10 Sep

Langzeitarbeitslosenprogramm ist bisher ein Totalausfall

Im Oberbürgermeister-Wahlkampf wurde 2015 mit großem Tamtam ein beispielloses Beschäftigungsprogramm für Bochumer Langzeitarbeitslose angekündigt:

160 Bochumer Langzeitarbeitslose, wenn es gut läuft sogar 200 (Interview, Leiterin des Jobcenters), sollten die Möglichkeit erhalten, wieder ein festes Arbeitsverhältnis zu bekommen. 5,6 Millionen Euro sollten dafür vom Jobcenter fließen. Der Name dieser Initiative „Bochumer Chance“ sollte Programm sein.

Mit einer großen Publicity-Aktion wurde das Programm vorgestellt und als Werbemaßnahme für den SPD-Oberbürgermeisterkandidaten Thomas Eiskirch, damals noch MdL, vermarktet (Pottblog vom 13.05.15). Die Leiterin des Jobcenters ließ sich breitwillig für den Wahlkampf des SPD-Kandidaten einspannen. Exklusiv überließ sie es dem damaligen SPD-Vorsitzenden Eiskirch, das Programm für seinen Wahlkampf auszuschlachten (Ruhrbarone vom 15.05.15).

Der erklärte gleich fünf Unternehmen für das Projekt angerufen und gewonnen zu haben: Die Bochumer Verein Verkehrstechnik GmbH, die Deutsche Technische Gebäudeservice GmbH, den VfL Bochum, die Sanitärfirma Hasenkamp und die Rewe Lenk OHG.

Nachdem das Programm nun das erste von zwei Jahren gelaufen ist, fragte die Fraktion „FDP & Die STADTGESTALTER“ nach, wie erfolgreich es denn bisher gewesen ist.

Das Ergebnis ist ernüchternd (Mitteilung des Jobcenters). Bisher konnten nur 33 langzeitarbeitlose Menschen vermittelt werden, von denen 22 ihren Lebensunterhalt jetzt vollständig unabhängig von der Grundsicherung bestreiten können. Dem stehen ziemlich genau 8.000 Langzeitarbeitslose in Bochum entgegen (August 2016: Arbeitsmarktbericht Stadt Bochum, 7.998). Das 5,6 Mio. Euro schwere Programm hat also bisher 0,41% der Langzeitarbeitslosen erreicht bzw. 1,65% der Arbeitslosen, die nach Meinung des Jobcenters in das Programmraster passen sollten (WAZ vom 11.05.15).

Nur 16 Arbeitgeber konnten für die Beschäftigung der Langzeitarbeitslosen gewonnen werden. Die Unternehmen kommen aus den Branchen Recycling (18 Langzeitarbeitslose), Einzelhandel (1), Abfallwirschaft (1), Sozialwesen, Gesundheit und Pflege (5), Wach- und Sicherheitsdienst (1), und Bildung (1). Dazu kommen fünf Vereine sowie ein Privathaushalt.

Nach den Angaben des Jobcenters kam kein Langzeitarbeitsloser in einem Handwerksbetrieb, in der Gebäudewirtschaft oder einem Unternehmen der industriellen Fertigung unter. Die Firma Hasenkamp, die Deutsche Technische Gebäudeservice GmbH (Tochter der Vonovia), und der Bochumer Verein Verkehrstechnik haben also, anders als bei dem groß inszenierten Start des Programms von Oberbürgermeister Eiskirch (SPD) angekündet (Interview ab Min. 3:16, Thomas Eiskirch, https://youtu.be/6FodcHUDEbI), offenbar keine Langzeitarbeitslosen eingestellt.

Drei der fünf von Eiskirch (SPD) angerufenen Unternehmen hätten demnach ihre angeblichen Zusagen nicht eingehalten. Die Verlautbarung des jetzigen Oberbürgermeisters, dass sich so viele Unternehmen auf seine Initiative bereit erklärt hätten, an dem Programm teilzunehmen, war also, glaubt man den Angaben des Jobcenters, im Wesentlichen nicht mehr als heiße Luft.

