertet wurde. Diese ist zusammengesetzt aus den Varianten (3e und 6a) und sie verläuft zufällig entlang der Trassenführung, die die Verwaltung bereits ab 2019 im stillen Kämmerlein abseits der Öffentlichkeit hatte entwickeln lassen.

    Verwaltung verspielt Glaubwürdigkeit und torpediert Bürgerbeteiligung

    In der beschriebenen Weise führt man die Glaubwürdigkeit von Gutachten und Gutachter*innen ad absurdum und hintertreibt die hohe Bereitschaft der Bürger*innen sich an solchen Prozessen zu beteiligen. Tatsächlich hatten die Trassenvorschläge der Bürger*innen, Initiativen und Interessengruppen aufgrund der Voreingenommenheit der Verwaltung nie eine Chance. Die Trassensuche war nichts weiter als eine große Show, mit der die Beteiligten hinters Licht geführt wurden. Offensichtlich war nie beabsichtigt einer der vom Gutachterbüro gut bewerten Streckenführungen zu wählen. Die Bewertung der Varianten gab es allein für die Galerie. Am Ende wurde das Gutachterbüro nur benutzt, um der Verwaltung gegenüber der Politik einen Freifahrtschein für seine von Anfang an präferierte Streckenführung auszustellen.

    Zu hoffen ist, dass ein solcher Fall in Bochum bisher einmalig war und das für die Zukunft auch bleibt. Er untergräbt grundlegend die Glaubwürdigkeit in das Handeln der Verwaltung sowie zukünftig zu erstellende Gutachten. Immer steht ab diesem Vorfall der Verdacht im Raum auch andere Gutachten wurden von der Verwaltung in ähnlicher Weise verfälscht und für eigene Zwecke zurechtgebogen. Dass von der Stadt beauftragte Gutachten rein fachlich fokussierte Einschätzungen von unabhängigen Expert*innen wieder geben, wird mit Verweis auf diesen Fall in den nächsten Jahren immer wieder bezweifelt werden.

    Die Verwaltung hätte intransparent, ohne Information von Politik und Öffentlichkeit neben der großen Trassensuche keine eigene Untersuchung von Streckenvarianten betreiben dürfen. Zumindest hätte die aus der internen Streckensuche resultierende Variante als von der Verwaltung bisher favorisierte Streckenführung transparent in die große Trassensuche eingehen müssen. Die Einmischung in die Trassenfindung hätte nie so weit gehen dürfen, dass die Verwaltung die Ergebnisse des Gutachterbüros mit fadenscheinigen Begründungen quasi auf den Kopf stellt. Es fehlte der Verwaltung an dem für die Begleitung eines solchen Bewertungs- und Auswahlverfahrens erforderlichen Mindestmaß an Unvoreingenommenheit. Wäre das Gutachten nach Meinung der Verwaltung nicht brauchbar gewesen, dann hätte die Politik darüber entscheiden müssen, ob das Trassensuchverfahren beendet wird und wie es weiter gehen soll. So zeigt sich, man hätte sich in diesem Fall die teure Beauftragung eines externen Gutachterbüros sparen können, wie es die Fraktion “FDP und STADGESTALTER” bereits 2019 beantragt hatte (Änderungsantrag 20183423).

    Die von der Verwaltung präferierte Streckenführung ist ungeeignet

    In der Sache ist auch den Dokumenten der Akteneinsicht zu entnehmen, die jetzt von der Verwaltung vorgeschlagene Streckenführung ist extrem teuer. Allein die Brückenanlage zwischen Klever Weg über Universitätsstraße, Hauptbahnhof, Buddenbergplatz und Wittener Straße zum Kortumpark soll laut Schätzungen der Stadt 18,5 bis 26,5 Mio. Euro zuzüglich üblicher Baukostensteigerungen verschlingen.

    Die Variante ist darüber hinaus wenig attraktiv und langsam, zum einen wegen der 7%-Steigungsstrecke Am Lohberg und der weiteren nicht unerheblichen Steigungen im sonstigen Streckenverlauf, (Strecke des RS1 soll in Bochum über 7%-Anstieg gehen) zum anderen wegen der vielen engen 90°-Kurven.

    Fahrtdauer A: Schnellste Route unter aktuellen Bedingungen B: RS1-Streckenführung Verwaltung (unter aktuellen Bedingungen) C: Variante 1 über Südring und Rottstraße

    Aktuell benötigt man über die vorgeschlagene RS1-Strecke vom Maarbacher Tunnel bis zur Buseloh-Brücke 31 Minuten. Durch den Umbau zum RS1 ist kaum mit einer hohen Beschleunigung zu rechnen, denn die 90°-Abbiegungen bleiben. Auch in den Fahrradstraßen, die Teil der Strecke sind, ist bei Autos im Gegenverkehr das Tempo kaum zu erhöhen. Bestenfalls wird es möglich sein die Fahrtdauer auf 24-26 Minuten zu verkürzen. Allerdings schafft man über Südring oder Boulevard die gleiche Verbindung heute bereits in 20 Minuten. Mit den für die Zukunft auf dieser Strecke geplanten Radwegen werden es sogar 18 Minuten oder noch weniger sein.

