28 Jan

Bürgerbeteiligungsbeirat für Bochum

Um die Beteiligung an stadtpolitischen Themen zu verbessern, müssen Bürger und Bürgerinnen mit Politik und Verwaltung an einen Tisch. Nur so können Leitlinien festgelegt werden, wie die Menschen zukünftig bei städtischen (Bau-)Vorhaben mitwirken und mitentscheiden können. Dass die Verwaltung Bürgerbeteiligung so organisiert, wie ihr das am besten passt, ist zu wenig. Die STADTGESTALTER schlagen einen Bürgerbeteiligungsbeirat vor.

Im November und Dezember 2022 forderte die Stadt ihre Bürgerinnen und Bürgern auf, Vorschläge zu Straßen einzureichen, auf denen die Geschwindigkeit reduziert werden sollte. Es gingen 121 Vorschläge ein – 114 wurden abgelehnt (WAZ vom 15.01.2024). So funktioniert Bürgerbeteiligung oft in Bochum. Bürger dürfen Vorschläge machen, die Verwaltung nimmt sie zur Kenntnis, heftet sie ab und macht dann doch, was sie will.

Schlechte Bürgerbeteiligung fördert Bürgerfrust und Politikverdrossenheit

Die Bürger*innen fühlen sich übergangen und fragen sich, warum sie sich überhaupt beteiligt haben. Auf diese Weise durchgeführte Bürgerbeteiligung führt letztlich nur zu Bürgerfrust und Politikverdrossenheit. Populisten nutzen die so entstehende Stimmung aus und haben leichtes Spiel.

Mehr Bürgerbeteiligung wird auf dem Papier zwar von allen politischen Gruppierungen gefordert. In der Realität tut man sich damit in Bochum aber schwer. Das liegt insbesondere am Selbstverständnis der Parteien. So betonen zum Beispiel Oberbürgermeister sowie SPD und Grüne bei jeder Gelegenheit, dass sie diejenigen sind, die gewählt wurden, um in der Stadtpolitik zu entscheiden und die Bürger*innen, daher dort nichts zu entscheiden hätten.

Dabei wird allerdings außer Acht gelassen, dass es eigentlich das Ziel von Demokratie ist, dass die Bürger*innen möglichst viel direkt selbst entscheiden und gewählte Vertreter*innen, die für die Bürger*innen entscheiden, insbesondere deswegen erforderlich und sinnvoll sind, weil das organisatorisch am besten praktikabel ist. Da ändert aber nichts an dem demokratischen Ziel, dass da, wo direkte Entscheidungen möglich sind oder Entscheidungen unter Mitwirkungen von möglichst vielen Bürger*innen machbar sind, man dies entsprechend ermöglichen sollte.

Bürgerbeteiligung ist Sache von Politik, Verwaltung und Bürger*innen

Es ist also eigentlich Sache der Politik, sich zu überlegen, wie sie die Bürger*innen sinnvoll in die stadtpolitischen Entscheidungsprozesse einbinden kann und ihnen dort Mitwirkung ermöglicht oder welche Entscheidungen sie gegebenenfalls den Bürger*innen direkt überlässt. Allerdings verstehen sich insbesondere SPD und Grüne im Stadtrat nicht als diejenigen, die die Staatspolitik bestimmen und gestalten, sondern sehen sich als verlängerter Arm der Verwaltung. Die Verwaltung erarbeitet die Vorlagen, die bestimmen, welche Politik die Stadt verfolgt, Rot und Grün sehen ihre Aufgabe darin, diesen Vorschlägen im Stadtrat die zur Umsetzung nötige Mehrheit zu verschaffen.

Entsprechend diesem Selbstverständnis ist es in Bochum auch nicht die Politik, die vorschlägt, wie Bürgerbeteiligung zukünftig organisiert werden soll, sondern die Verwaltung (Verwaltungsvorlage: Eckpunkte der Bürgerbeteiligung der Stadt Bochum) Die Politik war nicht mal an der Erarbeitung der Verwaltungsvorlage beteiligt.

Aus Sicht der Verwaltung nachvollziehbar, will die sich möglichst unverbindliche Regelungen geben, wie sie nach Bedarf Bürgerbeteiligung organisieren kann, die sie in ihren Abläufen und Entscheidungen möglichst wenig stört, aber immer den Hinweis zulässt, man habe die Bürger*innen informiert, sie angehört und mit Ihnen gesprochen, ehe man verwaltungsintern entschieden hat, was für die Stadt das Beste ist.

Diesem Verständnis folgend hat sich die Stadtverwaltung vor der Erarbeitung der jetzt vorgelegten Eckpunkte zwar mit Bürger*innen, die sich für mehr Bürgerbeteiligung engagieren (u.a. mit Vertreter*innen des Netzwerks für bürgernahe Stadtentwicklung), in mehreren Gesprächen ausgetauscht, an der Erarbeitung der Eckpunkte beteiligt hat sie die Bürger*innen allerdings nicht. 

Zwischen 2019 und 2022 hat es einen Diskussionsprozess von diversen Gruppen und der Verwaltung um die Einführung einer erweiterten Bürgerbeteiligung gegeben. Dann aber zog sich die Stadtverwaltung aus dem Prozess zurück, um zunächst intern über das Thema zu beraten. Die jetzt vorgelegten Eckpunkte wurden dann ohne Beteiligung von Bürger*innen und Politik hinter den verschlossen Türen der Verwaltung erarbeitet. Einen weiteren Dialog mit den an dem vorherigen Diskussionsprozess Beteiligten gab es nicht („Bürgerbeteiligung“ soll plötzlich ganz schnell gehen). Nach dem Willen der Stadtverwaltung sollen die Eckpunkte in der Sitzung des Stadtrats am 01.02.2024, wie bei Beschlussvorlagen der Verwaltung in Bochum üblich, von der Rot-Grünen-Mehrheitskoalition ohne jede politische Beteiligung an der Erarbeitung durchgewunken werden.

Die STADTGESTALTER halten die Eckpunkte für zu schwammig und vage. Dass mit den Eckpunkten eine echte Verbesserung der Bürgerbeteiligung bewirkt werden kann, halten die STADTGESTALTER nicht für möglich. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Verwaltung, Politik und Bürger*innen gemeinsam konkrete Leitlinien erarbeiten, die verbindlich vorgeben, wie Bürgerbeteiligung in Bochum zukünftig zu organisieren ist.

STADTGESTALTER-Vorschlag: Bürgerbeteiligungsbeirat

Die STADTGESTALTER schlagen daher vor, dass der Stadtrat einen Bürgerbeteiligungsbeirat mit Vertreter*innen der Ratsfraktionen und -gruppen, der Verwaltung und ausgelosten Bürger*innen bildet, im dem gemeinsam Leitlinien für die zukünftige Bürgerbeteiligung erarbeitet werden. Ein solcher Beirat soll dann zukünftig die Leitlinien evaluieren und weiterentwickeln, erster Ansprechpartner für Bürger*innen in Sachen Bürgerbeteiligung sein und über die Organisation von Beteiligungsprozessen bei komplexen Vorhaben beraten. Was ein solcher Beirat tut und wie er funktioniert, kann man sich in Bonn anschauen, wo das Gremium bereits seit 2016 besteht (Beirat Bürger*innenbeteiligung).

Die jetzt von der Verwaltung vorgelegten Eckpunkte zur Bürgerbeteiligung können Diskussionsgrundlage bei der Erarbeitung der Leitlinien sein, mehr aber nicht. Leitlinien zur Bürgerbeteiligung müssen von Politik, Verwaltung und Bürger*innen gemeinsam erarbeitet werden. Das ist nicht ohne ein gemeinsames Gremium möglich.

Grundsätzlich sehen die STADTGESTALTER Bürgerbeteiligung als einen Prozess an. Damit Bürger*innen sich optimal und wirksam beteiligen können, muss ihr Interesse an Stadtpolitik geweckt werden und müssen sie spüren, dass ihre Beteiligung ernst genommen wird und etwas bewirkt.

Ziel sollte es sein, immer mehr Menschen zu gewinnen, die sich für die Stadt engagieren und bei stadtpolitischen Themen mitreden wollen. Stadtpolitische Themen sind allerdings teilweise sehr komplex. In solchen Fällen erfordert Mitwirkung Erfahrung und spezielles Wissen. Auch bei der Bürgerbeteiligung gibt es einen Lernprozess. Es lohnt sich also mit Beteiligungsthemen zu beginnen, die bei den Bürger*innen vor der Haustür liegen, zum Beispiel die Anwohner*innen intensiv an Neu- und Umgestaltungsprojekten von Wohnstraße und -umfeld zu beteiligen, um dann den Bürger*innen sukzessive auch bei komplexeren Entscheidungen eine Mitwirkung zu ermöglichen. Diesen Prozess sollte der Bürgerbeteiligungsbeirat aktiv unterstützen und begleiten.

Eine weitere Aufgabe des Bürgerbeteiligungsbeirats ist nach Ansicht der STADTGESTALTER, dafür Sorge zu tragen, dass für die Durchführung von Beteiligungsverfahren bevorzugt externe Büros beauftragt werden. Verwaltung und Bürger*innen verfolgen nicht selten gegensätzliche Interessen. Führt die Verwaltung die Bürgerbeteiligung durch, neigt sie dazu, das Verfahren so zu organisieren und zu steuern, dass ihre Interessen gegenüber denen der Bürger*innen durchgesetzt werden. Dem kann vorgebeugt werden, wenn ein unabhängiges Büro das Verfahren durchführt und den Anliegen und Interessen der Bürger*innen angemessen Raum und Gewicht verschafft.

Vorhabenliste und digitale Bürgerbeteiligungsplattform (bochum-mitgestalten.de)

Grundlage der Beteiligungsverfahren sollte die Vorhabenliste der Stadt sein, die Bochum auf Vorschlag von STADTGESTALTERn und FDP mittlerweile eingeführt hat (Interaktive Vorhabenliste zu Bochumer Bauprojekten kommt). Aufgabe des Bürgerbeteiligungsbeirates müsste es sein, diese Liste weiterzuentwickeln und auf sämtliche in der Stadt laufenden relevanten Vorhaben auszudehnen.

Eine deutliche Ausweitung ist auch im Hinblick auf die Nutzung der digitalen Bürgerbeteiligungsplattform bochum-mitgestalten.de nötig. Diese basiert, wie von den STADTGESTALTERn 2020 vorgeschlagen, auf dem Softwaresystem Consul (Die Bürgerbeteiligung in Bochum auf ein neues Niveau heben).

Dass allerdings auch fast ein Jahr nach dem Start der Plattform nur zwei Randthemen zur aktuellen Beteiligung angeboten werden, ist enttäuschend. Zumal bei beiden Themen (Älterwerden und Bochum App) die Beteiligung über eine Umfrage und die Möglichkeit der Abgabe von Anregungen nicht hinausgeht. Wie wenig die Verwaltung die Plattform nutzt, belegt, dass ihr Interesse an ernsthafter Bürgerbeteiligung eher gering ist. Aufgabe des Bürgerbeteiligungsbeirates sollte es somit ebenfalls sein, die Consul-Plattform zu betreuen und dafür zu sorgen, dass die Verwaltung diese zukünftig intensiv nutzt.

Die Aufgaben eines neu zu schaffenden Bürgerbeteiligungsgremiums sind also vielfältig. Eine Bürgerbeteiligung zu schaffen, die den Namen verdient und Menschen animiert sich an Stadtpolitik zu beteiligen, erscheint ohne die Schaffung des vorgeschlagenen Beirats oder eines vergleichbaren Gremiums nicht möglich. Entsprechend werden die STADTGESTALTEER zur Ratssitzung am 01.02.2024 die Einrichtung eines Bürgerbeteiligungsbeirats beantragen.

Foto Beitragsbild; Foto: Heinrich-Böll-Stiftung

22 Okt

Zunehmender Populismus – Rechtsruck auch in Bochum zu erwarten

Dass es auch in Bochum bei den nächsten Wahlen voraussichtlich einen Rechtsruck geben wird bzw. vermehrt populistische Parteien gewählt werden, hat viele Ursachen. Entscheidend ist auch, wie in der Stadt seit Jahrzehnten Politik gemacht wird.

