08 Nov.

Schlechtes Stadtbild – Was sind Merkmale, Ursachen und Folgen?

Ursache für ein negatives Stadtbild sind nicht Menschen mit Migrationshintergrund. Ihr Zuziehen ist die Folge. Warum die Schaffung eines zeitgemäßen und ansehnlichen Stadtbilds für Bochum und das Ruhrgebiet unbedingte Priorität haben sollte.

Bundeskanzler Friedrich Merz erklärte Mitte Oktober, dass es in deutschen Städten ein Problem mit dem Stadtbild gäbe, dass sich durch weniger Migration lösen ließe. Bochum zeigt zwar, dass die Stadt große Probleme mit dem Stadtbild hat, allerdings sind nicht Menschen, die eine migrantische Familiengeschichte haben, die Ursache.

Durch welche Merkmale zeichnet sich ein negatives Stadtbild aus?

Die Probleme im Stadtbild sind andere. Doch welche Kriterien sind maßgeblich dafür, dass ein Stadtbild als negativ wahrgenommen wird? Sieht man sich die Stadtteile und die Innenstadt von Bochum genauer an, werden die Defizite, die für ein negatives Stadtbild sorgen, deutlich sichtbar.

Defizite in der Stadtgestaltung – Vierspurige Straßen durch Stadtteilzentren, zentrale Stadtteilplätze, die wie in Riemke, Gerthe oder Hamme eigentlich Parkplätze sind oder Plätze die Kreuzungen oder Straßen sind, wie der August-Bebel-Platz, der Schwanenmarkt, oder der Kurt-Schumacher-Platz sowie Straßenzüge ohne jeden Baum, gesichtslose Gebäude mit trostlos gestalteten Fassaden sind sichtbare Zeichen für ein negatives Stadtbild.

Dazu kommt eine Stadtgestaltung, die aus der Zeit gefallen ist. Galt etwa die Gestaltung des August-Bebel-Platzes bei Entstehung des Platzes noch als modern, wird sie heute als nicht mehr zeitgemäß und überholt angesehen. Dass die Gestaltung solcher Orte sich nicht mit der Stadtentwicklung verändert hat, lässt das Stadtbild dort heute rückständig erscheinen.

Mangelhafte Instandhaltung – Herunter gekommene bis verwahrloste Häuserzeilen, Straßen mit einer Vielzahl von Gebäuden, die schwer sanierungsbedürftig sind, wie z.B. an der Hochstraße und anderen Bochumer Hauptverkehrsstraßen, sind ebenfalls typisch für ein negatives Stadtbild. Ebenso wie kaputte Gehwege oder Straßen.

Fehlende Ordnung und Sauberkeit – Verdreckte Bahnhöfe, Straßen und Gehwege, überquellende Abfallbehälter in städtischen Grünanlagen, illegale Müllabladeplätze, weit verbreitete Graffiti-Schmierereien, zugeparkte Gehwege und Kreuzungen, sind weitere deutliche Merkmale für ein negatives Stadtbild.

Fehlende moderne Infrastruktur – Vermissen Menschen im Stadtbild neuzeitliche Architektur, eine für moderne Städte typische Radinfrastruktur oder Straßenbahnen, fehlen hippe Geschäfte oder Cafés und prägen stattdessen Leerstände und Billigketten das Bild, erscheint das Stadtbild altmodisch und überholt.

Ursachen und Folgen eines negativen Stadtbilds

Stellt man ein negativ geprägtes Stadtbild fest, stellt sich im zweiten Schritt die Frage, wie es dazu kommen konnte. Dazu sind mehrere Gründe zu nennen. Ein wichtiger Punkt ist ein Desinteresse an zeitgemäßer Stadtgestaltung. Oft werden Veränderungen wie bei der Diskussion zur Umgestaltung des August-Bebel-Platzes abgelehnt, in der falschen Annahme, dass eine Gestaltung, die in früheren Zeiten mal als modern und zeitgemäß galt, auch die Anforderung von heute erfüllen müsste. Auch war gerade den Städten im Ruhrgebiet lange generell nicht wichtig, wie es in der Stadt aussieht. Die Prioritäten lagen woanders. Wichtiger war z.B. ausreichend Parkraum und Platz für Autos zu schaffen. Die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf das Stadtbild wurden ignoriert.