    Die geplante Streckenführung ist also für einen Radschnellweg ungeeignet. Das Grundprinzip des Radschnellwegs ist, schnell und direkt unterwegs zu sein. Dieses Prinzip scheint die Bochumer Verwaltung bei der Entwicklung der von ihr favorisierten Streckenführung jedoch nicht verfolgt zu haben.

    Absehbar ist, wer mit dem Rad schnell durch die Bochumer Innenstadt kommen will, wird nicht den geplanten Streckenabschnitt des RS1 nehmen, sondern über Südring oder Boulevard fahren. Das wird insbesondere an der Kreuzung zur Kortumstraße für Chaos sorgen, wenn dort zu viele Radfahrende auf zu viele Fußgänger*innen treffen. Die Schaffung solcher Gefahrenpunkte sollte eigentlich durch eine gute geplante RS1-Führung vermieden werden.

    Die Bewertung der jetzt von der Stadt vorgeschlagenen Streckenführung liegt also nicht umsonst bei –3 Punkten, während andere Streckenführungen mit +7 bewertet wurden. Sie ist für Alltagsradler unattraktiv, sie hat keinen wirtschaftlichen Effekt für die Innenstadt und wird daher nicht gut angenommen werden. Wird sie realisiert, wird sie als weitere millionenteure Fehlplanung in die Geschichte der Stadt eingehen.

    Es ist zu hoffen, dass die Fraktionen des Stadtrats vor der Entscheidung am 09.03 nochmal in sich gehen und sich die Akten zu der Trassensuche ebenfalls sehr genau ansehen. Eine Entscheidung auf Grundlage dieses von der Verwaltung diskreditierten Trassensuchprozesses, sollte in einer Stadt, der Bürgerbeteiligung und Transparenz wichtig sind, nicht erfolgen. Die Auswahl der für die Streckenführung des RS1 durch die Bochumer Innenstadt in Frage kommenden Streckenvarianten muss auf Basis der vom Gutachterbüro gut bewerteten Varianten wiederholt werden. Danach erst kann eine seriöse Entscheidung der Politik fallen. Der Stadtbaurat sollte die Größe besitzen und die aktuelle Beschlussvorlage von sich aus zurück ziehen.

    10 Jun

    Akteneinsicht Musikforum zeigt, zentrale Dienste können kein Projektmanagement

    Statt ursprünglich geplanten 2,4 Mio. betragen die Baukosten für das Musikforum für die Stadt am Ende voraussichtlich rund 10 Mio. (städtische Gesamtkosten bisher: 16,9 Mio.). Statt Ende Juni 2015 erfolgte die Eröffnung erst Ende September 2015, 16 Monate später als geplant. Grund genug die Ursachen zu erforschen. Entsprechend hatte dieFraktion „FDP & Die STADTGESTALTER“ Akteneinsicht in die Bauakten des Bauprojektes beantragt. Das Ergebnis ist verheerend.

    Kein Projektmanagement und keine politische Kontrolle

    Die Akteneinsicht zeigte, bei dem Bau des Prestigeprojektes gab es nicht ansatzweise ein funktionierendes Projektmanagement. Verwaltung, Bauleitung und Baufirmen führten lediglich immer wiederkehrende Bau- bzw. Bauleitergespräche, bei denen der aktuelle Stand besprochen wurde und freihändig Maßnahmen zur Fortführung der laufenden Gewerke vereinbart wurden.

    Gegenüber dem Stadtrat erklärte die Verwaltung über den Projektfortschritt des Musikforums würde der Projektsteurer, das Ingenieurbüro Convis, regelmäßig Berichte erstellen (Mitteilung 20161117). Dies ist tatsächlich nie der Fall gewesen. Die im Rahmen der Akteneinsicht ausdrücklich angeforderten Berichte konnten zur Akteneinsicht nicht vorgelegt werden. Es gibt sie nicht.

    Politischer Lenkungskreis und Beirat, die das Bauprojekt begleiten und die Projektsteuerung kontrollieren sollten, tagten nur bis Ende April 2015. Als das Projekt endgültig aus dem Ruder lief, stahl sich die Politik aus der Verantwortung, in dem sie keine weitere Kontrolle der Projektsteuerung mehr wahrnahm. An der Vergabe der teuren Beschleunigungsmaßnahmen für das Projekt, waren die beiden Gremien entsprechend nicht mehr beteiligt. Offenbar in gegenseitigem Einvernehmen trafen die zentralen Dienste alle Entscheidungen in eigener Verantwortung. Damit die Politik, ihre Hände in Unschuld waschen und über die Kostenexplosionen überrascht tun konnte, gab sie die politische Kontrolle der Projektsteuerung auf. Weiterlesen