Charakteristisch für Menschen, die Populisten ihre Stimme geben, dass sie einfachen Lösungen suchen, sich gegen Veränderungen wehren, sich selbst abgehängt fühlen und Schuldige suchen, die sie für falsche Entwicklungen verantwortlich machen können. Ihr Politikverständnis beschränkt sich darauf, dass sie Forderungen an die Politik stellen und erwarten, dass diese erfüllt werden. Dabei spielt keine Rolle, ob die Forderungen realistisch erfüllbar sind, ob sie wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen oder ihre Erfüllung der (Stadt-)Gesellschaft insgesamt nutzt. Der eigene egoistische Nutzen steht im Vordergrund. Es besteht der Anspruch, dass man sich selbst gesellschaftlichen Veränderungen nicht anpassen muss, sondern die Politik dafür Sorge trägt, dass alles bleibt wie es ist, aber trotzdem für einen selbst besser wird.

Viele der in dieser Weise gestellten Forderungen sind von der Politik so eigentlich nicht erfüllbar. Wirtschaftlich wie technologischer Fortschritt, Klimaschutz und sich verändernde globale Anforderungen erfordern eine beständige Fortentwicklung und Veränderung von Stadt und Stadtgesellschaft. Den Eindruck zu erwecken, Wohlstand zu erhalten, ohne dieser Faktoren beachten zu müssen und Veränderungen voran zu trieben, sei möglich, ist wesentliches Kennzeichen populistischer Politik.

Auch in Bochum ist ein nicht unwesentlicher Teil der Bevölkerung von der aktuellen Politik enttäuscht, fühlt sich nicht wahrgenommen bzw. kann die komplexen politischen Zusammenhänge nicht nachvollziehen. Dieser Teil der Bevölkerung ist für Populisten am einfachsten erreichbar. Zu befürchten ist also, dass bei den nächsten Wahlen populistische Parteien, besonders die des rechten Spektrums, deutlich an Stimmen gewinnen.

Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig und haben auch viel mit der lokalen Politik und dem Politikstil der letzten Jahrzehnte zu tun.

Versäumnisse bei Schulen und Bildung

Die Zusammenhänge in der Politik werden immer komplexer, viele Menschen sind nicht damit vertraut wie etwa das Rentensystem, die Wirkungsmechanismen von Treibhausgasen auf das Klima oder das Prinzip von gesellschaftlichem Nutzen und externen Kosten funktionieren. Die Rechtfertigung von politischen Aktivitäten aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse und Statistiken gewinnt an Bedeutung. Dass Meinungen durch Belege zu stützen sind, ebenso wie die Notwendigkeit von politischen Forderungen, ist vielen Menschen fremd. Mangelnder Bildungsgrad und nicht ausreichende Schulbildung sind die wesentliche Ursache.

Schule und Bildung haben in Bochum seit jeher wenig Wert, der soziale Aufstieg durch Bildung ist kein Ziel der Stadtpolitik. Zum Narrativ der Politik gehörte immer, dass die Politik, auch für die Arbeitsplätze und Wohlstand schafft, die auf Jobs angewiesen sind, die nur geringe bis keine Qualifikationen erfordern. Die Verbesserung von Schul- und Bildungsgrad, um die Menschen für bessere Jobs zu qualifizieren, war dagegen nicht das Ziel. Dass die Zahl von Anlern-Jobs in der Industrie immer weiter zurück gehen würde und Schul- und Ausbildungsqualifikationen bei der Jobsuche immer wichtiger werden würden, verschwieg de Politik den Menschen.

Bei Wahlen zeigt sich immer wieder, Populisten sind besonders bei Menschen mit niedrigem Schulabschluss erfolgreich. So wählten in Hessen 36% der Menschen mit Hauptschulabschluss die AfD (Datenanalyse zur Landtagswahl in Hessen), in Bayern 21%. (Datenanalyse zur Landtagswahl in Bayern). Bei Menschen mit Hochschulabschluss wählten hingegen nur 9 bzw. 8% rechtspopulistisch.

Das Versäumnis der Bochumer Stadtpolitik, die Voraussetzungen zu schaffen, den Menschen einen möglichst hohen Schulabschluss und Bildungsgrad zu ermöglichen, spielt den Populisten also heute die Wähler*innen zu.

Wenig erfolgreiche Stadtpolitik

Ein weiteres Problem ist, dass die Stadtpolitik wenig erfolgreich ist. Die Entwicklung von Stadtteilen wie Wattenscheid oder Werne stellt sich seit Jahren negativ dar, ebenso wie die der Innenstadt. Fehlender Erfolg führt zu Enttäuschung über das, was die Politik leistet. Erschwerend kommt hinzu, dass Fehlentwicklungen, die nicht gestoppt werden, der Verbreitung von Ressentiments und Hetze durch Populisten, in die Hände spielt. Kommen z.B. Stadtteile in eine soziale Schieflage, weil die Stadt nicht rechtzeitig gegensteuert, ist damit ein Anstieg der Zahl von jenen verbunden, die billig wohnen und leben möchten und an Wohn- und Lebensqualität aufgrund ihrer Lebenssituation keine hohen Ansprüche stellen, das sind auch viele Migranten. Von Populisten wird  diesen dann die Schuld für den Niedergang des Stadtviertels zugeschoben, obwohl ihr Zuzug die Folge des Niedergangs ist, sie für die Ursachen dagegen in keiner Weise verantwortlich sind.

Aufgrund der geschilderten Entwicklungen wird der Politik nicht mehr zugetraut, die bestehenden Probleme zu lösen und Negativtrends zu stoppen. Schon bei der Wahl 2020 bekam die AfD in Stadtteilen, die in Bochum als abgehängt gelten, besonders viele Stimmen. So bekamen die Populisten in einigen Stimmbezirken von Wattenscheid-Mitte und Werne über 15% der Stimmen, während es stadtweit nur für halb so viel reichte (Wahlergebnisse Kommunalwahl 2020).

Versprechen, dass mehr Parkhäuser sowie neue Einkaufszentren die Innenstadt retten, Integrierte Stadtentwicklungskonzepte die Wende in Stadtteilen bewirken oder städtische Investition in Kohlekraftwerke die Schulden der Stadt gegenfinanzieren, erweisen sich immer wieder als falsch und nagen an dem Vertrauen der Menschen zu Politik und die dort vorhandene Kompetenz.

Überforderte Politik betreibt Symbolpolitik, erreicht selbst gesetzte Ziele aber nicht

Auch handelt die Politik wenig vorausschauend. Sie setzt sich zwar pressewirksam Ziele wie “Klimaneutralität bis 2035” oder den Anteil des Radverkehrsanteil auf 25% zu steigern, stellt endlose Listen von Maßnahmen auf, um diese zu erreichen, scheitert aber dann an deren Umsetzung. Die Ziele werden krachend verfehlt, die Politik muss diese korrigieren oder gerät, um die Ziele doch noch zu erreichen, in einen Handlungsnotstand, der den Menschen kaum zuzumuten ist.

Statt Ziele konsequent zu verfolgen, beschränkt sich die Politik zunehmend auf Aktionismus. So sollen Werbemaßnahmen wie “Stadtradeln” und die Teilnahme an Klimaawards wirksame Maßnahmen, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. ersetzen oder wird in Wattescheid für 55 Mio. Euro das Stadion saniert statt die herunter gekommene Innenstadt. Die Politik versucht sich durch Symbolpolitik zu profilieren, statt Maßnahmen zu verfolgen, die geeignet sind, die realen Probleme lösen.

Die Menschen bleibt nicht verborgen, dass die Stadtpolitik oft nicht in der Lage ist, Politik so zu betreiben, dass selbst gesetzte Ziele sicher erreicht werden. Es entsteht der Eindruck, Politik ist mit ihren Aufgaben systematisch überfordert, was sich wiederum negativ auf ihre Wählbarkeit niederschlägt, und Menschen bewegt sich nach vermeintlichen Alternativen umzuschauen.

Politik bestimmt nicht, was die Verwaltung tut, sondern umgekehrt

Verwaltung und städtische Betriebe verfolgen durchweg das Ziel, dass die Beschäftigten dort gut versorgt sind und gute Arbeitsverhältnisse vorfinden, der Service für die Einwohner*innen der Stadt scheint dagegen keine Priorität zu besitzen. So ist der öffentliche Nahverkehr unzureichend, Bearbeitungszeiten bei Behörden wie bei der Einbürgerung, Wohngeld oder Mitteln zu Bildung und Teilhabe unzumutbar, ebenso wie die Reinigung von Parks- und Grünanlagen, der Instandhaltungszustand von Schulen, Straßen, Geh- oder Radwegen zu wünschen übriglässt oder die Verkehrsüberwachung mit ihren Aufgaben überfordert zu sein scheint. Städtische Bauprojekte werden aufgrund mangelhaften Projektmanagements durchweg zu teuer und dauern zu lange. Es wird nicht das geleistet, was die Menschen von der Stadt erwarten.

Darüber hinaus werden Bürger und Bürgerinnen von der Verwaltung nicht angemessen, an den sie betreffenden Verfahren beteiligt, wie dies z.B. bei der OGS-Vergabe an den Grundschulen passiert ist oder diese finden nur alibimäßig statt, wie bei der Trassensuchshow zum Radschnellweg. In anderen Bereichen erweist sich die Verwaltung als inkompetent, so schafft sie es seit Jahren nicht Fahrradständer an den Schulen aufzustellen oder Mobilstationen in der Stadt zu errichten.

Eigentlich ist es primäre Aufgabe der Politik für eine effiziente, schnelle und bürgerorientierte Verwaltung zu sorgen. Doch sie schaut nur zu und traut sich nicht, die Verwaltung so zu organisieren, dass diese so arbeitet, wie die Menschen das zu Recht von ihr erwarten dürften. Menschen fragen sich, ob ihre Belange im Fokus der von ihnen gewählten Politik stehen oder die Interessen der Beschäftigten der Stadt.

In Bochum kontrolliert und bestimmt die Politik nicht, was die Verwaltung tut, sondern drängt sich der Eindruck auf, dass die Politik sich als verlängerten Arm der Verwaltung versteht und eigentlich die Verwaltung bestimmt, was die Politik tut. Ein Wille die Entwicklung der Stadt aktiv zu gestalten, ist insbesondere bei der Mehrheitskoalition im Stadtrat nicht zu erkennen, man hält es nicht für nötig die Stadtpolitik mit eigenen Vorschlägen und Ideen zu lenken. Das überlässt man der Verwaltung. Diese macht die Beschlussvorschläge im Stadtrat, über die sie die Stadtpolitik in ihrem Sinne steuert und die von Rot-Grün erwartet, dass diese den Vorlagen im Stadtrat die erforderliche Mehrheit verschafft.

Für die Wähler*innen stellt sich die Frage, warum sie Politiker*innen wählen sollen, die jeden eigenen Gestaltungswillen vermissen lassen, selbst nicht mit Vorschlägen und Ideen aufwarten, sondern dieses Feld der Verwaltung überlassen und alles ohne kritische Beschäftigung abnicken, was ihnen vorgelegt wird.

Politikstil – Politik wird diskreditiert

Ein weiterer Punkt ist, dass der in Bochum gepflegte Politikstil, Politik über die Jahre systematisch diskreditiert hat. Ob im Stadtrat für oder gegen einen Vorschlag gestimmt wird, entscheidet sich in Bochum danach, wer den Vorschlag macht und nicht danach, ob der Vorschlag inhaltlich gut oder schlecht ist.

Entsprechend gibt sich die Rot-Grüne-Mehrheit im Rat regelmäßig nicht mal die Mühe ihre Ablehnung von Vorschlägen anderer Fraktionen zu begründen. Mit diesem überheblichen Verhalten demonstriert Rot-Grün, dass man es als Mehrheitskoalition nicht nötig habe, sich mit Vorschlägen anderer zu beschäftigen oder sich für Entscheidungen gegenüber den Bürger*innen zu rechtfertigen. Die dadurch sichtbar werdende Hochnäsigkeit der Macht wirkt auf die Menschen abstoßend und lässt sie daran zweifeln, ob die Stadtpolitiker*innen wirklich das Wohl der Stadt im Auge haben oder vielmehr bevorzugt eigene Machtinteressen verfolgen.

