20 Juli

Straßenbahnen werden immer länger, nur in Bochum nicht

Bis zu 75 Meter lang dürfen Straßenbahnzüge heute lang sein, die von der BOGESTRA sind nur 30 Meter kurz. Längere Straßenbahnen bedeuten mehr Fahrgäste und geringere Betriebskosten. Politik und Verwaltung wollen angeblich den städtischen ÖPNV ausbauen. Wenn es konkret wird, zeigt sich, das ist nicht ernst gemeint.

Die neuen, modernen Straßenbahnen in französischen Städten, Lüttich, Dublin oder Luxemburg transportieren doppelt so viele Fahrgäste wie die in Bochum. In Berlin sind die neuen Straßenbahnen 50 Meter lang, in Mannheim sogar 60 Meter, die Variobahnen der BOGESTRA haben nur eine Länge von 29,62 Meter.

Längere Bahnen gleich mehr Fahrgäste und weniger Kosten pro Fahrgast

Die Rechnung ist einfach, wer mehr Fahrgäste gewinnen will, muss das Netz ausbauen und die Beförderungskapazitäten ausbauen, braucht also längere Straßenbahnzüge. Pro Zug kann die BOGESTRA maximal 180 Fahrgäste befördern, die lange Tram in Berlin schafft 312, die in Mannheim 400 Fahrgäste, die Straßenbahnen in Luxemburg und Lüttich 450, die neuen Züge in Budapest können sogar 560 Fahrgäste befördern. Da für jeden Zug, egal wie lang, immer nur ein Fahrer oder eine Fahrerin benötigt wird, sinken die Fahrtkosten pro beförderter Person, je länger der Zug ist (Skaleneffekt).

Bochum beim Nahverkehr unterentwickelt

Was länger Züge und damit leistungsfähigere Straßenbahnen bewirken, zeigt sich eindrucksvoll im Luxemburg: Die Straßenbahnlinie dort benutzen pro Jahr 28,7 Mio. Fahrgäste (Die Straßenbahn in Luxemburg konkurriert mit den Zügen). Zum Vergleich, in Bochum kommt die BOGESTRA für das 5x größere Verkehrsgebiet, also inkl. Gelsenkirchen und Witten, insgesamt nur auf 107 Mio. Fahrgäste pro Jahr (Fahrgastzahlen BOGESTRA).

Nehmen in Großstädten sonst immer mehr Menschen den ÖPNV, sind es in Bochum immer weniger. 2013 wurden noch 15.8 % der Wege (SRV 2013) mit Bus und Bahn zurück gelegt, 2023 waren es nur noch 13,3 % (SRV 2023). Das Nahverkehrsnetz der BOGESTRA hat sich gegenüber den 90er Jahren kaum verändert, die finanzielle Lage ist bedenklich (BOGESTRA wird zum Sanierungsfall). Einen substanziellen Ausbau des Nahverkehrsnetzes, wie ihn z.B. die STADTGESTALTER vorgeschlagen haben (Zehn neue Linien für das Bochumer Nahverkehrsnetz) lehnt das Unternehmen wie die Politik ebenso ab, wie leistungsfähigere Linien und längere Züge.

Politik redet viel und tut nichts Nennenswertes

Seit Jahrzehnten verspricht die Politik den Menschen, man wolle Bus und Bahn ausbauen und mehr Fahrgäste gewinnen, beim ÖPNV solle ein Wegeanteil von 20 bis 25 % erreicht werden (Positionspapier „Städte, Landkreise und Verkehrsverbünde begrüßen das Ziel der Verdoppelung der Fahrgäste des ÖPNV bis 2030!“). Doch konkret passiert nichts, um das Ziel zu erreichen.

Zu längeren Zügen erklärt die SPD im Juni im Mobilitätsausschuss des Bochumer Stadtrates, von diesem Trend wisse man nichts, die BOGESTRA hätte noch nie mit der Partei über dieses Thema gesprochen, man sähe in längeren Zügen daher keinen Nutzen. Diese Aussage zeigt, echte Ambitionen den ÖPNV auszubauen bestehen nicht, man ist nicht mal bereit bzw. in der Lage sich mit dazu nötigen Maßnahmen zu beschäftigen. Das Gerede von der Verkehrswende, die man angeblich verfolgt, ist leeres Gerede.

Wären Politik und BOGESTRA ernsthaft an mehr Fahrgästen interessiert, müsste man besonders darüber nachdenken, wie man auf den bestehenden Straßenbahnlinien kosteneffizient erheblich mehr Fahrgäste befördern kann. Denn auch im BOGESTRA-Gebiet, wird der größte Teil der Fahrgäste aufgrund der dichteren Takte mit Bahnen befördert, nur ein wesentlich kleinerer Teil mit Bussen. Ließe sich die Zahl der Fahrgäste auf den Straßenbahnen durch lange Züge um 30% erhöhen, würden auch die Fahrgastzahlen insgesamt deutlich steigen.

