Strategie zur Belebung der Bochumer Innenstadt
Die Corona-Krise führt in der Innenstadt zu einer Beschleunigung der schon bisher erkennbaren negativen Entwicklungstendenzen zu mehr Leerständen und Verödung. Die Geschäftsleute sagen, sie stehen mit dem Rücken zur Wand. In drei Bereichen muss schnell was passieren, damit eine fortschreitende Verödung der Innenstadt aufgehalten werden kann.
In der Zukunft wird der Einzelhandel keine dominante Rolle mehr in den Fußgängerzonen der Stadt spielen. das betonen auch der Geschäftsführer der „Bochum Wirtschaftsentwicklung“ Ralf Meyer und der Baudezernent Markus Bradtke immer wieder. “Funktionierende Innenstädte basieren auf einem vitalen Nutzungsmix ohne reine Einzelhandelsdominanz. Schauen Sie sich südeuropäische Städte an: Sie glänzen aufgrund ihres kulturellen Angebotes und der besonderen Aufenthaltsqualität durch attraktive Plätze und vielfältige Gastronomie.”, erklärt Markus Bradtke die Richtung der Stadt, in die sich die Bochumer Innenstadt entwickeln soll (An einem Strang ziehen, 25.06.20).
Kostenfreies Parken in der Innenstadt wird keinen nennenswerten Effekt haben
Doch getan hat sich in dieser Richtung lange viel zu wenig. Bis vor wenigen Jahren galt die Verbesserungen der Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem Auto als Allheilmittel, um die City als Shoppings-Standort attraktiv zu machen. Doch diese Strategie hat sich als unwirksam erwiesen. Die immer wieder im Zusammenhang mit den Maßnahmen versprochene Belebung der City konnte nicht erreicht werden.
Die Versäumnisse einer über vier Jahrzehnte in die falsche Richtung gelaufenen Politik. lassen sich jedoch nicht in ein paar Jahren beheben. Die Neuausrichtung der Innenstadt benötigt viel Zeit und ein Umdenken. Doch in der Corona-Krise fallen Politik und Einzelhändler wieder in alte Verhaltensmuster zurück. Jetzt meinen die Handelnden mit stundenweisem kostenfreien Parken Leerstände und Verödung aufhalten zu können. Dieser Aktionismus wirkt hilflos und es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die ziellose und einseitige Subventionierung der Autokunden zu nennenswert mehr Umsatz in der Innenstadt führen wird. Bis auf wenige Ausnahmen werden Kunden bezuschusst, die ohnehin mit dem Auto in die Innenstadt gekommen wären. Das jetzt bereit gestellte Geld wird allerdings demnächst für die Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen fehlen.
Um die Innenstadt zu beleben, sollten sich die Aktivitäten von Stadt, Politik und Einzelhandel stattdessen auf drei ganz andere Bereiche konzentrieren:
1. Kunden, die nicht mit dem Auto kommen wollen, als Kunden gewinnen
Während in Innenstädten, die erfolgreich sind, ein wesentlicher Teil die City von Kunden zu Fuß oder mit dem Rad erreicht wird, ist das in Bochum nicht der Fall, Hier kommen 38% der Kunden mit dem Auto und eben so viel mit dem ÖPNV in die Innenstadt (Grafik, wie kommen die Kunden in die Bochumer Innenstadt). Der Innenstadt fehlen all jene Kunden, die mit dem Fahrrad oder zu Fuß in die Innenstadt kommen würden, wenn es denn attraktive Wege in die City gäbe. Die jetzt aber ins Auto steigen und wenn sie da schon mal drin sitzen, dann doch gleich zu den Einkaufs- und Discounterzentren der Umgebung oder in die Nachbarstädte fahren, weil die, wenn man schon das Auto nutzen muss, ebenso leicht zu erreichen sind.
Gleichzeitig zeigen alle Studien der letzten Jahre, Kunden die das Rad zum Einkaufen nehmen oder zu Fuß kommen, sind sie die treueren Kunden, sie geben mehr aus und kommen immer wieder (Mit dem Fahrrad zum Einkaufen), sie fahren nicht in die Discounter- und Einkaufszentrum außerhalb der Wohngebiete. Diese Kunden haben die Kaufleute der Innenstadt bisher sträflich vernachlässigt. Sie fehlen heute der Innenstadt. Mit ihrer autofixierten Politik vermitteln die Einzelhändler bisher den Eindruck, sie wollten diese Kunden auch gar nicht. Es sollten doch bitte alle mit dem Auto kommen.
Auch die Befragungen auf der Bürgerkonferenz zeigen deutlich, die Bochumer Bürger wollen vermehrt mit dem Rad und zu Fuß einkaufen, (Ergebnisse Bürgerkonferenz 2019),
Trotzdem fordern die Bochumer Einzelhändler statt schnelle Maßnahmen, dass Fußgänger und Radfahrer die Innenstadt besser erreichen können, freies Parken für die Autokunden, Dabei ist auch in Bochum längst sichtbar, wo die Zukunft der Innenstadt liegt: Während die Parkhäuser nur halbvoll sind, quellen die Radabstellanlagen über.