Wer Politik durch solches Verhalten diskreditiert, schadet ihr und schafft selbst die Ursache dafür, dass Menschen nicht mehr gewillt sind bei Wahlen etablierten politischen Kräften ihre Stimme zu geben.

Förderung der Mentalität, Politik als Konsumgut zu betrachten

Auch hat die Stadtpolitik in Bochum seit jeher die Mentalität gefördert, dass Politik quasi ein konsumierbares Gut ist. Man wählt jemanden und erhält dafür die versprochene Leistung. Das Bewusstsein, dass alle Menschen Teil der Stadtgesellschaft sind und zu deren Entwicklung beitragen, wurde nie gefördert. Die Menschen erwarten u.a., dass die Stadtpolitik für billige Mieten, günstige Preise, tolle Läden in der Innenstadt, kostenfreie Parkplätze vor der Haustür und eine ruhige Wohngegend mit Autobahnanschluss um die Ecke sorgt. Dass die Menschen selbst auch eine Eigenverantwortung tragen, welches Einkommen sie erzielen, ob sie Miete zahlen müssen, oder eigenes Wohneigentum erwerben, wo sie wohnen und wie die Stadt und ihre Wohnumgebung gestaltet ist, ist vielen gar nicht mehr bewusst. Bürgerliches Engagement ist in Bochum im Sportverein oder für den Kleingartenverein sehr verbreitet, für die Entwicklung der Stadt und des Wohnquartiers wird das nicht erwartet, da sieht man die Stadt oder die Wohnungsbaugesellschaft in der Verantwortung.

Wird Politik als konsumierbares Gut verstanden, haben es Populisten leicht. Verfolgen Bürger*innen diese Haltung wird der gewählt, der das beste Angebot macht und den Menschen die meisten Vergünstigungen verspricht. Wenn bei der Wahlentscheidung der persönliche, häufig pekuniäre Vorteil im Mittelpunkt steht, der gesellschaftliche Nutzen aber keine echte Rolle spielt, haben bei diesem Wettbewerb die etablierten Parteien das Nachsehen.

Politik ohne Überzeugungswillen

Es stellt sich zudem die Frage, warum Menschen in Bochum Politik machen? Welche Überzeugungen treiben sie an? Betrachtet man die Politiker*innen, die Bochum im Land- und Bundestag vertreten, fragt man sich, für welche Projekte und Überzeugungen stehen sie? Welche politischen Initiativen treiben sie voran und welche haben sie für die Stadt durchgesetzt? Gibt es da Nennenswertes?

Es entsteht der Eindruck, wichtig ist ihre Anwesenheit in den Parlamenten, um im richtigen Moment für die eigene Fraktion die Hand zu heben. Politik lebt vom Gestaltungswillen, Dinge zu zum Besseren zu verändern, sich dafür zu engagieren und dem unbedingte Willen andere davon zu überzeugen. Doch wo sieht man das in der Bochumer Politik?

Eine öffentliche Auseinandersetzung über politische Themen wird nicht nur gegenüber Populisten vermieden. Es hat den Anschein, als bestünde der Anspruch, Menschen zu überzeugen, dass man bessere Politik macht als Populisten und diese zu entlarven, gar nicht. Wenn es gegen Populisten und Extremisten geht, dann geschieht das fast ausschließlich auf Demonstrationen, mit denen man pressewirksam sichtbar macht, man steht auf der richtigen Seite. So schafft man sich ein gutes Gefühl. Überzeugen kann man damit aber niemanden. Eine Demonstration zeigt nicht, dass man die bessere Politik macht und Populisten keine Alternativen oder gar Lösungen bieten, sondern jeden Unsinn versprechen, nur um gewählt zu werden. Überzeugen gelingt nur über die direkte Ansprache und Diskussionen mit denen, die geneigt sind, Populisten ihre Stimme zu geben.

Besonders die SPD wird voraussichtlich Wähler*innen an Populisten verlieren

In den genannten Bereichen verliert die etablierte Politik aus den genannten Gründen gegenüber den Populisten zunehmend an Boden. Zu erwarten ist, dass besonders Menschen, die sich abgehängt fühlen, in Stadtteilen wohnen, die sich seit Jahren negativ entwickeln und die mit der Komplexität von politischen Zusammenhängen überfordert sind, ihre Stimme bei den nächsten Wahlen populistischen, tendenziell rechten Parteien geben. Das wird besonders zu Lasten der SPD gehen, die im Ruhrgebiet bisher von vielen Menschen aus den entsprechenden Milieus weniger aus Überzeugung denn aus alter Verbundenheit wegen ihrer Verdienste für die Arbeiterklasse gewählt wurden.

Im nächsten Jahr, 2024, steht in Bochum die Europawahl an, es folgen 2025 Bundestags- und Kommunalwahlen. Bei diesen Wahlen wird sich zeigen, wie stark Populisten auch im Ruhrgebiet an Stimmen gewinnen können. Landesweit wird aufgrund der letzten Umfragen mit fast einer Verdreifachung des Stimmenanteils der AfD (15%) ggü. den Landtagswahlen 2022 gerechnet (5,4%) (Sonntagsfrage Nordrhein-Westfalen). Die SPD dagegen verliert 5%.

Will man der genannten Entwicklung wirksam entgegensteuern muss sich wohl insbesondere die SPD überlegen, wie sie ihre (Stadt-)Politik und ihren Politikstil ändert. Die Zeit für Überheblichkeit ist definitiv abgelaufen.

29 Mai

Amtsblatt für Bochum – Immer die neuesten Stadtinfos frisch auf den Tisch

In Bochum wissen die Menschen oft viel zu wenig darüber, was in der Stadt und der Stadtpolitik passiert. Nur noch die WAZ berichtet umfänglich und täglich. Andere Städte informieren die Bürger*innen mit ihrem Amtsblatt über das Stadtgeschehen aller zwei Wochen. Diesem Beispiel könnte die Stadt Bochum folgen.

Anders als dem Dänen Marcellus schwant den Bochumern nichts Übles. Dabei ist auch in ihrer Stadt „etwas faul“. Erfreulicherweise ist die kommunale Bühne für verschwörende Theoretiker, die theoretische Verschwörer sehen, zu volkstümlich, in Bochum zu klein. Am Ende bietet die ordentlich gelegte Frisur von Thomas Eiskirch im Vergleich zu Trumps Tolle und Putins Pläte zu wenig Projektionsfläche. Glück gehabt.

Aber trotz dieser fehlenden Nebelkerzen, die jede sachliche bundespolitische Diskussion freudlos ersticken, führt die Bochumer Stadtgesellschaft kaum klare Debatten über die Entscheidungen, die ihre Repräsentanten im Rat zu treffen haben. Einige Fraktionsvorsitzende sind den Bochumer Bürgern wahrscheinlich so bekannt wie Dubravka Šuica. Wer das ist? Die europäische Kommissarin für „neuen Schwung für die Europäische Demokratie“. Ich musste auch googeln.

Unserem Bochum, ein Dorf, das an der Hand der klobigen industriellen Konzerne zur Stadt gewachsen ist, fehlt eine fein geölte Bürgergesellschaft, der seit hunderten Jahren gewiss ist, dass sie ihre Geschicke selbst steuern muss. Diese Bürgergesellschaft kann sich nur vor dem Hintergrund einer dauerhaften informationellen Kulisse empor entwickeln. Da die einzig verbliebene Tageszeitung, die von der Mehrheit der Bochumer gar nicht abonniert ist und gelesen wird, dafür nicht ausreicht, ist die Politik gefordert.

In Zeiten der Mosaike aus Blogs, Tweets und Insta-Posts lohnt auch mal ein Blick aufs Analoge: Gerade das staubige Amtsblatt, das in Bochum bislang nur der kaum gehörten Verkündung von Satzungen und Ausschreibungen dient, könnte dem Bürgergedanken neues Leben einhauchen. Entblättern sich monatlich frei Haus redaktionell und interessant aufbereitet die Vorhaben der Verwaltung, die Debatten des Rates und Informationen der Fraktionen über ihre politische Arbeit, wird eine Grundlage für Beteiligung und Teilhabe geschaffen. In anderen Städte, z.B. Freiburg gibt es ein solches Amtsblatt schon seit Jahrzehnten (Amtsblatt Freiburg https://www.freiburg.de/pb/281247.html). In den meisten Haushalten freuen sich die Menschen seit über 30 Jahren und 816 Ausgaben, aller zwei Wochen kostenfrei mit den neuesten Stadtnachrichten und -veranstaltungen auf 10 Zeitungsseiten versorgt zu werden. Der Druck finanziert sich über einen kleinen Teil Werbung auf der letzten Seite des Blattes.

Praktischerweise hegen bestehende Gesetze und Rechtsprechung ein redaktionelles Amtsblatt in Neutralität und Inhalt ein, ohne dass die Lokalpolitik hier kompliziert eigenes Recht schaffen muss. So darf das Amtsblatt nur über Veranstaltungen, Vorhaben und Debatten aus den Sphären des Rates und der Verwaltung informieren. Allgemeine journalistische Berichterstattung über Neuigkeiten in der Stadt, z.B. über die Spieltage des VfL Bochums oder den Handtaschendiebstahl am Bahnhof, obliegen den journalistischen Medien – Also de facto der WAZ, da Radio Bochum sich in den „Hits der 80er und 90er“ erschöpft. Ebenso bleiben die spitzen Kommentare den Bochumer Redakteuren vorbehalten. Auch die Recherche und Unterfütterung politischer Debatten mit z.B. Zitaten von Seiten der IHK bleiben Metier der Tageszeitung. WAZ, Social Media und Amtsblatt würden sich mit ihrer unterschiedlichen Ausrichtungen ergänzen.

Natürlich müsste das Amtsblatt aus 100% recycelten Altpapier bestehen und zertifiziert klimaneutral hergestellt werden. Ebenso sollte eine barrierefreie digitale Version verfügbar sein. Wer möchte sollte zudem die Papierversion abbestellen und dafür die digitale Version abonnieren können. Und ja, es werden sich dagegen Bedenken, Widerstände und Zaudern formieren… Dornige Chancen nannte dies mal jemand.

15 Okt

Tag des offenen Rathauses – Präsentation Verwaltung top, Darstellung Stadtpolitik flop

Am 18.09. präsentierten sich Stadt und Politik beim Tag des offenen Rathauses. Der Verwaltung gelang das gut, die Darstellung der Stadtpolitik war mau und wurde entsprechend kaum besucht. Das sollte beim zweiten Mal besser werden. Jedoch steht die Mehrheit im Rat Ideen zum live Erleben von Stadtpolitik eher ablehnend gegenüber, wie die Ablehnung der Open-Air-Ratssitzung zeigt.

Das historische Bochumer Rathaus macht schon was her. Es ist ein imposantes Gebäude. Allerdings wirft es als hochgemauerte Trutzburg auch einen langen Schatten auf die Einwohner*innen. Um den Eindruck, die Verwaltung würde sich von ihren Bürger*innen verbarrikadieren, abzutragen, hat man das Mauerwerk bildlich und auch wortwörtlich an manchen Stellen etwas aufgebrochen. Der neue Haupteingang, der in den Ostflügel hineingeschnitten ist, und die ersten Ansätze eines Besucherleitsystems, wenden sich den Bürger*innen zu. Und auch der Tag des offenen Rathauses vor Kurzem konnte in einigen Bereichen punkten.

Glanzlos blieb allerdings der Auftritt der Ratsfraktionen, die als Staffage für die schnell durch hastenden Besucher*innen Spalier an ihren Stehtischen standen. Dass dies so kam oder auch so kommen musste, lag definitiv unter Anderem an dem von der Verwaltung aufgestellten wenig biegsamen Konzept. Frontalunterricht gibt man sich heute eher nicht mehr freiwillig. Das volle Bühnenprogramm, das mit jeweils einer halben Stunde Frage-Antwort-Spiel durchaus auf die maximale Aufmerksamkeitsspanne der aktuellen Twitter-Generation angepasst war, gab sich keine Besucher*in in voller Länge – Auch wenn Moderation und ehrenamtliche Politikerin ihren Job sehr solide gemacht haben.