Ein wenig ansehnliches Stadtbild wiederum führt dazu, dass Geschäfte und Unternehmen wegbleiben, ebenso wie Menschen, die hohe Ansprüche an ein vorzeigbares Stadtbild stellen. Es fehlt an zahlungskräftiger Kundschaft. Leerstände, Billigketten und Gebäude mit sichtbarem Sanierungsstau sind die weitere Folge. Es bleiben und kommen jene, die sich hohe Ansprüche an das Stadtbild nicht leisten können, für die ausschlaggebend für die Wahl des Wohnortes ist, dass dieser günstig ist. Dieses Kriterium trifft wiederum in besonderem Maß auf Menschen zu, die aus anderen Ländern geflüchtet bzw. zugewandert sind.

Vierteln mit negativem Stadtbild sieht man an, dass nicht mehr in ausreichendem Maß investiert wird. Das liegt zum einen an der wirtschaftlich schwierigen Situation der Bewohnerinnen und Bewohnerinnen sowie der mangelnden Bereitschaft der Politik in ein positives Stadtbild zu investieren. Siehe Wattenscheid, wo man lieber ein überdimensioniertes Stadion saniert bzw. neu gebaut hat, statt die Innenstadt grundlegend neu und zeitgemäß zu gestalten.

Migration und Stadtbild

In der Folge sind es oft ausschließlich Menschen mit migrantischen Wurzeln, die investieren und neue Geschäfte und Gastronomiebetriebe aufmachen, besonders da ihre Chancen auf eine attraktive angestellte Beschäftigung deutlich geringer sind und sie bereit sind höhere wirtschaftliche Risiken einzugehen.

Ein negatives Stadtbild führt also nicht nur dazu, dass mehr Migranten zuziehen, weil das Wohnen in sichtbar unterentwickelten Stadtvierteln vergleichsweise günstig ist, sondern auch dazu, dass sie im Stadtbild präsenter werden, nicht nur, weil sie dort leben, sondern auch, weil sie dort eigene Strukturen schaffen.

Diese Entwicklung wiederum wird von den Menschen, die seit Jahrzehnten in den betroffenen Stadtteilen leben, als Überfremdung wahrgenommen. Besonders dann, wenn beide Seiten nicht miteinander, sondern nebeneinander in voneinander getrennten gesellschaftlichen Welten leben. Man kennt einander kaum, der Austausch ist gering, die Vorurteile und Vorbehalte entsprechend groß. Im schlimmsten Fall kommt es zu Sicherheitsbedenken und Angst.

In durch ein negatives Stadtbild geprägten Stadtteilen wie beispielsweise Wattenscheid-Mitte kommt es zu einer Abwärtsspirale, die die soziale Schieflage immer weiter verschärft (Wattenscheid-Mitte – Ist der Niedergang noch zu stoppen?).

Ein negatives Stadtbild ist also die wesentliche Ursache für viele arme Menschen und damit auch viele Menschen mit Migrationshintergrund im Stadtbild, diese sind aber nicht die Ursache für das negative Stadtbild, wie Merz es falsch behauptet hat. Der Bundeskanzler hat Ursache mit Wirkung verwechselt.

Zwei Aufgaben, die von der Politik mit Priorität anzugehen sind

Jedoch fällt durch die Debatte zu der unsäglichen Äußerung des Kanzlers ein Schlaglicht auf zwei Probleme, die besonders Bochum wie allen anderen Städten des Ruhrgebiets zu schaffen machen. Das negative Stadtbild und die bisherige Gleichgültigkeit der Politik in dieser Hinsicht, wirken sich massiv negativ auf die Stadtentwicklung aus. Es wird also Zeit, dass die Schaffung eines vorzeigbaren Stadtbilds von der Politik als Aufgabe anerkannt wird, der Priorität einzuräumen ist. Zweitens muss die Politik viel mehr Anstrengungen unternehmen, dass migrantische Bevölkerung und Alteingesessene besser zueinander finden, sich besser verstehen, austauschen, Vorurteile abgebaut werden, alle an einem Strang ziehen, sich gegenseitig helfen, sich als gleichberechtigte Teile der gemeinsamen Stadtgesellschaft sehen, und sich letztlich vertrauen.