EM 2024 zeigt, dass lange Bahnen fehlen

Bei der Fußball-EM 2024 wurde das Kapazitätsproblem überdeutlich. Die BOGESTRA schaffte es nicht den An- und Abreiseverkehr zu und von der Arena auf Schalke in zumutbarer Zeit abzuwickeln (EM 2024: Bochum vergibt Riesenchance – BOGESTRA blamiert Ruhrstadt).

Um 30.000 Menschen abtransportieren zu können, benötigt die BOGESTRA mit ihren Variobahnen in Doppeltraktion bei einem 2,5-Minutentakt rund 3,5 Stunden. Mit langen Zügen mit einer Kapazität von 400 Fahrgästen im Zweiminutentakt wäre es eine Stunde weniger möglich. Um an der Arena überhaupt halbwegs genug Züge in Doppeltraktion aufbieten zu können, muss die BOGESTRA zudem an anderer Stelle die Fahrpläne ausdünnen.

Was ist nötig, um längere Bahnen einsetzen zu können?

Um mit langen Zügen von bis zu 75 Metern Länge fahren zu können, braucht man neben langen Zügen auch entsprechend lange Haltestellen. Die unterirdischen Straßenbahnhaltestellen weisen in Bochum regelmäßig bereits eine ausreichende Länge auf. Oberirdisch sieht es jedoch anders aus. Also müssten neu zu bauende Haltestellen konsequent länger als bisher geplant werden oder müsste bereits heute zumindest eine Möglichkeit zur späteren Verlängerung vorgesehen werden.

Wie man an den Neuplanungen der Hattinger Straße (Vorgang 20250958) sehen kann, hat die Stadt Bochum diese Zusammenhänge jedoch nicht auf dem Schirm. Sie baut Haltestellen nach hergebrachtem Muster nur für kurze Straßenbahnen und sieht auch keine Möglichkeiten für zukünftige Verlängerungen vor. Sie verhindert damit bereits heute, dass zu einem späteren Zeitpunkt längere Bahnen eingesetzt werden können. Den von den STADTGESTALTERn geforderten Bau von zukunftsfähigen Haltestellen, lehnte die Politik ab (Vorgang 20251646). Der Trend zu längeren Straßenbahnen wird verschlafen, die Chance auf leistungsfähigere Bahnlinien und mehr Fahrgäste leichtfertig vertan.

Bochum lernt nicht aus Fehlern

Dabei wiederholt sich das Problem. Auch bei der U35 (Stadtbahnlinie) hat man Ende der 90er Jahre die oberirdischen Haltestellen zu kurz gebaut, so dass die BOGESTRA auf der Linie heute keine längeren Bahnen einsetzen kann. Eine nachträgliche Verlängerung der Bahnsteige wäre extrem teuer, so dass die eigentlich notwendige Erhöhung der Linienkapazität durch längere Züge mangels städtischer Mittel nicht erfolgt. Die Folge, zu Spitzenzeiten, ist die Haltestelle am Hauptbahnhof überfüllt. Fahrgäste müssen ein bis zwei Bahnen abwarten, um zur Ruhr-Universität fahren zu können.

Doch BOGESTRA und Stadt lernen nicht aus Fehlern der Vergangenheit. Heute schon für morgen planen gelingt der Stadt auch beim öffentlichen Nahverkehr nicht. Die Stadt schaut nicht über die Stadtgrenzen. Wie andere Städte, es schaffen mehr Kunden für Bus und Bahn zu gewinnen, interessiert nicht. Wären Politik und BOGESTRA, wie sie es immer wieder vorgeben, wirklich an einem Ausbau des ÖPNV und mehr Kunden interessiert, hätte schon lange ein Konzept ausgearbeitet werden müssen, wie die Kapazitäten der Straßenbahnlinien in den nächsten Jahren u.a. durch längere Straßenbahnen erhöht werden sollten und wie die Strecken zu diesem Zweck umzubauen sind.

Was für die Straßenbahnen und längere Züge gilt, gilt in Bochum generell. Genauso fehlen Konzepte, wie das ÖPNV-Netz substanziell ausgebaut und attraktiver gemacht werden soll. Politik und BOGESTRA wurschteln sich durch. Auch dieser Fall zeigt, ihre beständigen Erklärungen in Sachen Ausbau ÖPNV, Erhöhung der Kundenzahlen und Verkehrswende, sind nicht ernst zu nehmen.

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