Die Politik muss sich ankreiden lassen, dass sie sich im Vorfeld zurück gelehnt hat und nun eine Nachbereitung blickdicht in Schweigen hüllt. Während Ersteres angesichts eines „Ersten Mals“ noch verzeihlich ist, so ist zweites schon grundsätzlich bedenklich. Im Vergleich zur Verwaltung steckt die Politik nur ungern den Kopf aus dem Ratssaal heraus. Allein die Idee, die dort geschwungenen Reden nicht nur der unmittelbaren Peer-Group von zusammen gluckenden Ratsmitgliedern und den Verwaltungsbediensteten, die ihre Zeit im Ratssaal auf ihre Arbeitszeitkarte gutschreiben lassen können, per Rats-TV zugänglich zu machen, brauchte gefühlt mehrere erdgeschichtliche Epochen.

Open-Air-Ratssitzung ohne Begründung vom Stadtrat abgelehnt

Ein Vorschlag der Fraktion Partei/Stadtgestalter, den Tag des Rathauses aus Sicht der Politik erfolgreicher aufzustellen, verhallte in der letzten Ratssitzung nicht nur ungehört, sondern auch unbeantwortet. Ratsmitglied Nils Brandt begründete, warum man im Sommer im Rahmen des offenen Rathauses den Rat zu einer Sitzung samt Dialogteil mit den Bürger*innen auf einen Platz in die Innenstadt holen sollte. Das mangelnde Echo, das sich durch eine gänzlich fehlende Gegenrede zur Begründung der erdrückenden Ablehnung zeigte, ist ein Armutszeugnis für den Rat. In einem Gremium, in dem samt Oberbürgermeister 87 Bürgervertreter*innen sitzen, kann niemand mit auch nur einer Silbe begründen, warum man nun diesen Vorschlag ablehnen wolle. Dass zu dieser Zeit weder Vertreter*innen der Presse noch erkennbar Bürger*innen vor Ort die Tagesordnung verfolgten, ist dabei symptomatisch.

Die Grundidee von Partei/Stadtgestalter fußte auf einem Erfolg des Grünflächen- und Tiefbauamts sowie u.a. den Mädels und Jungs vom USB und Co, die sich mit ihrer technischen Gerätschaft und Fahrzeugen nach draußen wagten und auf dem Rathausplatz die Herzen besonders der jüngsten Bochumer*innen gewinnen konnten. Das sollte sich die Politik zum Vorbild nehmen.

Es bleibt spannend, ob die Politik die Verwaltung mit den Mühen, die Rathausämter und -gremien an die Bürger*in zu bringen weiter alleine lässt, oder ob von Seiten der anderen Fraktionen ernsthafte Vorschläge kommen werden.

DH

22 Nov

Gesucht: Podcast & Blog zur Bochumer Stadtpolitik

Der Bochumer Stadtrat hat beschlossen, dass Ratssitzungen zukünftig ins Internet übertragen werden sollen. Rats-TV kann aber nur der erste Schritt sein, die Bochumer besser über die Stadtpolitik zu informieren, ein weiterer könnte die Schaffung eines unabhängigen Stadtkanals sein, der sich journalistisch mit den wichtigen Themen der Stadt beschäftigt.

Über 8 Jahre hat es gedauert, bis die Politik jetzt einhellig für eine Übertragung der Ratssitzungen gestimmt hat.

Rats-TV, eine langjährige Forderung von FDP, STADTGESTALTERn und Linken, wird endlich umgesetzt

In der letzten Wahlperiode noch hatten sich SPD, CDU, sowie große Teile der Grüne gegen eine Online-Übertragung von Ratssitzungen ausgesprochen. Die entsprechenden Anträge von, FDP, STADTGESTALTERn, Linken und Piratenpartei waren immer wieder gescheitert. Am Ende der Wahlperiode hatte bereits die CDU ihren Widerstand aufgegeben. So scheiterte der letzte Antrag in der alten Ratsperiode nur knapp an SPD, Teilen der Grünen sowie der UWG.

Gleich in der ersten Ratssitzung der neuen Wahlperiode stimmte der Rat einstimmig dafür, dass die Verwaltung bereits für die Dezembersitzung ein Konzept vorlegt, wie die Übertragung in der Geschäftsordnung des Rates verankert werden kann und die Übertragung technisch umgesetzt werden soll. Linke, Die PARTEI und die STADTGESTALTER hatten in der Ratssitzung mit einem eigenen Antrag erneut Druck gemacht. Letztlich wurde das Rats-TV mit einem gemeinsamen Antrag  fast aller Fraktionen und Gruppen des Rates auf den Weg gebracht.

Informationen über die Stadtpolitik sind auch mit Rats-TV noch schwer zu bekommen

Doch reicht Rat-TV, um den Einwohner der Stadt die Politik des Rates näher zu bringen? Das ist leider nicht der Fall. Die Berichterstattung in den Bochumer Medien ist weiterhin zu dünn. Eigentlich berichtet nur die WAZ-Bochum kontinuierlich über die Ratspolitik. Doch auch die ist personell regelmäßig nicht in der Lage die Ratssitzungen in voller Länge zu verfolgen, zu Ausschusssitzungen kommen nur sporadisch Pressevertreter, entsprechend werden viele Themen gar nicht oder nur oberflächlich behandelt. Investigative Beiträge bleiben die Ausnahme. Die Berichterstattung von Radio Bochum über die Lokalpolitik beschränkt sich auf eine überblicksartige Darstellung der wichtigsten Themen. Eine Berichterstattung, die aufzeigt, welche politische Gruppierung bei welchem Thema warum, welche Position vertritt, findet regelmäßig nicht statt. Unabhängige Blogs oder Podcasts, die regelmäßig aus den Ratssitzungen berichten, gibt es bisher leider nicht. Lediglich der Pottblog von Jens Matheuszik, gleichzeitig Vorsitzender der SPD Bochum-Ehrenfeld, berichtet regelmäßig live via Twitter und in seinem Blog über die Ratssitzungen.

Sich schnell und einfach über das zu informieren, was in der Politik läuft und wie in der Politik diskutiert wird, ist den Einwohnern von Bochum und Wattenscheid also trotz Rats-TV weiterhin kaum möglich. Auch fehlt weiter eine regelmäßigen Berichterstattung aus den Bezirksvertretungen und den Ausschüssen des Rates. Eine intensive Beschäftigung mit der Bochumer Lokalpolitik bleibt Menschen vorbehalten, die viel Zeit dafür investieren können und bereits über ein umfassendes Wissen verfügen, wo sie welche Informationen finden können. Im Ergebnis erklärt sich so, warum viele Menschen über die Lokalpolitik relativ wenig informiert sind und zum Beispiel erst mitbekommen, dass ein neues Baugebiet in ihrer Nachbarschaft entsteht, bei dem umfangreiche Fällungen von Bäumen geplant sind, wenn die Bagger anrollen.

In Bochum fehlt ein unabhängiges Medium, das umfassend über die Stadtpolitik berichtet

Es fehlen in Bochum also unabhängige Medien, die mit journalistischem Sachverstand kontinuierlich über die stadtpolitischen Themen und Diskussionen berichten. Dem steht entgegen, dass Menschen mit den notwendigen journalistischen Qualifikationen um solche Medien zu bespielen, das nicht ehrenamtlich tun können, sondern ordentlich bezahlt werden müssen, auf der anderen Seite aber viele Menschen nicht bereit sind für gute Berichterstattung Geld zu bezahlen.

Eine Finanzierung durch Nutzer und Werbung wird also ein solches unabhängiges politisches Stadtmedium nicht tragen können. Alternativ denkbar wäre eine Finanzierung über eine Stiftung, die sich eine unabhängige Berichterstattung mit journalistischem Anspruch zum Ziel setzt. Für diese Stiftung müssten wiederum potente Geldgeber aus der Stadtgesellschaft gewonnen werden, die bereit sind, das genannte Ziel finanziell zu unterstützen, ohne selbst Einfluss auf die Berichterstattung nehmen zu wollen. Auch die Stadt selbst sollte ein Interesse haben eine solche Stiftung finanziell zu unterstützen.

Im Idealfall kann auf diese Weise ein Onlinekanal zur Stadtpolitik geschaffen werden, über den mittels Blogberichten und Podcasts direkt von Ratssitzungen berichtet wird und Reportagen zu wichtigen stadtpolitischen Ereignissen und Themen aufgerufen werden können. Ebenso kann solch ein Kanal eine Plattform für Interviews mit an staatspolitischen Entscheidungen beteiligten oder davon betroffenen Akteuren sein. Auch für Kommentare zu kontroversen Themen, die die Menschen in der Stadt bewegen, sollte der Kanal Raum geben. Dazu sind auch unterhaltende Formate, wie satirische Beiträge oder eine “Late-Night-Show”, die sich mit Stadt und Stadtgesellschaft beschäftigt, denkbar.

Für einen stadtpolitischen Kanal ist Unterstützung aus der Stadtgesellschaft nötig 

Letztlich ist für die Umsetzung eines solchen Projekts die Stadtgesellschaft gefragt. Wie gut sollen die Einwohner Stadt über die Themen der Stadtpolitik informiert sein? Was ist der Stadtgesellschaft eine unabhängige und umfassende Berichterstattung über die Stadtpolitik wert? Gibt es in der Stadtgesellschaft Akteure, die sich vorstellen können ein solches Projekt finanziell zu tragen? Woran es voraussichtlich nicht mangelt, sind engagierte Bochumer mit journalistischem Background, die bereit wären die Inhalte für den Kanal zu produzieren.

16 Nov

Kritische Betrachtung der rot-grünen Koalitionsvereinbarung

SPD und Grüne haben in Bochum in der letzten Woche die Koalitionsvereinbarung unterzeichnet. Wie ambitioniert ist diese Vereinbarung und wie viel Substanz hat sie?

Bei der Kommunalwahl im September haben die Bochumer Wähler SPD und Grünen so viele Stimmen gegeben, dass sie erneut über die Mehrheit im Stadtrat verfügen (48 von 86 Sitzen). Beide Fraktionen schließen sich erneut zu einer Koalition zusammen und haben jetzt dazu eine Vereinbarung (Vereinbarung zur Zusammenarbeit von SPD und Grünen 2020-25) unterzeichnet, in der sie niedergeschreiben haben, was sie gemeinsam in den nächsten 5 Jahren erreichen wollen.

Die Ziele der rot-grünen Koalition 2020-2025

In 19 Bereichen von Arbeit bis Sport skizziert die Vereinbarung die Ziele der rot-grünen Koalition bis 2025. Hat sich die Koalition realistische, ehrgeizige Ziele gesetzt? Werden die avisierten Maßnahmen die Stadt entscheidend voran bringen? Reichen die Anstrengungen aus, um die Herausforderungen, vor denen die Stadt steht, zu meistern? Genau das soll nachfolgend kritisch betrachtet werden:

Arbeit – Unter diesem Punkt findet sich eigentlich nur eine konkrete Maßnahme, wie man die Zahl der Langzeitarbeitslosen reduzieren will. Über die neue Beschäftigungsgesellschaft sollen mehr Langzeitarbeitslose bei der Stadt und bei den städtischen Tochtergesellschaften der Stadt untergebracht werden. Es werden künstlich im öffentlichen Bereich Jobs geschaffen, damit die Menschen nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auftauchen. Das ist dürftig.

Eine Strategie, wie die Stadt Unternehmen unterstützt, mehr Jobs zu schaffen, z.B. durch Aufbau von Maker Hubs (Ideenschmiede und Jobmaschine – Ein MakerHub für Bochum) gibt es nicht. Stattdessen beschäftigt sich die Koalitionsvereinbarung mit Kritik an der Arbeitsmarktpolitik der Landesregierung und den Aufgaben von Jobcenter und Bundesagentur für Arbeit.