Die Lage ist sehr eindeutig, in den deutschen Städten, wo viele Menschen mit Rad und zu Fuß in die City kommen, gibt es die Probleme in der Dramatik wie in autofixierten Städten im Einzelhandel nicht. Werden dagegen Maßnahmen zur besseren Erreichbarkeit der Innenstädte mit dem Rad und zu Fuß und weniger Autoverkehr im Innenstadtkern getroffen, steigt überall auf der Welt der Umsatz (Walking & Cycling, Global Evidence). Zuletzt hat das eine Studie in London ergeben, in den Stadtteilen Londons, die nach niederländischem Vorbild besonders fahrradfreundlich umgestaltet wurden, stiegen die Einzhandelsumsätze um bis zu 30% (Walking & Cycling, the economic benefits), kaum wurde die Innenstadt in Madrid verkehrsberuhigt stiegen ebenfalls die Umsätze (Weniger Autos = mehr Umsatz für die Läden im Stadtzentrum, vom 15.04.2019). Nach massivem Widerstand gegen die Superblocks in Barcelona, mussten die Einzelhändler feststellen, dass sie die Gewinner der Verkehrsberuhigungen waren, in den verkehrsberuhigten Bereichen der Superblocks nahm die Zahl der Geschäfte und Lokale um 30% zu (Superblocks und Geschwindigkeits-Grenzen, vom 26.01.20).
Die Bochumer Innenstadt muss also dringend Maßnahmen ergreifen, um die Kunden zu gewinnen, die in die Innenstadt mit dem Rad oder zu Fuß kommen wollen. Die Innenstadt muss für Fußgänger und Radfahrer gut und attraktiv erreichbar sein, nicht nur für Auofahrer. Auch im Bereich des ÖPNV gibt es Verbesserungsbedarf, aus einigen Stadtteilen ist die Erreichbarkeit immer noch mäßig bis schlecht (u.a. Werne, Günnigfeld, Leithe, Stiepel).
Innerhalb des Innenstadtrings sollte bei guter Erreichbarkeit der Parkhäuser die Innenstadt autofrei werden. Innerhalb des Ring sollte nur noch Anwohner-, Anliefer- und öffentlicher Verkehr erlaubt sein.
Der Radschnellweg, mit potentiell 5.000 zusätzlichen radfahrenden Kunden, sollte direkt durch die Innenstadt geführt werden.
Der Innenstadtring sollte, sofern das verkehrstechnisch möglich ist, zur Einbahnstraße gegen den Uhrzeigersinn werden. Dann könnten die inneren Fahrspuren zu einer Grünzone mit Flanier- und Radwegen umgestaltet werden.
Die Kaufleute der Innenstadt sollten aufhören, den Eindruck zu vermitteln, dass für sie nur Menschen, die mit dem Auto kommen, als Kunden zählen und sie eine Politik verfolgen, bei der Autokunden zum Nachteil von allen anderen Verkehrsteilnehmern bevorzugt werden. Mit dieser einseitigen Haltung lassen sich Kunden, die zu Fuß oder mit dem Rad in die Innenstadt kommen wollen, kaum gewinnen.
2. Mehr Attraktivität, Flair und Ambiente
Alle Kundenbefragungen zeigen, entscheidender Faktor dafür, ob Menschen in Innenstädte kommen, sind Aufenthaltsqualitöt sowie Flair und Ambiente (Vitale Innenstädte IFH Köln). In Bochum zeigte die Befragung durch die Werbegemeinschaft iBO, dass die Innenstadt in diesem Bereich weiterhin schlecht aufgestellt ist. Bei den Wohlfühlfaktoren für die Plätze und Orte zum Verweilen in der Innenstadt gab es von den Kunden nur die Note 3,7 (Umfrage zur Qualität der Bochumer Innenstadt).
Die Umgestaltungspläne für die Plätze der Innenstadt sind bisher nicht ambitioniert genug. Die STADTGESTALTER haben fünf besondere Plätze für die Innenstadt vorgeschlagen. (Fünf besondere Plätze für die Innenstadt). Zwar wird jetzt der Husemannplatz nach einem überzeugenden Entwurf umgestaltet, doch für die anderen Plätze liegen bisher keine konkreten Umgestaltungspläne vor. Für den Rathausplatz gibt es aus der Politik bisher nur vage Signale, dass man eine Umgestaltung für erforderlich hält Der Dr. Ruer-Platz soll zwar umgebaut werden, im Mittelpunkt steht dabei aber nicht eine bessere Gestaltung, sondern die Abtragung der Deckschicht über dem Parkhaus, um die Parkhausdecke statisch zu entlasten. Die Schaffung des Propstei-Platzes auf der Kreuzung Brück-, Große-Beck- und Untere Marktstraße (Ein neuer Platz für Bochum) wurde schon vielfach angedacht, an ernsthaften Bemühungen zur Umsetzung fehlt es leider bis heute. Auch beim Platz an der Einfahrt zum Bongard-Boulevard vom Hauptbahnhof aus, tut sich bisher nichts. Der Platz gleicht einer Pflasterwüste, die Eingangssituation für Fußgänger aus Richtung Bahnhof ist untragbar. Menschen die zu Fuß kommen, müssen sich über einen kaum 2 Meter breiten Flaschenhals kämpfen, um auf einen.über 30 Meter breiten Platz zu kommen.
