Stadt soll mehr für Wohneigentum tun
Im Mittel zahlt ein Bewohner in Bochum und Wattenscheid 6 Euro Miete pro qm, der mittlere Kaufpreis für eine Eigentumswohnung liegt bei 1.311 Euro pro Quadratmeter.
Diese Zahlen hat das wirtschafts- und sozialwissenschaftliches Forschungs- und Beratungsinstitut empirca ermittelt (Handlungskonzept Wohnen). Die Daten dienen als Grundlage für das jetzt vorliegende städtische Handlungskonzept Wohnen, das aktuell von der Politik diskutiert wird.
In Bochum und Wattenscheid sind die Mieten im Vergleich zu anderen Großstädten sehr günstig. In München zahlt man im Mittel 17,07 Euro, in Frankfurt 13,48 Euro, in Berlin, 11,60 Euro, also das doppelte bis fast das dreifache.
Miete muss für Instandhaltung und Modernisierung ausreichen
Die Mietpreise sind so niedrig, dass es für viele Vermieter kaum möglich ist aus den Mietzahlungen eine ordnungsgemäße Instandhaltung zu bezahlen. Entsprechend liegt der Anteil von Wohnraum, der als gehoben oder hochwertig angesehen werden kann, nur bei 30,5%.
Aus dem Mietpreis muss der Vermieter, den Kaufpreis, die Finanzierung, die ordnungsgemäße Instandhaltung und eine Rendite refinanzieren. Liegt der Mietpreis bei 5 Euro/qm und darunter, ist das kaum mehr möglich. Der Vermieter spart entsprechend zuerst bei der Instandhaltung und Modernisierung der Immobilie. Es wird nicht mehr Investiert, es entsteht ein Sanierungsstau und der Zustand der Immobilie verschlechtert sich nachhaltig. Diese Entwicklung kann man vielen Immobilien in Bochum und Wattenscheid leider bereits ansehen.
Wichtig ist also, dass die Immobilienbesitzer mindestens so viel Miete erwirtschaften, dass eine ordnungsgemäße Instandhaltung und eine regelmäßige, zeitgemäße Modernisierung möglich ist.
Bezahlbarer Wohnraum
Pauschal fordern Teile der Politik „bezahlbaren Wohnraum“. Doch wann ist Wohnraum bezahlbar und wann nicht? Möglich wäre eine Festlegung, dass die Kosten für eine Wohnung einen bestimmten Anteil des Einkommens nicht übersteigen sollten.
Das durchschnittliche Haushaltseinkommen je Einwohner beträgt in Bochum pro Monat 1.618,5 Euro pro Monat (19.422 Euro pro Jahr, gestiegen von 14.060 Euro im Jahr 1995). Geht man davon aus, dass ein Drittel des Einkommens für Miete zur Verfügung steht, sind das in Bochum und Wattenscheid knapp 540 Euro, Bei 6 Euro Miete für jeden qm, kann sich der Bochumer und Wattenscheider Durchschnittsverdiener davon eine Wohnung mit 90 qm leisten, der Münchener und Berliner nur eine Wohnung mit 46 qm, der Frankfurter 50 qm (Städtevergleich Mietkosten).
Wohnraum in Bochum und Wattenscheid ist bezahlbar. Ja sogar im Vergleich zu anderen Großstädten extrem günstig.
Auch Geringverdiener, mit nur 30% des Durchschnittseinkommens, könnten sich in Bochum von einem Drittel des verfügbaren Einkommens noch 27 qm leisten. Für eine 45 qm Wohnung müssten sie 56% des Einkommens aufzuwenden.
Zu kleines Angebot an Wohneigentum
Ein großes Problem in Bochum ist jedoch, dass nur 30% der Menschen in eigenem Wohneigentum leben. 70% der Einwohner finanzieren mit ihrer Miete das Wohneigentum anderer. 52% aller Wohneinheiten befinden sich im Eigentum von privaten Vermietern, 40% sind Eigentum von Vermietungsgesellschaften wie Vonovia, VBW oder Vivawest und Eigentümergemeinschaften.