Wirtschaft – SPD und Grüne wollen dem Ausbau und der Aktivierung von bereits vorhandenen Flächen stets den Vorzug geben. Nur, wo es notwendig ist, sind ausnahmsweise neue Gewerbeflächen auszuweisen. Hier bleibt die Koalition schwammig. Zu einer echten Flächenbilanzierung (Bochum braucht einen Flächenentwicklungsplan), die festschreibt, welche Flächen als Natur und Landschaft erhalten bleiben sollen, konnten sich die beiden Partner leider nicht durchringen.

Dazu sollen besonders die städtischen Unternehmen insbesondere Stadtwerke und VBW stärker zu einer Gemeinwohlorientierung bewegt bzw. verpflichtet werden. Wie das geschehen soll, bleibt offen.

Der Wirtschaftsstandort Bochum soll zukunftsfähig und für Investoren interessant bleiben. Hier hätte die Koalition sich zur Förderung von Projekten wie z.B. dem Hochschulcampus in Wattenscheid bekennen können. Eine Strategie, was zur Erreichung des genannten Ziels konkret getan werden soll, ist der Vereinbarung jedoch nicht zu entnehmen. Diese gibt es offenbar nicht.

Digitalisierung – “Bochum soll Vorreiter beim E-Government werden.” Das Breitbandnetz soll weiter ausgebaut werden. Alles Ziele, die auf dem Papier bereits seit mindestens zwei Jahrzehnt verfolgt werden. Wie es gelingen soll, die Ziele auch endlich zu erreichen bleibt offen. Worthülsen wie “die Beschäftigten der Stadt [sollen] aktiv an diesem Veränderungsprozess beteiligt” werden, ersetzen konkrete Ziele und Maßnahmen, die aufzeigen, wie die bisher eher schleppende Digitalisierung der Stadt beschleunigt werden soll.

Der Aufbau einer digitalen Bürgerbeteiligungsplattform mit Umfrage- und Diskussionsmöglichkeiten soll geprüft werden. Man hätte sich gewünscht, hier wäre die Koalition mutiger gewesen und hätten den Aufbau gleich in Aussicht gestellt.

Gleichstellung – Konkret sollen für weibliche Führungspositionen in den Leitungen und Aufsichtsräten der städtischen Gesellschaften und Beteiligungen Quoten vorgegeben werden. Neben einem Bekenntnis zum Gender Mainstreaming, bietet die Koalitionsvereinbarung sonst nur Situationsbeschreibungen verbunden mit der schwammigen Formulierung, man wolle auf die jeweiligen Lagen und Gegebenheiten aufmerksam machen und sich dafür einsetzen sie zu verbessern.

Strukturentwicklung und Planung – Unter diesem Punkt sucht man vergebens eine klare Strategie zur Entwicklung der Stadt und besonders der Stadtteile. Statt eines Bekenntnisses zu stadtentwicklungskonzepten will die Koalition weiter lediglich die Umsetzung der in einigen wenigen Stadtteilen laufenden ISEKs (Vom Land geförderte Stadtumbauprogramme) unterstützen.

Statt eine klaren stadtweiten Strategie findet sich in der Koalitionsvereinbarung eine unstrukturierte Auflistung von verschiedensten Unterpunkten, die neben Ausführungen zum Appolonia-Pfaus-Park, Wettbüros und konkreten Festlegungen, wann Bäume zukünftig zu fällen sind, Bekenntnisse zu nachhaltiger Bodenpolitik, zu nachhaltiger und gesunder Bebauung, zu klimaverträglichen und nachhaltigen Baustoffe und Bauweisen, sowie der nachhaltigen Bewirtschaftung von Gewerbeflächen enthalten.

Zusammengefasst stellt sich dieser Punkt so dar: Alles soll also in Zukunft irgendwie nachhaltiger geschehen und von unzähligen Teilproblemen werden auf unerfindliche Weise drei konkret in der Koalitionsvereinbarung ganz konkret aufgegriffen.

Klima, Umwelt und Natur – Hier wird die Koalition endlich konkret: “Wir setzen uns das Ziel, dass Bochum bis 2035 klimaneutrale Stadt wird.” Es soll ein „Klimaplan“, erstellt werden, “der das bisherige Klimaschutz- sowie das Klimaanpassungskonzept der Stadt systematisch zusammenführt und die Bemühungen zum Klimaschutz durch stetige Evaluierung konsequent weiter fortsetzt.” “Bis 2022 soll der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix [der Stadtwerke] auf 75 Prozent steigen.”

Es folgt ein Reihe von unsortierten Vorschlägen und Bekenntnissen (Einsatz für die Erarbeitung und Umsetzung einer kommunalen Nachhaltigkeitsstrategie) und Kleinstmaßnahmen (Prüfung der Anlage eines Teichs in der Nähe des Bahnhofs Wattenscheid), die alle in die richtige Richtung gehen und vermitteln, die Koalition wolle das Thema tatsächlich in der Wahlperiode 2020-2025 ernsthaft angehen.

Mobilität – Die bestehenden Lücken im Radwegenetz sollen “schnellstmöglich” geschlossen werden. 20 km zusätzliche Radwege sollen in den nächsten 5 Jahren pro Jahr entstehen. “In Zukunft [sollen] mindestens 20 Euro pro Einwohner*in in den Radverkehr investiert werden.” Dieses Ziel erscheint wenig ambitioniert. Nach den Versäumnissen in der Vergangenheit hätten die Zahlen hier mindestens doppelt so hoch ausfallen sollen.

SPD und Grüne streben zu dem an “eine Infrastrukturgesellschaft zu gründen, die sich
mit der Planung, Realisierung und Inbetriebnahme von Infrastrukturprojekten im
Bereich Straßen- und Radwegebau sowie mit dem ÖPNV-Ausbau beschäftigt.” Dieses Vorhaben erscheint sinnvoll. Eine Gesellschaft, mit dem klaren Ziel die entsprechende Infrastruktur auszubauen, wird neue Impulse setzen können.

Beim ÖPNV soll der Ausbau der Linien 308/318 nach Cöppencastrop vorrangig angegangen werden. Für den Ausbau der 309/310 zum August-Bebel-Platz soll eine Bedarfs-, Kosten- und Nutzenanalyse erstellt werden. Und ein Konzept zur Entlastung der Campus-Linie U35 steht weiter im Fokus. Eine leistungsfähige Anbindung des Bahnhof Höntrop an das städtische Bahnnetz wurde ebenso nicht verfolgt, wie die Schaffung einer leistungsfähigen Verbindung zwischen Innenstadt und Ruhrpark oder eine Anbindung von Leithe und Günnigfeld an das Bahnnetz. Der beabsichtigte Ausbau des Busnetzes mit Ring- und Schnellbuslinien wird die erforderliche Errichtung von städtischen Bahnlinien nicht ersetzen können, obwohl die Formulierungen in der Koalitionsvereinbarung das zu suggerieren versuchen.

Auch wird der in Aussicht gestellte Ausbau des ÖPNV-Netzes insgesamt mager aus und wird nicht ausreichen, um die beabsichtige Verkehrswende in absehbarer Zeit zu vollziehen und damit das zuvor in Aussicht gestellte Klimaschutzziel zu erreichen. Damit Bochum 2035 klimaneutral wird, muss im Bereich ÖPNV und Radverkehr viel mehr passieren.

Dazu stellt die Koalitionsvereinbarung eine Neukonzeption des so genannten Vorbehaltsstraßen-Netzes in Aussicht, bei der Vorbehaltsstraßen, die eigentlich primär Wohnstraßen sind aus dem Vorbehaltsnetz genommen und in die Tempo-30-Zonen integriert werden sollen. Man darf gespannt sein wie konsequent die Koalition dieses Ziel verfolgen wird.

Wohnen und Quartiere – Die Vereinbarung der Koalition sieht vor, neue Wohnungsbauvorhaben in erster Linie auf bereits vorgenutzten Flächen umzusetzen. Dabei sollen Innenentwicklungsmaßnahmen wie dichtere Bebauung, Schließung von Baulücken und Aufstocken von Gebäuden Priorität haben. Die Zielrichtung ist zu begrüßen, welche Maßnahmen dazu auf den Weg gebracht werden sollen, sagt die Koalition hingegen nicht.

Ansonsten enthält auch dieser Abschnitt viele Bekenntnisse aber wenig Konkretes. Im Großen und Ganzen soll alles so weiterlaufen wie bisher, aber evaluiert und dann bei Bedarf angepasst werden. SPD und Grüne wollen für mehr geförderten Wohnungsbau sowie mehr genossenschaftliche und gemeinwohlorientierte Projekte sorgen. Aber auch hier liest man nichts zum Wie. Auch wie eine aktivere und vorausschauendere Quartiersentwicklung aussehen soll, um die Stadtteilzentren und Quartiere zu stärken bleibt im Wesentlichen offen.

Sicherheit und Ordnung – SPD und Grüne halten an der erfolgreichen Ordnungspartnerschaft von Polizei, Ordnungsamt und anderen städtischen Stellen fest. Mit einem „Masterplan Licht und Sauberkeit“ sollen identifizierte Angsträume beseitigt und zum Beispiel vernachlässigte (Fuß-)Wege hergerichtet werden. Der Ordnungsdienst soll weiter gestärkt werden und mit noch mehr Personal ausgestattet werden. Auch Rad- und Gehwegparken soll konsequenter verfolgt werden.

In diesem Bereich geht die Koalition erfreulicher Weise deutlich über schwammige Bekenntnisse hinaus. Es sollen einige Dinge konkret angepackt werden, die den Bürgern schon lange auf den Nägeln brennen.

Bürgerbeteiligung – SPD und Grüne versprechen einen verbindlichen Rahmen für den kontinuierlichen Dialog zwischen Verwaltung, Politik und Bürgerschaft sowie ein „Akteursforum Stadtentwicklung“ schaffen. Die Bürger dürfen gespannt sein, wie viel zusätzliche Bürgerbeteiligung, Bürgerinformation und echte Mitbestimmung diese neuen Formate ermöglichen werden.

Soziale Teilhabe – Dieser Teil ist vielleicht der enttäuschendste in der ganzen Koalitionsvereinbarung. Die Koalition will viele Angebote zur sozialen Teilhabe ausbauen (Ausbau Straßensozialarbeit, Neubau Frauenhaus, mehr Zuwendungen für Träger der Wohlfahrtspflege, Verbände und gemeinnützige Vereine und Selbsthilfegruppen, Beratungs- und Hilfsangebote allgemein u.a.m.), doch einen Plan, die Ursachen von Armut zu bekämpfen, damit weniger Menschen überhaupt in die Situation kommen, solche Angebote nutzen zu müssen, gibt es nicht.

Im Wahlkampf hatte der Oberbürgermeister den Ausdruck benutzt, “den Stock in die Speiche stecken” um den Kreislauf der Armutsvererbung in der Stadt zu unterbrechen. Dieses Ziel verfolgt die Koalition offenbar nicht. Es geht nur darum die Lebensverhältnisse der Armen zu verbessern. Das ist zu wenig.

Gesundheit – Auch in diesem Bereich sollen diverse Angebote ausgebaut und der Zugang zu den bestehenden Angeboten verbessert sowie die Beratungs-, Betreuungs- und Präventionsarbeit ausgeweitet werden. Auch diese Verbesserungen sind zu begrüßen.

Kinder und Jugendliche – Für Kinder und Jugendlicher, erklärt die Koalition, müsse es Chancengerechtigkeit geben. Schon das Ziel ist deutlich zu niedrig gesteckt. Jedes Kind und jeder Jugendliche sollte sich in der Stadt entsprechend seiner Talente optimal entfalten können. Dafür muss die Stadt die Voraussetzungen schaffen.

Weiterhin liegt der Fokus der Kinder- und Jugendpolitik darauf, die Lebenssituationen der Kinder- und Jugendlichen durch diverse soziale Unterstützungsangebote zu verbessern. Es fehlt dagegen eine Strategie, die verhindert dass Kinder und Jugendlichen unter entsprechenden Lebensverhältnissen aufwachsen müssen bzw. wie sie es schaffen, diese für ihr weiteres Leben hinter sich zu lassen.

