01 Okt

Vonovia-Zentrale – Eine neue Bausünde

Die Hauptverwaltung des in Bochum ansässigen Wohnungsunternehmens Vonovia zieht um. Der neue Gebäudekomplex wird nur einen Steinwurf entfernt zu der bisherigen Hauptverwaltung auf dem Nachbargrundstück an der Kreuzung Wasser- und Universitätsstraße errichtet.

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Die neue Zentrale der Vonovia (Foto: Vonovia, Stadt Bochum)

Bis zu 1.000 Mitarbeiter des DAX-Unternehmens, das zu den 30 größten und umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands zählt, sollen in der neuen Unternehmenszentrale Platz finden.

Bebauungsplanverfahren in Rekordzeit

Dem Umzug vorweg ging ein etwas undurchsichtiges Spiel über die Zukunft von Vonovia in Bochum. Das Unternehmen gab bekannt, aufgrund der Erweiterung des Konzerns um die Gagfah und die Süddeutsche Wohnen eine neue Hauptverwaltung bauen zu wollen. Vielleicht in Bochum, vielleicht auch in einer anderen Stadt. Eile sei geboten, da die Vonovia aufgrund auslaufender Mietverträge für die bisherige Zentrale bereits 2018 umziehen müsse.

Auf das zu der jetzigen Vonovia-Zentrale benachbart gelegene Grundstück hatte die Vonovia von Anfang an ihr Hauptaugenmerk gerichtet. Das Problem, auf dieser Fläche fehlte es an dem erforderlichen Baurecht und im Weg stand ein Bauerngehöft, das von einer Familie bewohnt wurde.

Verständlicher Weise wollte die Stadt nach den schmerzhaften Abwanderungen von Unternehmen in den letzen Jahren Vonovia unbedingt in der Stadt halten. Zwar bot man dem Unternehmen noch zwei Alternativgrundstücke in Bochum an, doch von Anfang an war klar, ernsthaft in Erwägung ziehen würde Vonovia eigentlich nur das Grundstück an der Kreuzung Wasser- und Universitätsstraße. Also tat die Stadt alles, um die Wünsche der Vonovia in aller Eile zu erfüllen. Ein Bebauungsplanverfahren wurde in Rekordzeit durchgezogen, gleichzeigtig die Baugenehmigung erteilt und der Familie von dem Bauerngehöft eine neues Zuhause im Schattbachtal in Aussicht gestellt. Die Stadt erlebte, was möglich ist, wenn die Verwaltung von Führungskräften angetrieben wird, die konsequent ihre Ziele verfolgen.

Dass der umzusiedelenden Familie im Landschaftschutzgebiet des Schattbachtals für ein neues Heim eine Baugenehmigung erteilt wurde, wo sich sonst bei solchen Vorhaben das Bauordnungsamt immer wieder unerbittlich zeigt und jedes Neubauvorhaben abweist, erzeugte allerdings bei Landschaftsschützern einen faden Beigeschmack. Nicht nur der bei den Entscheidungen übergangene Landschaftsbeirat stellte sich die Frage, wie es zu der Ausnahmegenehmigung kommen konnte. Laut Bauaufsicht errichtet die Familie im Schattbachtal einen bäuerlichen Nebenerwerbsbetrieb, der von dem Anbau und Verkauf von Heu und der Haltung von wenigen Pferden lebt. Die Landwirtschaftskammer bescheinigte die Wirtschaftlichkeit des Betriebes. Die Kritiker sehen in dem neuen Wohngebäude mit Stall für maximal 4 Pferde dagegen einen im Landschaftsschutzgebiet nicht zulässigen Hobbybetrieb.

Die Landschaftsschützer hegen den Verdacht, hier wurde etwas möglich gemacht, was nicht möglich gewesen wäre, wenn die Stadt in Sachen Vonovia nicht derart unter Druck gestanden hätte. Die Fraktion „FDP und Die STADTGESTALTER“ hat daher die Verwaltung um Aufklärung gebeten, wie die Baugenehmigung ohne Beteiligung des Landschaftsbeirates zu Stande kommen gekommen ist (Anfrage 20162590).

Im Ergebnis konnte die Stadt ihr Ziel erreichen, Vonovia kann auf dem gewünschten Grundstück bauen und bleibt mit seiner Hauptverwaltung und bis zu 1.000 Arbeitsplätzen in Bochum. Wirtschaftsförderung und Stadtbaurat haben das Notwendige in einem eng gesteckten Zeitrahmen veranlasst.