2,3 Mio. Euro des Programms veranschlagt das Jobcenter für Betriebsakquisiteure und Coaches sowie für Qualifizierungs- und Mobilitätskosten der Teilnehmer. Trotz dieses gewaltigen Aufwandes gelang es nur 16 Arbeitgeber für die Teilnahme an dem Programm zu bewegen.

Legt man die Hälfte des Betrages von 2,3 Mio. auf die 33 Menschen um, die das 2-Jahres-Programm im ersten Jahr erreicht hat, dann entfallen rechnerisch auf jeden vermittelten Langzeitarbeitslosen fast 35.000 Euro Bürokratiekosten. Hinzu kommen die Lohnkostenzuschüsse (im Durchschnitt 55.473 Euro pro Langzeitarbeitslosem).

Der Erfolg von Lohnkostenzuschüssen ist bei Wirtschaftswissenschaftlern zudem sehr umstritten. Kritiker bemängeln, dass sehr hohe Kosten allenfalls geringe Erfolge gegenüber stehen. Weiterhin ist fraglich, in welchem Maß Arbeitsplätze subventioniert werden, die ohnehin geschaffen worden wären. Ungewiss ist auch, in wieweit nach dem Auslaufen der Subventionen eine Weiterbeschäftigung erfolgt, weil diese ggf. ohne Förderung unwirtschaftlich ist.

Das Programm „Bochumer Chancen“ bestätigt bislang diese Einschätzung, unangemessen hohen Kosten steht bisher ein kaum messbarer Erfolg gegenüber. Es bestätigt sich der Verdacht, dass es bei dem Programm eigentlich mehr um eine Werbemaßnahme für die beteiligten Politiker ging und eine Beschäftigungsmaßnahme für Jobcenter-Mitarbeiter, als darum tatsächlich etwas für die 8.000 Bochumer Langzeitarbeitslosen zu tun.

Das Programm ist lediglich in der Lage einem geringfügigen Anteil der langzeitarbeitslosen Menschen zu helfen, es setzt aber nicht bei den Ursachen von Langzeitarbeitslosigkeit an. Ursache von Langzeitarbeitslosigkeit ist regelmäßig die fehlende bzw. geringwertige Berufsausbildung. Fast 20% der Langzeitarbeitslosen haben keinen Schulabschluss, über 50% der Langzeitarbeitslosen keine Berufsausbildung. Solange unser unterfinanziertes Schul- und Ausbildungssystem jedoch nicht in der Lage ist, jedem Jugendlichen einen qualifizierten Schul- und Berufsabschluss zu ermöglichen, nimmt die Zahl der nachwachsenden Langzeitarbeitslosen nicht ab. Hier muss die Politik ansetzen. Hier hätten sich 5,6 Mio. deutlich erfolgreicher einsetzen lassen.

Die Bemühungen allen Menschen einen qualifizierten Schul- und Berufsabschluss zu ermöglichen, werden aber erst langfristig zu einem messbaren Erfolg führen. Ein kurzfristiger Publicity-Effekt lässt sich damit für die städtischen Politiker nicht erzielen. Vielleicht ist deshalb das Interesse Langzeitarbeitslosigkeit ernsthaft zu bekämpfen bei vielen in der Politik eher begrenzt. Anders lässt sich die systematische Vernachlässigung der städtischen Schulinfrastruktur und -ausstattung kaum erklären.

Damit die „Bochumer Chance“ in einem Jahr nicht zur vollständigen Blamage für Oberbürgermeister Eiskirch (SPD) wird, muss er wohl noch einige Bochumer Arbeitgeber anrufen und sie bewegen an dem Programm teilzunehmen. Werden auch im zweiten Jahr des Programmes bei 8.000 Langzeitarbeitslosen nicht mehr als 33 Menschen vermittelt, droht das Programm angesichts der vollmundigen Ankündigungen zur teuren Luftnummer zu werden.

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