Ein Ausbau der KiTas, der Ganztagsangebote an Schulen und der Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten, wie in der Koalitionsvereinbarung versprochen, ist sicher erstrebenswert, doch fehlt es der Koalition an einer Vision wie Kinder und Jugendlichen wieder mehr Bedeutung in der Stadtgesellschaft verschafft werden kann. Sie weiterhin auf Spiel- und Jugendplätze und -heime zu verweisen, ist nicht mehr zeitgemäß. Daran ändern auch Jugendbefragungen in Schulen und ein Jugendforum aller zwei Jahre nichts.

Die ganze Stadt muss mehr Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche bieten, wo sie sich gerne aufhalten und gern gesehen sind.

Bildung – In Wattenscheid soll endlich die lange geforderte Gesamtschule errichtet werden. Zwar will die Koalition auch die Ausstattung der Schulen verbessern und die Sanierung der Schulgebäude weiter vorantreiben, doch einen ehrgeizigen Plan zur Förderung der Schulbildung, zum Beispiel mit dem Ziel, dass in Bochum alle Schüler die Grundschulen mit einer Realschulempfehlung verlassen, gibt es nicht. In der Koalitionsvereinbarung wird die Verantwortung dazu immer wieder dem Land zugeschoben.

Das Ziel, durch einen verbesserten und individuellen Unterricht in den städtischen Schulen den Schülern alle Chancen zu geben ihre Talente optimal zu entfalten und so die Vererbung von Armut zu durchbrechen, fehlt auch in diesem Bereich.

Es soll mehr rhythmisierten Ganztag geben, gesünderes Schulessen, ein kostenloses Schüler*innenticket und Schülervertreter*innen im Schul und Bildungsausschuss. Alles schön und gut, aber doch zu wenig, Die eigentlichen Probleme, die durch eine fehlende oder geringe Schulbildung später auf dem Arbeitsmarkt entstehen, werden nicht gesehen und nicht an der Wurzel angegangen.

Leben im Alter – Auch für Senioren sollen viele Angebote (Kultur, Sport, Freizeit, Unterhaltung, Ehrenamtsarbeit für Senioren u.a.) ausgeweitet werden, der Zugang erleichtert und die Versorgung und Pflege der alten Menschen verbessert werden.

Die Koalition sieht Senioren jedoch fast ausschließlich als passive Menschen, die versorgt werden müssen und denen von Dritten maßgeschneiderte Angebote gemacht werden sollen, die sie dann möglichst leicht “konsumieren” können. Von einer Förderung von Senioren, die selbst was auf die Beine stellen können und wollen und dabei unterstützt werden sollten, ist in der Koalitionsvereinbarung nicht die Rede. Aktive Senioren kommen in der Vereinbarung leider nicht vor.

Flucht, Migration und Integration – In diesem Bereich werden in der Koalitionsvereinbarung kaum mehr als eine Reihe Projekte und aktive Institutionen aufgezählt (Sprach- und Qualifizierungszentrum für Zugewanderte, Flüchtlingsbüros „INES“, Kommunale Integrationszentrum, Integrationsausschuss, Migrantenselbstorganisationen, Initiative „Sichere Häfen“), die gute Arbeit leisten und die die Koalition weiter unterstützen will.

Eine Strategie, wie die mit der Migration verbundenen sozialen Probleme angegangen werden sollen, ist der Vereinbarung jedoch nicht zu entnehmen. Wie die Vergangenheit zeigt, reicht die Unterstützung von einigen Organisationen durch die Stadt auch hier nicht.

Die Potenziale der migrantischen Ökonomie für die Stadt nutzen zu wollen und sie insbesondere in der Innenstadt im Rahmen des integrierten Stadtentwicklungskonzeptes zu fördern und mitzugestalten, ist da nur ein Ansatz von vielen. In dieser Richtung müsste weit mehr getan werden.

Inklusion – “Inklusion verlangt, dass niemand an der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehindert wird”, steht in der Koalitionsvereinbarung. Diese Definition greift zu kurz. Inklusion bedeutet, für jeden Menschen die Voraussetzungen und die bestmögliche Förderung zu geben, so dass er seine Potenziale voll ausschöpfen kann. Es geht bei Inklusion also nicht nur um die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, sondern darum, allen Menschen, besonders dann wenn sie noch Kinder und Schüler sind, alle Möglichkeiten zu geben ihre Talente voll zu entfalten.

In der Folge greifen alle Maßnahmen zu einer verbesserten Inklusion, die in der Koaltionsvereinbarung genannt werden, zu kurz.

Trotzdem ist der barrierefreie Umbau von öffentlichen Gebäuden, Anlagen und Straßenraum wie der Bau barrierefreier-rollstuhlgerechter Wohnungen ein wichtiges Ziel für die Wahlperiode 2020-25.

In der Vereinbarung fehlen aber Maßnahmen zur Durchsetzung des Inklusionssziels in den städtischen Schulen, die bewirken, dass in den Schulen die Voraussetzungen geschaffen werden, damit alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von ihrem und sozialen- und familiären Hintergrund ihre Potenziale voll ausschöpfen können.

Kunst und Kultur – Die Ausführungen in diesem Bereich beginnen mit einer Überraschung: “SPD und Grüne streben die Öffnung der kommunalen Einrichtungen (zum Beispiel der städtischen Büchereien oder der VHS) an Sonntagen an.” Auch die zunehmende Förderung der “Freien Szene” (+1% pro Jahr), das Ziel den öffentliche Raum stärker kulturell zu nutzen und „bespielbarer“ zu machen, die Einführung eines Kulturpasses sowie die Initiative digitale Kunst besonders zu fördern, sind sehr zu begrüßen.

Weitere Ideen sind das RuhrComer-Festival für Schüler*innenbands sowie eine Kooperation der bestehenden Kinder- und Jugendzirkusse im Rahmen eines Zirkus-Nachwuchsprojekts sowie eines Jugendzirkus-Festivals. Solche innovativen Projekte hätte man sich auch in anderen Bereichen der Koalitionsvereinbarung mehr gewünscht.

Leider fehlt ein Bekenntnis, die Förderung der freiem Kulturszene auf 10% des Kulturetats zu erhöhen,

Sport – Hier wollen SPD und Grüne endlich ein Bäderkonzept aufstellen, das schon lange beschlossen haben, dessen Erstellung sie selbst aber lange verzögert haben. Trend- und Randsportarten sowie E-Sport sollen vermehrt gefördert werden. Nach dem Pilotprojekt „Hausacker“ sollen auch in anderen Stadtteilen Orte der Bewegung und Begegnung geschaffen werden.

Sonst gibt es keine Überraschungen, es bleibt bei der Fortführung bereits bestehender Projekte (Umsetzung der Sportstättenbedarfsplanung, „Schwimm mit“, Ausbau des Lohrheidestadions u.a.).

Die Koalitionsvereinbarung hatte ambitionierter ausfallen können 

Die Koalitionsvereinbarung steht unter der Überschrift, “Bochum – Perspektiven von hier”. Insgesamt enthält sie viel Wichtiges, insbesondere das Ziel der Klimaneutralität bis 2035, ist aber in einigen Bereichen, besonders Mobilität, Armutsbekämpfung und Inklusion wenig ambitioniert und bleibt dort stark hinter den Erwartungen zurück. Zu vielen Herausforderungen finden sich in der Vereinbarung kaum bzw. gar keine Aussagen: u.a. zur Entwicklung der Innenstadt, zu Maßnahmen wie der negative Trend in Wattenscheid gestoppt werden kann, wie die Entschuldung der Stadtfinanzen gelingen soll oder ob und wie die Koalition das Ziel verfolgt Bochum in eine Ruhrstadt zu integrieren (Stadtpolitische Herausforderungen 2020-25).. 

Neue Perspektiven zeigt die Koalitionsvereinbarung nicht auf. Die Vereinbarung enthält wenig, woran sich die Arbeit der Koalition messen ließe, dafür verdecken viele, häufig schwammige Bekenntnisse den Blick auf die wenigen greifbaren Ziele, die vereinbart wurden. Eine ausgesprochen Grüne Handschrift erkennt man eigentlich nur in den Bereichen “Klima, Umwelt und Natur” und “Struktur und Planung”, obwohl die Grünen bei der Wahl acht Sitze hinzugewonnen haben, während die SPD drei verloren hat.

Insgesamt hätte die Koalitionsvereinbarung deutlich ambitionierter sein können. Da fehlte beiden Partnern wohl der Mut, vielleicht auch weil Voraussagen zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklungen der Stadt angesichts der Corona-Krise schwierig sind. Wir werden sehen, was SPD und Grüne von dem geplanten wann umsetzen. Zu hoffen ist, dass sie im Laufe der Wahlperiode noch einige zusätzliche Initiativen entwickeln, anstoßen oder unterstützen, über das hinaus, was jetzt vereinbart wurde.

19 Okt

Stadtpolitische Herausforderungen in Bochum 2020 bis 2025

In der am ersten November beginnende Wahlperiode steht die Bochumer Politik vor großen Herausforderungen. In vielen wichtigen Bereichen müssen grundlegende Entscheidungen getroffen werden, die für die Zukunft der Stadt von herausragender Bedeutung sind.

Hier eine Auflistung wichtiger Themen und Herausforderungen, zu denen die Politik in den nächsten 5 Jahren wichtige Entscheidungen treffen müsste:

Klimaschutz – Bisher verfolgt die Stadt das unambitionierte Ziel bis 2050 den Ausstoß der Treibhausgase auf 80% zu reduzieren. Um das im Pariser Abkommen vereinbarte 1,5°-Ziel zu erreichen wäre es erforderlich, dass die Stadt dieses Ziel anpasst. Kopenhagen will bereits 2025 klimaneutral sein, Bochum sollte es 2030, spätestens 2040 sein.

Um das Ziel zu erreichen, müsste die Stadt gleich zu Beginn der Wahlperiode ein Maßnahmenpaket auf den Weg bringen, mit dem sich das gesetzte Ziel sicher erreichen lässt. Weiterhin müsste für die Umsetzung ein wirksames Controlling eingeführt werden, mit dem gesteuert und kontrolliert wird, dass die Maßnahmen wie geplant realisiert werden. Für die Bürger müsste dabei transparent veranschaulicht werden, in welchen Zeiträumen welche Maßnahmen umgesetzt werden und wie der aktuelle Stand der Realisierung ist.

Mobilität – Die Zielvorgabe der Landesregierung für das Ruhrgebiet sieht vor, dass in spätestens 10 Jahren je 25% der Wege mit dem Auto, mit Bus und Bahn, dem Rad und zu Fuß zurückgelegt werden. Bisher ist Bochum davon weit entfernt. Für nur 7% der Wege wird das Rad genutzt, für nur 15% der ÖPNV, dafür aber für 54% der Wege immer noch das Auto.

Um das genannte Ziel zu erreichen müsste die Stadt somit möglichst schnell Maßnahmen auf den Weg bringen, mit denen Radwege- und ÖPNV-Netz so attraktiv gemacht werden, dass die entsprechenden Nutzerzahlen in den nächsten Jahren deutlich steigen.

Als Zielvorgabe sollte im Leitbild Mobilität zusätzlich die Zukunftsvision der 15-Minuten-Stadt verankert werden. Den Einwohner der Stadt sollte es möglich sein alle wesentlichen Besorgungen in der Stadt in 15 Minuten mit dem Rad oder zu Fuß zu erledigen..

Bei den Radwegen sind alle Hauptverkehrsstraßen mit Radwegen zu versehen, beim ÖPNV sollten vordringlich konkrete Planungen für die Verbindungen: August-Bebel-Platz – WAT Bahnhof – Höntrop Kirche – Hontrop S, von RUB und Hochschule nach Langendreer und Mark 51°7, Ruhrpark – Hauptbahnhof/Innenstadt und die Nordverbindung zwischen Essen und Bochum über Leithe und Günnigfeld auf den Weg gebracht werden.

Innenstadt – Die Negativentwicklung der Innenstadt hat sich durch die Corona-Krise beschleunigt. Dringend wären Maßnahmen erforderlich um diese Entwicklung aufzuhalten und wieder umzukehren. Flair wie Ambiente der Innenstadt, die Erreichbarkeit der Innenstadt mit anderen Verkehrsmitteln als dem Auto müssten erheblich verbessert werden.