Architektur zum Abgewöhnen

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Foto: Vonovia

Allerdings stellt sich der Gebäudekomplex, den Vonovia auf dem Gelände errichten will, in der Visualisierung als eine Ansammlung von grauen 6-stöckigen Klötzen dar, die zusammen ein H formen und jeden städtebaulichen Anspruch vermissen lassen. Das ganze städtebaulich wertlose Ensemle wird umgeben von einer Parkplatzeinöde mit über 550 Stellplätzen. Schaut man sich die Konzernzentralen anderer DAX-Unternehmen an, wie etwa Lufthansa (Aviation Center, Frankfurt) oder ThyssenKrupp (Quartier, Essen) dann sieht man, was architektonisch und städtebaulich möglich ist. Die Vonovia aber gefällt sich offenbar in Beliebigkeit.

Im Gebäude einer Konzernzentrale spiegelt sich die Konzernphilosophie wieder. Entsprechend wundert es nicht, dass der Konzernchef erst kürzlich neue Plattenbauten für die Städte gefordert hat. Welchen städtebaulichen Ansprüchen diese genügen sollen, wird man wohl zukünftig beispielhaft an der neuen Bochumer Konzernzentrale sehen können. Mit dem unmodernen, belanglosen Zweckbau tut sich auch das Unternehmen keinen Gefallen. Dieser bestätigt die Vorurteile, mit denen das als Miethai verschrieene Unternehmen seit jeher zu kämpfen hat: Es habe außer der Maximierung der Mieten und Gewinne nichts weiter im Sinn. Festzuhalten ist, ein Unternehmen, das insbesondere städtische Wohnungen bauen will und vermietet, aber offenbar überhaupt keinen städtebaulichen Anspruch verfolgt, sollte bei neuen städtebaulichen Wohnungsbauprojekten eger nicht die erste Wahl sein.

Durch den Bau von Wohnungen ist Vonovia allerdings bisher ohnehin kaum aufgefallen (Die Zeit vom 01.07.16). Viel mehr macht das Unternehmen durch seine milliardenschweren Übernahmen von sich reden. Nach Gagfah und Süddeutsche Wohnen soll jetzt der österreichische Konkurrent Conwert für 2,9 Mrd. Euro übernommen werden, nachdem die Übernahme der Deutschen Wohnen für 14 Mrd. Euro Anfang des Jahres missglückt ist. Die gescheiterte Übernahme soll den Konzern bis zu 50 Mio. Euro gekostet haben (Handelsblatt vom 10.02.16). Soll dieser Betrag jetzt beim Bau der Konzernzentrale wieder eingespart werden? Wohl kaum. Wie die Milliardenübernahmegeschäfte zeigen, kann es an mangelndem Geld nicht liegen, warum Vonvia nicht in eine architektonisch anspruchsvolle Unternehmenszentrale investiert.

Vielleicht will die Vonovia Besuchern auch den Eindruck vermitteln, wir stecken kein Geld in unsere Zentrale, sondern alles Geld in unserer Mietobjekte. Viel eher gewinnen Besucher den Eindruck, das Unternehmen baut überall möglichst billig, nicht nur bei den Mietobjekten, um den Gewinn der Anteilseigner zu maximieren. Die Vonovia-Zentrale sollte sicher kein Prachtbau sein, aber sie muss auch nicht aussehen wie eine industrielle Legebatterie für Büromitarbeiter.

Die Stadt ist am Zug

Nun kann und soll die Stadt der Vonovia nicht vorschreiben, wie diese ihre Konzernzentrale zu bauen hat. Zu fragen ist aber, was der Gestaltungsbeirat zu diesem Bauvorhaben, das ohne Zweifel ein Vorhaben darstellt, das aufgrund seiner Lage, des Umfeldes und der Größe, Nutzung, sowie dem Repräsentationsanspruch für das Stadtbild prägend ist, angemerkt hat.

Ende 2010 noch hat die Stadt für dieselbe Fläche einen teuren Städtebauwettbewerb durchgeführt, mit dem Ziel dort zu einer „hochwertige Nutzung“ zu kommen, so die Worte des damaligen Stadtbaurats. Die Ansprüche an die Bebauung waren hoch: „Man wolle dem Standort Merkfähigkeit verleihen“, die Fläche solle sich augenfällig zur Universitätsstraße präsentieren, erklärten die Stadtplaner. Eine Wasser-Grünlandschaft sollte die Fläche auflockern. Alle diese Ansprüche werden an die Vonovia nunmehr offenbar nicht mehr gestellt. Der Städtebauwettbewerb verlief im Sande, wie so vieles in Bochum, was die Wirtschaftsförderung in der Vergangenheit groß angekündigt hatte (WAZ vom 25.11.10).