Der versprochene Innenstadtspielplatz, gerne mit Schaukeln für alle entlang des Boulevards nach dem Vorbild der Innenstadt in Montréal (Schaukeln für alle in der Innenstadt von Montréal), lässt weiterhin auf sich warten. Seit 2015 will die Stadt dieses Projekt umsetzen. Konkretes hat sich auch hier bisher nicht getan.
Weitere wichtige Maßnahmen zur Verbesserung von Flair und Ambiente in der Innenstadt wäre eine Begrünungsoffensive für die Innenstadt. Die Menschen wünschen sich mehr Grün in der Stadt, auch in der Innenstadt. Eine Maßnahme dazu wäre die Einrichtung eines Pocketparks entlang der Unteren Marktstraße an der Propstei-Kirche, wie ihn die STADTGESSTALTER vorgeschlagen haben (Ein neuer Platz für Bochum )
Dazu würde die bereits dargestellte Einrichtung der autofreien Zone innerhalb des Innenstadtrings und die Ausstattung des Innenstadtrings mit einer Grünzone, wenn der Ring zur Einbahnstraße würde, zu einer deutlichen Verbesserung der Aufenthaltsqualität in der City beitragen.
Auch die von der Werbegemeinschaft der Innenstadt (iBO) voran getriebene Gestaltungssatzung, wird helfen das Stadtbild der Innenstadt mittel- bis langfristig positiv zu verändern. Wünschenswert wäre, dass die iBO sich deutlicher positioniert und sich auch öffentlich vermehrt für konkrete Umgestaltungsprojekte klar und deutlich ausspricht.
3. Unverwechselbare Highlights für die Innenstadt
Eine Innenstadt lebt auch von Menschen, die aus anderen Städten in die Innenstadt gelockt werden. Dazu benötigt die Innenstadt Dinge, die sie unverwechselbar und einzigartig machen. Ein solches Highlight wird die Markthalle im Haus des Wissens werden (Im Telekomblock entsteht der spannendste Ort der Stadt). Diese Idee hatten die STADTGESTALTER maßgeblich vorangetrieben. Die Makerspaces im Haus des Wissens, also die Orte, wo Menschen sich in Ton-, und Videostudios, Gaming-Zonen, an 3D-Druckern, Maschinen zum Handwerken und anderen kreativen Räumen ausleben und entfalten können, werden zu einem einzigartigen Anziehungspunkt werden.
Darüber hinaus braucht die Innenstadt weitere Highlights, die die Innenstadt von Bochum bekannt und zu einem unverwechselbaren Ort machen. Der von den STADTGESTALTERn vorgeschlagene Dachpark (Innenstadt-Dachpark – Aufbruch in die 3. Stadtdimension) wie die Seilbahn zum Ruhrpark bzw. zur Ruhr-Universität (Seilbahn – Rückgrat der Bochumer Universitäts- und Hochschullandschaft) könnten solche Attraktionen sein, die Menschen aus dem gesamten Ruhrgebiet dazu veranlassen, in die Bochumer Innenstadt zu kommen.
Zusätzliches Innenstadt-Programm erforderlich, um die Umgestaltung zu beschleunigen
Die Maßnahmen des Innenstadtumbauprograms Innenstadt (ISEK) werden auch angesichts der Corona-Krise nicht ausreichen, um die Innenstadt zu beleben. Auch wird die Umsetzung aufgrund der Fördervorgaben viel zu lange dauern. Die Stadt muss daher ein zusätzliches Programm mit eigenen und zusätzlichen Maßnahmen auflegen um den Umgestaltungsprozess der Innenstadt deutlich zu beschleunigen.
Jedes Abwarten und Zögern wird die Einzelhandelsstrukturen, wie es sie aktuell noch gibt, unwiderbringlich weiter schädigen. Der Einzelhandel wird zukünftig die City nicht mehr dominieren, aber er wird auch weiterhin ein wesentlicher Grund sein in die Innenstadt zu kommen. Noch haben wir es in der Hand den Strukturwandel in der Innenstadt selbst zu gestalten, nehmen die Leerstände und Trading-Down-Effekte dagegen Überhand, wird man die Entwicklung kaum mehr steuern und zurück drehen können.
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