Bochum müsste versuchen die Innenstadt von der eindimensionalen Shoppingstadt, die einseitig auf Autokunden ausgerichtet ist, zu einer multifunktionalen Stadt für alle Menschen, in die Besucher nicht nur kommen, um dort ihre Einkäufe zu erledigen, zu entwickeln. Dazu sollte die Stadt besondere Attraktionen bieten, um Menschen aus anderen Städten gewinnen zu können.

Wattenscheid – Insbesondere hinsichtlich Wattenscheid-Mitte besteht die Gefahr, dass hier in wenigen Jahren Zustände entstehen, wie wir sie im Ruhrgebiet schon aus Duisburg-Marxloh, Altenessen und der Dortmunder Nordstadt kennen. Der neue Stadtrat müsste dringend ein Gesamtkonzept auf den Weg bringen, das Maßnahmen vorsieht, mit denen die Innenstadt aufgewertet und die zunehmende soziale Schieflage gestoppt werden kann.

Dabei wäre es ebenfalls erforderlich das Vertrauen der Wattenscheider Bevölkerung zurück zu gewinnen, um die Menschen von der Erforderlichkeit der grundlegenden Erneuerung zu überzeugen und die bei vielen bestehenden Vorbehalte gegenüber Veränderungen zu überwinden.

Bürgerbeteiligung – Um das Vertrauen der Menschen in politische Entscheidungen zurück zu gewinnen und sie an Entscheidungen maßgeblich zu beteiligen, müsste die Beteiligung der Bürger auf ein neues Niveau gehoben und die Politik transparenter werden.

Erste Maßnahmen dazu wären die Einführung von Rats-TV und die Einführung eines transparenten und institutionalisierten Beteiligungsprozesses bei wichtigen (Bau-)Vorhaben sowie die Einführung einer digitalen Beteiligungsplattform, über die die Bürger, beabsichtigte Entscheidungen nicht nur kommentieren und bewerten, sondern auch selbst initiieren können, sowie darüber maßgeblich mitentscheiden können.

Digitalisierung – Bis zum Ende der Wahlperiode sollten alle Dienstleistungen der Stadt, bei denen dies technisch möglich ist, auch digital abrufbar sein, Unterricht an den Schulen müsste durchgehend digital möglich sein. Die Lücken im Breitbandnetz der Stadt müssten geschlossen sein.
Schulen – Bis 2025 müsste die Politik die Sanierung der Schulen beschleunigen, sowie die Ausstattung der Schulen soweit verbessern, dass diese in NRW als vorbildlich gelten. Dazu würde gehören, dass bis 2025 alle Schulen an das Glasfasernetz angeschlossen sind.

Auch sollte bis 2025 eine weitere Gesamtschule in Wattenscheid geschaffen und dafür die endgültige Schließung der verbliebenen Hauptschulen beschlossen werden.

Auch gälte es ein Konzept auf den Weg zu bringen, wie es gelingen kann, dass alle Grundschüler bis auf wenige Ausnahmen nach der Grundschule mindestens eine Empfehlung für die Realschule erhalten.

Stadtteile – Bis 2025 sollte jeder Stadtteil über ein Stadtteilentwicklungskonzept verfügen, das festlegt, welche Maßnahmen getroffen werden sollen, um insbesondere die Stadtteilzentren, aber auch die Wohngebiete weiter zu entwickeln.

Bei einigen Stadtteilzentren ist eine umfassende Wiederbelebung erforderlich, in einigen Stadtgebieten sollte die Wohnqualität deutlich verbessert werden, in anderen sollten Maßnahmen getroffen werden, um die Verkehrsbelastungen zu reduzieren. Dazu müssten vielerorts Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, um Plätze mit hoher Verweilqualität zu schaffen und die soziale Infrastruktur (Stadtteiltreffpunkte, Sporthallen, Kinderbetreungs- und Bildungsangebot u.a.) zu verbessern.

Viele Wohngebäude sind in Bochum modernisierungs- und sanierungsbedürftig sowie nicht barrierefrei, hier müsste die Stadt mehr Anreize schaffen, dass diese in einen zeitgemäßen Zustand versetzt werden, ohne dass nach der Renovierung unangemessen hohe Miet- oder Kaufpreise verlangt werden.

STEAG – Gleich zu Beginn der Wahlperiode müsste die Stadt die erforderlichen Maßnahmen beschließen, endlich ihre Anteile an der STEAG zu verkaufen sowie alle weiteren Beteiligungen an Unternehmen, deren Kerngeschäft immer noch die Verstromung fossiler Energieträger ist. Nur so lässt sich das Kapitel städtischer Fehlinvestitionen im Energiebereich endgültig abschließen.

Makercity 
– In der neuen Wahlperiode sollte die Politik den Wandel zur Makercity einleiten, zu einer Stadt, die ihren Einwohnern vielfältige Gelegenheiten und Möglichkeiten gibt, ihre unternehmerischen und kreativen Ideen in Maker-, Workspaces und anderen sogenannten Third Places auszuprobieren, eigene Unternehmungen im wirtschaftlichen, kreativen wie sozialen Bereich aufzubauen und zu Machern zu werden, die nicht nur Dienstleistungen anbieten, sondern auch innovative Produkte entwickeln, die sich im weltweiten Wettbewerb durchsetzen. Dadurch würden neue Arbeitsplätze, besonders im handwerklichen Bereich geschaffen.

Die Ruhr-Universität hat bereits einen ersten Makerspace in Betrieb genommen, ein weiterer soll im Haus des Wissens entstehen. Bis 2025 sollten einige weitere Makerspaces ihren Betrieb aufgenommen haben.

Stadtfinanzen, Entschuldung – In den nächsten 5 Jahren sollte die Stadt ein Entschuldungskonzept erarbeiten, das darlegt, wie die Stadt die Verschuldung von aktuell rund 1,9 Mrd. in einem absehbaren Zeitraum abbaut. Dabei ist gegenüber Land und Bund weiterhin darauf zu drängen, dass diese einen wesentlichen Teil der Altschulden übernehmen.

Ruhrstadt – Bis 2025 sollte nicht nur Bochum, sondern auch die anderen Städte des Ruhrgebietes ein strategisches Konzept wie einen Fahrplan vorlegen, wie in den folgenden 5 bis 10 Jahren der Wandel vom Flickenteppich Ruhrgebiet zu einer starken Metropole Ruhrstadt erfolgen soll, in der wichtige Bereiche wie Nahverkehr, Flächenentwicklung oder Kultur, die das ganze Ruhrgebiet betreffen, zentral verwaltet werden.

Letztlich entscheidet der Stadtrat und der Oberbürgermeister, welche politischen Themen in den nächsten 5 Jahren in der Stadtpolitik angepackt und vorangetrieben werden. Über die Mehrheit im neuen Stadtrat verfügen SPD und Grüne. Bereits dem Koalitionsvertrag, den beide Parteien derzeit verhandeln, wird sich entnehmen lassen, wie ambitioniert Rot-Grün die dargestellten Herausforderungen angehen wollen. Zur nächsten Kommunalwahl 2025 kann der Wähler Bilanz ziehen, wie konnten die Herausforderungen von Politik und Verwaltung gemeistert werden.

Stadtpolitische Herausforderungen in Bochum 2020 bis 2025

In der dieser Grafik werden die beschriebenen Herausforderungen visualisiert. Es wird dargestellt, inwieweit die Politik die Themen bearbeitet und dazu Beschlüsse gefasst und wie der Realisierungsstand aktuell aussieht. Die Grafik wird im Laufe der Wahlperiode bis 2025 regelmäßig aktualisiert.

28 Sep

Wie funktioniert die Bochumer Stadtpolitik?

Am 13.09.2020 wurde in Bochum ein neuer Stadtrat gewählt, der Oberbürgermeister und die Bezirksvertretungen. Was macht wer, wie läuft Stadtpolitik ab und wie können sich die Bürger beteiligen?

Der Oberbürgermeister – ist und bleibt Thomas Eiskirch (SPD). Er ist Chef der Verwaltung und leitet die Ratssitzungen. Somit ist er ebenfalls Mitglied des Stadtrates. Er führt die laufenden Geschäfte der Verwaltung. Er bzw. die Verwaltung können in Angelegenheiten von bis zu 60.000 Euro* selbst entscheiden.

Die Verwaltung – Sie setzt die Beschlüsse des Stadtrates um und führt die Vorgaben des Oberbürgermeisters wie des Verwaltungsvorstandes aus. Dazu legt die Verwaltung dem Stadtrat und den Bezirksvertretungen Beschlussvorschläge vor, über die dann Rat und Bezirksvertretungen entscheiden.

Der Verwaltungsvorstand – Die Verwaltung teilt sich in sechs Dezernate auf. Fünf Dezernaten steht ein Beigeordneter/Dezernent vor, dem ersten Dezernat der Oberbürgermeister (Derzenatsverteilungsplan):
I – Gesamtstädtische Steuerung, Wirtschaftsentwicklung und Diversity: Thomas Eiskirch
II – Finanzen, Beteiligungen und Bürgerservice: Dr. Eva Maria Hubbert (Stadtkämmerin)
III – Personal, Recht und Ordnung: Sebastian Kopietz (Stadtdirektor)
IV – Bildung, Kultur und Sport: Dietmar Dieckmann
V – Jugend, Soziales und Gesundheit: Britta Anger 
VI – Bauen, Umwelt und Mobilität: Dr. Markus Bradtke (Stadtbaurat)

Die Dezernent*innen, der Oberbürgermeister und der Geschäftsführer der Bochumer Wirschaftsentwicklung, Ralf Meyer bilden den Verwaltungsvorstand. Im Verwaltungsvorstand entscheidet bei Meinungsverschiedenheiten der Oberbürgermeister. Die Dezernent*innen werden vom Stadtrat für 8 Jahre gewählt.

Der Stadtdirektor ist der Vertreter des Oberbürgermeisters in der Verwaltung.

Stadtrat – Der Rat der Stadt hat in der neuen Wahlperiode 86 Mitglieder plus Oberbürgermeister und entscheidet über die wichtigen Angelegenheit der Stadt, insbesondere über den städtischen Haushalt (Finanzvolumen: rd. 1,5 Mrd. Euro).

Zudem kontrolliert der Rat die Verwaltung sowie die städtischen Unternehmen und Einrichtungen. Zu diesem Zweck besitzen die Ratsmitglieder umfassende Akteneinsichtsrechte.

Die Verteilung der Sitze im Rat nach politischen Gruppierungen sieht in der neuen Wahlperiode 2020 bis 2025 wie folgt aus:

Sitzverteilung Bochumer Stadtrat, Wahlperiode 2020-2025

SPD und Grüne besetzen mehr als 50% der Sitze (49 von 87) und können daher in allen Angelegenheiten ohne die Stimmen der anderen politischen Gruppierungen entscheiden. In der Regel bilden sie dazu eine Koalition.

Alle politischen Gruppierungen, die nicht Teil der Koalition sind, befinden sich in der Opposition.

Ratssitzungen – Der Stadtrat entscheidet in den Ratssitzungen über die Angelegenheiten, die ihm die Verwaltung bzw. der Oberbürgermeister zur Entscheidung vorlegen. Dazu stellen Mitglieder des Rats, Gruppierungen oder Fraktionen Anträge mit eigenen Vorschlägen und Ideen zur Abstimmung.

Die Mitglieder des Rates können zudem der Verwaltung wie den städtischen Einrichtungen und Unternehmen Fragen stellen, die diese innerhalb von maximal 2 Monaten beantworten müssen.

Der Rat tagt zumeist acht bis zehn Mal im Jahr.  Ratssitzungen dauern in der Regel drei bis vier Stunden, teilweise aber auch bis zu sechs Stunden.

Ausschüsse des Rates – Der Rat bildet Ausschüsse und Beiräte, denen die Entscheidung in kleineren Angelegenheiten übertragen werden und die in größeren Angelegenheiten diese für die abschließende Entscheidung im Rat vor beraten.