Foto: Vonovia

Foto: Vonovia

Insbesondere die Gliederung und Gestaltung der Fassaden der neuen Vonovia-Zentrale sollte überarbeitet werden. Zu der benachbarten Wohnbebauung würden sich nach jetziger Planung mind. 20m hohe meterhohe graue Wände auftürmen. Mehr Transparenz durch Glas und interessante Perspektiven bzw. eine andere Farbgestaltung wären wünschenswert.

Wie bei einer schäbigen Gewerbehalle türmt sich die Technik der Gebäude (für Aufzüge, Klimatechnik, usw.) unsortiert auf den Gebäudedächern. Hier sollte eine Intergration in die Gebäudekörper Abhilfe schaffen.

Auch Vorfahrt und Eingangsbereich wirken abweisend und einfallslos. Der Landschaftsbeirat beklagt darüber hinaus nicht nur die städtebauliche Ideenlosigkeit der Parkplatzwüste, für die fast das gesamte Gelände zugepflastert wird, sondern auch die negativen Auswirkungen der Versiegelung dieser riesigen Fläche auf das Mikroklima. Vonovia sollte finanziell in der Lage sein, ein Parkhaus zu bauen, so der Landschaftsbeirat (WAZ vom 26.07.16). Dazu wäre eine interessante Begrünung und Bepflanzung des Außenbereichs anzustreben.

Dass die Stadt sich für die Ansiedlung von Unternehmen stark macht und sich für deren Wünsche einsetzt sowie ihr bestmögliches dafür tut im Rahmen ihrer Möglichkeiten diese erfüllen zu können, darf nicht dazu führen, dass sie sich vor den Unternehmen in den Staub wirft und sich selbst verbietet öffentlich konstruktive Kritik zu äußern. Sie muss darauf drängen, dass die gravierenden städtbaulichen Mängel des Bauentwurfs von der Vonovia behoben werden.

Bochum hat leider schon lange den Ruf „total verbaut“ zu sein und über eine ungewöhnliche Häufung von Bausünden zu verfügen (Bochumschau, „So unschön ist Bochum“). Die Süddeutsche schrieb 2012, das Stadtbild Bochums wäre das Ergebnis der architektonischen Phantasie eines besoffenen Frettchens. Diesen Ruf mit einem weiteren einfalls- wie gesichtslosen Bürokomplex auf einer endlosen zugepflasterten Parkplatzwüste zu unterstreichen, kann nicht im Sinne der Stadt sein. Dass der städtebauliche Anspruch der Stadt mittlerweile gestiegen ist, sollte die Stadt auch gegenüber der Konzernleitung von Vonovia deutlich machen.

Gerade wurde der Grundstein für den Gebäudekomplex gelegt, noch kann also nachgebessert werden. In beiderseitigem Interesse sollten Stadt und Vonovia sich darüber unterhalten, welche Änderungen an dem Bauvorhaben möglich sind, um dem städtebaulichen Anspruch der Stadt gerecht zu werden. Die Fraktion „FDP und Die STADTGESTALTER“ hat daher angefragt, was der Gestaltungsbeirat und Verwaltung hierzu bereits unternommen haben (Anfrage 20162588).

Darüber hinaus gilt es ein weiters Problem zu lösen: Wie kommen die Mitarbeiter und Besucher, für die bei Vonovia kein Parkplatz bereit steht, zusätzlich über die schon jetzt überlastete U35 zur neuen Vonovia-Zentrale? Dafür hat die Stadt immer noch keine Lösung vorgelegt. Mal wieder fehlen Pläne da, wo sie dringend erforderlich sind. Stattdessen wurden an anderer Stelle Pläne und Wettbewerbe durchgeführt, deren Umsetzung dann niemand ernsthaft verfolgte. Das Geld, das benötigt würde, um Maßnahmen umzusetzen, mit denen die U35 entlastet werden könnte, wird derweil für sinnfreie neue Haltestellen verschwendet: 16 Mio. allein für die Haltestelle Gesundheitscampus.

Im Ergebnis hat die Stadt ihr Ziel erreicht, Vonovia bleibt in Bochum, das ist sehr zu begrüßen. Das schnelle Verfahren hatte jedoch auch einige unübersehbare Schönheitsfehler. Hier muss nachgearbeitet werden. Hoffen wir, dass die Vonovia noch lange bleibt und nicht in fünf Jahren auszieht und dann einen unvermietbaren, scheußlichen Bürokomplex hinterlässt.

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