Das bedeutet, im Alter müssen die allermeisten Einwohner einen wesentlichen Teil ihrer Rente für ihre Miete aufwenden, es verbleibt ein deutlich geringerer Teil für das normale Leben wie bei Menschen, die in eigenem Wohneigentum leben.
Eine weitere Folge der hohen Verbreitung von Wohnungsmiete ist, dass der Teil der Bevölkerung der vermietet oder in selbstgenutztem Wohneigentum wohnt, von Generation zu Generation immer vermögender wird, weil er deutlich bessere Chancen besitzt weiteres Wohneigentum zu erwerben bzw. zu erben, die Mieter aber kein Vermögen bilden und mit ihrer Miete nicht eigenes, sondern das Vermögen anderer aufbauen. Mieten ist damit eine wesentliche Ursache für die immer weiter aufklaffende Schere beim privaten Vermögen.
Betrachtet man die wesentlichen Faktoren bei Miete und Kauf einer Wohnung (Grafik Miete vs. Kauf), dann zahlt der Mieter bei einer für Bochum typischen 75 qm Wohnung in 60 Jahren 324.000 für Mieten. Wird die Wohnung zur Selbstnutzung gekauft, muss der Käufer in 60 Jahren 247.500 Euro für Kauf, Finanzierung und Instandhaltung aufwenden. Nach 60 Jahren ist das Vermögen des Wohnungseigentümers um rund 98.000 Euro angewachsen, der Mieter konnte dagegen kein Vermögen bilden. Der finanzielle Vorteil des Kaufs liegt also insgesamt bei fast 175.000 Euro (Ersparnis + Vermögenszuwachs).
In den allermeisten europäischen Ländern ist Wohneigentum daher die Regel und Miete die Ausnahme. In den meisten Ländern sind 70% und mehr Menschen Wohneigentümer (Wohneigentum in Europa).
Eine Wohneigentumsquote von 70% sollte auch in Bochum angestrebt werden.
Menschen mit durchschnittlichen und höheren Einkommen können sich auch in Bochum und Wattenscheid Wohneigentum leisten. Laut des Handlungskonzeptes Wohnen können sich von den in Bochum und Wattenscheid angebotenen Wohnungen bei Geringverdienern (30% des Durchschnittseinkommens), Paare mit Kindern 30% der Mietangebote leisten, Alleinerziehende und Singles nur 2%, Paare ohne Kinder 62%. Bei den Durchschnittsverdienern können Paare mit Kindern sich 58% der Angebote leisten, Alleinerziehende 11%, Singles 26%, Paare ohne Kinder 81%. In der Stadt haben 16,7% der Haushalte Kinder, davon sind fast ein Viertel Alleinerzieherhaushalte.
Beim Handlungskonzept Wohnen, sollte die Bildung von Wohneigentum daher ein deutlicher Schwerpunkt sein. Ein primäres Ziel der Stadt sollte sein, dafür Sorge zu tragen, dass das Angebot an Wohneigentum möglichst groß ist. 50-60% der 800 Wohneinheiten, die laut Handlungskonzept jedes Jahr neu gebaut werden sollen, sollten den Einwohnern zum Kauf angeboten werden. Die Stadt sollte insbesondere die Sanierung und Modernisierung von Wohnungen fördern, die Einwohner zur Selbstnutzung erwerben wollen. Denn bisher fehlt es häufig an ausreichenden und passenden Angeboten für Wohneigentum. Menschen, die Wohneigentum erwerben wollen, ziehen entsprechend häufig in die Nachbarstädte.
Auch fehlen unabhängige Beratungsstellen, bei denen sich Kaufinteressierte informieren können, ob und unter welchen Bedingungen sich für sie der Erwerb von Wohneigentum lohnt und welche Risiken und Chancen eine zum Kauf ins Auge gefasste Wohnimmobilie ggf.birgt.
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