In der Wahlperiode 2014 bis 2020 gab es folgende Ausschüsse und Beiräte (Gremien des Rates):

  • Arbeit, Gesundheit und Soziales
  • Beteiligungen und Controlling
  • Infrastruktur und Mobilität
  • Kinder, Jugend und Familie
  • Kultur
  • Planung und Grundstücke
  • Schule und Bildung
  • Sport und Freizeit
  • Strukturentwicklung
  • Umwelt, Sicherheit und Ordnung
  • Betriebsausschuss für die Eigenbetriebe
  • Haupt- und Finanzausschuss
  • Frauenbeirat
  • Integrationsrat
  • Seniorenbeirat

Die Ausschüsse werden entsprechend der Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat besetzt. Die politischen Gruppierungen schlagen dafür Ratsmitglieder und Sachkundige Bürger vor. Jede Fraktion des Stadtrates ist in jedem Ausschuss mit mindestens einem Sitz vertreten.

Bezirksvertretungen – Die Bezirksvertretungen der sechs Bochumer Stadtbezirke (Mitte, Wattenscheid, Nord, Ost, Südwest und Süd) haben 19 Sitze, sie entscheiden über die bezirklichen Angelegenheiten oder beraten Angelegenheiten, die den jeweiligen Stadtbezirk betreffen, in denen aber der Stadtrat abschließend entscheidet, vor.

Die Bezirksvertretungen verfügen entsprechend ihrer Einwohnerzahl über ein geringes eigenes Budget von bis zu 1 Mio. Euro über deren Ausgabe sie selbst entscheiden können.

Öffentlichkeit und Berichterstattung – Die Sitzungen des Rates, der Ausschüsse und der Bezirksvertretungen sind öffentlich. Nur wenige Angelegenheiten werden, wenn es das Gesetz nicht anders zulässt, nicht-öffentlich behandelt.

Eine begrenzte Anzahl von Zuschauern kann die Sitzungen vor Ort verfolgen. Ratssitzungen des Bochumer Stadtrates werden bisher nicht im Internet übertragen.

Die Berichterstattung über die Stadtpolitik wie die Presselandschaft in Bochum ist übersichtlich. Im Wesentlichen und detaillierter berichtet die WAZ-Bochum. Manche Themen werden überblicksartig bei Radio Bochum behandelt. Über wenige wichtige Themen berichtet die Lokalzeit Ruhr (WDR). Eine umfassende, tiefgehende Information über die Arbeit der stadtpolitischen Gremien durch die Pressemedien ist damit nicht möglich. So verfolgt auch die WAZ-Bochum die Ratssitzungen regelmäßig nur bis zur ersten Pause.

Ratsmitglieder und Bezirksvertreter*innen – Die in den stadtpolitischen Gremien tätigen Einwohner Bochums und Wattenscheid üben ihre Tätigkeit mit Ausnahme des Oberbürgermeisters ehrenamtlich aus.

Die Aufwandsentschädigung eines Ratsmitgliedes beträgt rd. 400 Euro pro Monat. Dazu kommen etwas über 20 Euro Entschädigung pro Sitzung (Entschädigungsverordnung

Kontrolle der städtischen Unternehmen und Einrichtungen – Die Stadt Bochum ist (Mit-)Eigentümer an diversen Unternehmen und Einrichtungen (Beteiligungsbericht 2017), die wichtige Aufgaben der städtischen Daseinsvorsorge übernehmen. Dazu zählen insbesondere Stadtwerke, Sparkasse, VBW Bauen und Wohnen, Bogestra, USB, Wirtschaftsförderung und AÖR Schauspielhaus.

Wichtige Entscheidungen dieser Institutionen sind von den Aufsichtsgremien zu billigen. Zu diesem Zweck werden Mitglieder des Stadtrates vom Rat in die Aufsichtsräte der Unternehmen und Einrichtungen gewählt.

Besonders wichtige Entscheidungen müssen zudem von einer Mehrheit des Rates gebilligt werden, darunter die Jahresabschlüsse und Wirtschaftspläne.

Wie können sich die Bürger an der Stadtpolitik beteiligen?

Bürgeranregung – Jeder Bürger kann beim Stadtrat oder den Bezirksvertretungen eine Anregungen einreichen. Dazu muss die Anregung oder Beschwerde aufgeschrieben und an Rat oder Bezirksvertretung gesendet werden. Dann verfasst die Verwaltung dazu eine Stellungnahme und der Rat, der zuständige Ausschuss des Stadtrates oder die zuständige Bezirksvertretung entscheiden darüber, ob die Anregungen beschlossen wird. § 24 GO-NRW 

Bürgerbegehren – Um eine Frage statt durch den Stadtrat durch die Bürger direkt entscheiden zu lassen, müssen zuvor rd. 12.000 Bochumer Bürger*innen dafür unterschreiben, dass diese Frage den Bürgern zur Abstimmung vorgelegt wird.

Auf diese Weise können auch Entscheidung des Rates aufgehoben und durch einen Bürgerentscheid ersetzt werden. § 26 GO-NRW  

An Mitglieder des Stadtrats oder der Bezirksvertretungen wenden – Besteht ein Anliegen, können sich die Betroffenen auch direkt an die Mitglieder des Stadtrates oder der Bezirksvertretungen wenden. Die helfen in der Regel gerne selbst weiter oder vermitteln einen Kontakt zu den zuständigen Mitarbeitern der Verwaltung.

Informationsanfrage nach IFG NRW – Jeder Bochumer und Wattenscheider kann bei öffentlichen Stellen vorhandene Informationen erfragen. Die angefragten Informationen müssen ihm nach den Regeln des Informationsfreiheitsgesetzes NRW innerhalb eines Monats zugänglich gemacht werden.

Bürgerinitiative – Um in einer bestimmten Angelegenheit der Sichtweise der betroffenen Einwohner Gehör zu verschaffen, bietet sich die Gründung einer Bürgerinitiative an.

Mitglied einer politischen Gruppierung werden – Will man selbst die Politik in der Stadt mitgestalten, kann man dazu Mitglied einer Partei und Wählergemeinschaft werden und seine Meinungen, Ideen und Vorschläge dort direkt einbringen.

Die vorangegangene Darstellung gibt einen groben Überblick über die Stadtpolitik. Auf die Darstellung von tiefergehenden Einzelheiten und Ausnahmen wurde zu Gunsten einer besseren Verständlichkeit bewusst verzichtet.

Die STADTGESTALTER

* 30.000 Euro bei bezirklichen Angelegenheiten

14 Jul

Konkrete Politik statt Resolutionen

Welche Resolution wird der Rates der Stadt als Nächstes verkünden? Wird der Bochumer Stadtrat in seiner nächsten Sitzung die Anlage von Steingärten im Stadtgebiet verurteilen? Oder erklärt sich die Stadt mit den Eisbären in der Arktis solidarisch, denen bald das Wasser bis zum Hals steht? Dazu könnte die Stadtpolitik sich noch gegen die Armut in der Welt, für weniger Plastik in den Weltmeeren und bewusste Ernährung in den Schulen aussprechen. Eine Resolution zur friedlichen Besiedlung des Mars wäre ebenfalls eine Option.

Auch könnte der Stadtrat nach dem Klima- jetzt den Bildungsnotstand erklären. Alarmismus ersetzt reale Politik. Auch die Presse lässt sich darauf ein. Soll ein Notstand ausgerufen werden, folgt ein Beitrag auf den nächsten, wird im Rat über konkrete Vorschläge der Parteien zum Klimaschutz diskutiert, glänzen die Printmedien durch Abwesenheit.

Rat verabschiedet immer mehr Resolutionen – Symbolpolitik ersetzt reales Handeln

In jeder Ratssitzung werden mehr Resolutionen zur Abstimmung gestellt. In der letzten Ratssitzung waren es fünf, so viel wie nie zuvor. Der Rat scheint unter fortschreitender Resolutionitis zu leiden.

Symbolpolitik ersetzt reale Politik, die die eigentlichen Probleme angeht. Fast alle können sich auf die Resolutionen einigen und sich auf die Schultern klopfen, das sie zumindest ihre gute Absicht bekundet haben. Damit kann man sich auch in den Medien brüsten. Der Initiator der Resolution kann einen politischen Erfolg feiern, hat man doch fast alle Ratsmitglieder dazu gebracht einer möglichst allgemein und selbstverständlich formulierten Forderung zuzustimmen. Weiterlesen

10 Jun

Wie werden sich SPD, Grüne und CDU zur Kommunalwahl 2020 aufstellen?

Bei der Europawahl am 26.05. wurden die Grünen stärkste politische Kraft in Bochum (Wahlergebnis für Bochum). Das verspricht Spannung für die Kommunalwahl im Herbst nächsten Jahres. Als Partei mit den meisten Stimmen wird von den Grünen erwartet, dass sie einen eigenen Kandidaten oder eine eigene Kandidatin für das Amt des Oberbürgermeister ins Rennen schicken.

Ohne Kandidaten für das Amtes des Oberbürgermeister, werden die Grünen deutlich Wähler verlieren

Das wird schon deshalb erforderlich sein, weil die Bochumer Grünen bisher bei vielen Wählern in dem Ruf stehen, dass sie in Bochum ihre politischen Ziele nicht mit der erforderlichen Konsequenz verfolgen, sondern vielmehr nur das zu tun, was die SPD vorgibt, siehe z.B, Verkehrsberuhigung Hans-Böckler-Straße.

Der WAZ-Journalist Michael Weeke bewertet die politische Arbeit der Grünen vor zwei Wochen so:: “Die anfängliche Dynamik der Grünen” in der Koalition mit der SPD hat “nach Meinung von vielen Beobachtern zuletzt deutlich nachgelassen und wurde zäher, ja bleiern.” (WAZ vom 27.05.19). Diese Einschätzung bestätigt sich, wenn man auf die Verkehrspolitik schaut, bei der von den Grünen in 20 Jahren Koalition mit der SPD kaum Nennenswertes durchgesetzt und erreicht wurde.

Nur wenn es die Bochumer Grünen bis zur Kommunalwahl 2020 schaffen, den Wählern glaubwürdig zu vermitteln, dass sie besonders in der Umwelt- und Verkehrspolitik ihre Politik auch konkret umsetzen wollen, können sie in der Stadt erneut die Wähler mobilisieren, die auch bei der Europawahl für sie abgestimmt haben. Dazu gehört zwingend ein eigener OB-Kandidat, dem die Wähler zutrauen, dass er als OB besonders die Themen, Verkehr, Umwelt- und Klimaschutz auch wirklich anpackt und die seit 20 Jahren beschworene Wende auch herbeiführen wird. Die Unterstützung des SPD-Oberbürgermeisters bei einer Wiederwahl wäre hingegen das Eingeständnis, dass man sich in Bochum auch nach 2020 dem SPD-Willen unterordnen will und so unambitioniert weiter machen will wie bisher. Dafür aber würden die Grünen nicht gewählt.

Zudem liegt die Gestaltungs- und Entscheidungsmacht in der Stadtpolitik zu ganz wesentlichen Teilen beim Oberbürgermeister. Der Stadtrat kann allenfalls über Grundsatzentscheidungen oder eher schwache Kontrollmöglichkeiten auf die Politik des Oberbürgermeisters, der die Geschicke der gesamte Verwaltung der Stadt und städtischen Unternehmen (Sparkasse, Stadtwerke, Bogestra, USB usw.) lenkt, Einfluss nehmen. Würden die Grünen auf die Aufstellung eines eigenen Kandidaten verzichten, würde dies zum Ausdruck bringen, dass die Bochumer Grünen nicht bereit sind, die notwendige Verantwortung zu übernehmen, um die Stadtpolitik in ihrem Sinne in eine neue Richtung zu lenken.

Ein OB-Kandidat der Grünen, besonders dann, wenn er zwar den Grünen nahe steht, aber kein grünes Parteibuch besitzt, hätte zudem gute Chancen die Oberbürgermeisterwahl zu gewinnen. Besonders dann, wenn er in der Stadt als Persönlichkeit einigermaßen bekannt wäre. Würde der grüne OB-Kandidat dazu noch von anderen Parteien und politischen Gruppierungen unterstützt, hätte er oder sie alle Chancen die Wahl zu gewinnen. Weiterlesen