26 Dez

Illegales Wohnen im Gewerbegebiet

Man stelle sich Folgendes vor: Plötzlich flattert ein Schreiben oder gar eine Ordnungsverfügung ins Haus, dass leider in den Räumlichkeiten, in denen man wohne gemäß Baunutzungsrecht Wohnen nicht erlaubt sei und man daher man unverzüglich, spätestens bis zum Tag X, auszuziehen müsse.

bochumVon einem Tag auf dem anderen wird so Mietern oder Wohnungseigentümern der Boden unter den Füßen weggezogen. Wie kann das passieren? Die Wohnungen, in denen die Menschen leben, wurden illegal errichtet, ohne Rechtsgrundlage wurden Gewerberäume zu Wohnungen umgewandelt. Was in anarchisch wachsenden südländischen Metropolen wie Athen immer wieder passiert ( z.B. Anafiotika), ist leider auch bei uns möglich, wenn auch nicht regelhaft. Die Fälle Hansastraße, Cruismannstraße und Burgstraße zeigen jedoch, dass solche Fälle auch in Bochum vorkommen.

Besonders schlimm hat es dabei die Bewohner der Burgstraße getroffen, denn die sind nicht nur Mieter, sondern auch Eigentümer der „Wohnungen“. Die STADTGESTALTER bzw. die Fraktion „FDP & Die STADGESTALTER“ haben die Situation sowohl mit Bewohnern der Burgstraße und dem neuen Stadtbaurat erörtert. Die Räumlichkeiten, die man den Bewohnern der Burgstraße als Wohnung verkauft hat, liegen im Gewerbegebiet und es fehlt an einer Baugenehmigung, die eine Wohnnutzung der Räumlichkeiten erlaubt. Der Verkäufer der „Wohnungen“ hat die neuen Eigentümer beim Verkauf damals betrogen. Vergeblich hatte er zuvor immer wieder versucht, eine Genehmigung für seine Räumlichkeiten zu erhalten, um diese in Wohnungen umzuwandeln. Als das nicht gelang, hat er sie einfach auch ohne Genehmigung als Wohnungen verkauft.

Mieter und Eigentümer der Wohnungen zahlen städtische Gebühren und Grundsteuer genau so als würden sie tatsächlich in Wohnungen wohnen. Auch unterscheiden sich die Wohnungen regelmäßig nicht von „richtigen“ Wohnungen. Viele haben ihr gesamtes Erspartes in die Wohnungen investiert. Jetzt sind sie so gut wie nichts mehr wert, denn als Wohnungen verkaufen können die Eigentümer die Räumlichkeiten nicht mehr. Die Fristen, um den Verkäufer für die Schäden in Anspruch zu nehmen sind abgelaufen, der Verkäufer längst tot.

Es fragt sich, ob die Stadt nicht eine Mitschuld an der Misere trägt. Jahrzehntelang ist ihr nicht aufgefallen, dass in städtischen Gewerbegebieten, in denen Wohnen laut Bebauungsplan eigentlich nur in Ausnahmefällen erlaubt ist, Menschen regelhaft ohne entsprechende Genehmigung wohnen. Tatsächlich wusste man im Bauordnungsamt wohl schon länger von der illegalen Wohnnutzung, doch wurde z.B. bei der Burgstraße noch zu Wattenscheider Zeiten und vor dem Verkauf als Wohneigentum von der Politik Wegschauen verordnet.

Auch werden die Räumlichkeiten, die gemäß Baunnutzungrecht keine Wohnungen sind, im Grundbuch durchweg als solche bezeichnet, so dass das Problem den neuen Eigentümern nicht auffallen konnte. Bei der Teilung der Gebäude in Wohnungen bescheinigte das Bauordungsamt im amtsdeutsch zwar deren Abgeschlossenheit, aber nicht, dass die Wohnungen als solche gar nicht genutzt werden dürfen. Denn das sieht das Gesetz, so urteilten die Verwaltungsgerichte, gar nicht vor. So bescheinigt das Bauordnungsamt also, dass eine Wohnung durch Wände und Türen in sich abgeschlossen ist, aber nicht, ob sie gemäß Bebauungsplänen überhaupt zum Wohnen genutzt werden darf. Eine solche Regelung ist erkennbar nutzlos und verfehlt ihren Sinn, hinderte die Gerichte aber nicht an einer entsprechenden Rechtsprechung.

Rechtlich ist die Lage für die Bewohner der Wohnungen also leider ziemlich aussichtslos. Begünstigst durch Filz und Klüngel war es möglich ihnen Räumlichkeiten als „Wohnungen“ zu verkaufen oder zu vermieten. Über die Jahre sind enge Nachbarschaften entstanden. Menschen sind in den „Wohnungen“ alt geworden. Sie jetzt aus ihren Wohnungen zu werfen – ein Unding.

Doch es gilt auch die berechtigten Interessen der Gewerbetreibenden zu berücksichtigen. Sie vertrauen darauf ihren Gewerbebetrieb ausüben zu können. Das ist häufig mit Lärm und anderen Emissionen verbunden, der sich mit Wohnen nicht vereinbaren lässt. An der Cruismann- wie der Burgstraße wurde die Verwaltung letztlich zum Handeln gezwungen, als einzelne Bewohner sich über Lärm der benachbarten Gewerbebetriebe beschwerten.

Andererseits fühlen sich die anderen Bewohner nicht durch den Lärm der benachbarten Betriebe belästigt und wären auch Betriebswohnungen in den Gewerbegebieten erlaubt.

Gleichwohl muss es weiter möglich sein, dass Gewerbebetriebe sich erweitern oder sich neue Betriebe auf den Gewerbeflächen ansiedeln, die ggf. mehr Lärm verursachen als die jetzt dort ansässigen. Die Wohnungen dürfen solchen Entwicklungen auf den Gewerbeflächen nicht entgegenstehen.

Trotzdem sollte es möglich sein, dass die Stadt das Wohnen der jetzigen Bewohner duldet, bis diese ausziehen. So lange die Bewohner gewillt sind die von den umliegenden Gewerbebetrieben ausgehenden Emissionen zu ertragen und sie diese nicht in Gefahr bringen, spricht aus rein praktischen Erwägungen nichts dagegen, dass sie dort auch weiter wohnen bleiben, wo sie bereits seit Jahrzehnten leben.

Klar muss sein, dass die Bewohner keine Ansprüche gegen die Gewerbetreibenden z.B. auf Lärmminderung erheben können und dass eine Vermietung an Nachmieter oder ein Weiterverkauf als Wohnung ausgeschlossen ist.

So lange diese Bedingungen eingehalten werden, stören die Bewohner niemanden und werden auch durch die benachbarten Gewerbebetriebe nicht in Gefahr gebracht. Ein Handlungsbedarf sie aus ihren Wohnungen zu verbannen besteht somit eigentlich nicht. Die Stadt könnte also stillschweigend darauf verzichten, irgendetwas zu unternehmen, was an dem Status Quo etwas ändert und sich kein Bewohner über die benachbarten Gewerbebetriebe beschwert.

Es ist Weihnachten, das Fest der Nächstenliebe, eine gute Zeit für das beschriebene Dilemma eine mutige Lösung zu finden.

Bildnachweis: © Ulrich Franzke / Bochum / http://ulrich-franzke.de

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