27 Aug

Wohneigentum fördern

Der Bochumer Erwin Kowalski ist Rentner. Nach 40 arbeitsreichen Jahren erhält er jetzt 1.374 Euro Rente. Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Für die 90qm-Wohnung müssen er und seine Frau allerdings 650 Euro Kaltmiete zahlen. Für die üblichen monatlichen Ausgaben verbleiben daher nur noch 723 Euro.

Sein Nachbar Horst Henschel, ebenfalls verheiratet und Vater zweier Kinder, Alleinverdiener und gleicher Rente wie Erwin Kowalski verfügt hingegen jeden Monat über die vollen 1.374 Euro, denn er zahlt keine Miete. Die Wohnung haben er und seine Frau vor 30 Jahren gekauft und bis zu seiner Rente vollständig abgezahlt.

Die Wohnung hat heute einen Wert von 162.000 Euro. Diese wird das Ehepaar Henschel seinen Kindern vererben. Vermieten die beiden Kinder dann die geerbte Wohnung, erzielen sie beide ein zusätzliches Einkommen von je 325 Euro/Monat.

Vor seiner Rente hat Familie Kowalski über 30 Jahre hinweg 234.252 Euro Miete an den Vermieter überwiesen, jeden Monat 650 Euro Kaltmiete. Familie Henschel hat im gleichen Zeitraum ebenfalls jeden Monat 650 Euro für die Finanzierung des Wohnungskaufs an ihre Bank überwiesen, 450 Euro für die Tilgung des Bankdarlehns, 200 Euro für die Darlehnszinsen.

Wenn Erwin Kowalski und seine Frau 20 Jahre lang Rente beziehen, dann zahlen sie in diesem Zeitraum nochmal 156.168 Euro an ihren Vermieter. Horst Henschel und seine Frau können sich von diesem Geld das ein oder andere leisten, in den Urlaub fahren oder es für ihre Kinder sparen. Ihre verfügbare Rente ist so hoch, dass sie ihren Kindern und Enkeln finanziell unter die Arme greifen können. Dies wird es den Kindern leichter machen ebenfalls Wohneigentum zu erwerben. Familie Kowalski ist das leider nicht möglich.

Die Entscheidung von Horst Henschel und seiner Frau Wohneigentum zu erwerben, ist für die Familie in jeder Hinsicht von Vorteil. Während Erwin Kowalski und seine Frau im Alter kaum von ihrer Rente leben können, kann Familie Henschel auch im Rentenalter ihren Lebensstandard aufrechterhalten und konnten Vermögen bilden, das auch den nachfolgenden Generationen zu Gute kommt.

Zu geringe Wohneigentumsquote in Bochum und Wattenscheid

Trotz dieser eindeutigen Rechnung (Vergleich Miete zu Kauf) verfügen nur 25% der Bochumer über Wohneigentum, 75% wohnen in Mietwohnungen. Zum Vergleich, in ganz Deutschland leben 53% der Einwohner in der eigenen Wohnung, In den meisten europäischen Ländern liegt die Wohneigentumsquote sogar bei rund 70% und deutlich darüber.

miete vs kaufTrotz vergleichsweise hohen Nettoeinkommen und Renten, verfügen viele Arbeitnehmern in Bochum nach Abzug der Miete im Rentenalter über weniger Geld als Rentner mit Wohneigentum in Griechenland oder Portugal (Rentenvergleich). Die meisten Bochumer und Wattenscheider bilden in ihrem Arbeitsleben gar kein Vermögen.

rentenvergleichIm Ruhrgebiet ist die Lage nicht anders als in Bochum. Die Region verarmt und gerät in eine sich verschärfende soziale Schieflage. Entsprechend kann Bochum nicht mehr Schritt halten mit den Entwicklungen in anderen Großstädten außerhalb des Ruhgebietes. Auch kann der Verlust von Arbeitseinkommen im Falle von Wohneigentum zumindest vorübergehend abgefedert werden.

In Bochum finanzieren die Mieten dagegen insbesondere einige wenige große Wohnungsbaugesellschaften wie die VBW oder Vonovia, die damit Gesamtkapitalrenditen für ihre Anteilseigner von 4–7% erwirtschaften.

Warum Bochumer und Wattenscheider lieber Wohnungen mieten als kaufen

Aber warum leben die Menschen im Ruhrgebiet trotz der gravierenden ökonomischen Nachteile lieber in Mietwohnungen als in der eigenen Wohnung? Dafür gibt es drei wesentliche Gründe:

1. Immer noch wird Mieten als günstiger eingeschätzt als der Kauf einer eigenen Wohnung. Über Jahrzehnte wohnten viele Menschen in Werkswohnungen ihrer Arbeitgeber, die diese quasi als zusätzliche Lohnleistungen zu extrem günstigen Mietkonditionen an ihre Mitarbeiter vermieteten. Mittlerweile wurden diese Wohnungen an Wohnungsbaugesellschaften verkauft, deren Geschäftsmodell vorsieht, die Wohnungen zu vermieten um damit möglichst hohe Gewinne zu erwirtschaften. Die Mietpreise stiegen, die Mietkonditionen verschärften sich.

2. Die meisten Menschen im Ruhrgebiet haben keine Erfahrung mit dem Erwerb von Wohneigentum, sie können das finanzielle Risiko kaum einschätzen und sparen nicht auf einen Wohnungskauf. Für den Erwerb von Wohneigentum gibt es keine Tradition wie etwa in Schwaben. In Familien, die bereits Wohneigentum besitzen, ist es fast immer selbstverständlich, dass auch Kinder und Enkel Eigentum erwerben. Aufgrund bereits vorhandenen Wohneigentums sind Eltern und Großeltern auch regelmäßig in der Lage nachfolgende Generationen beim Erwerb von Wohnung finanziell zu unterstützen.

3. Die Politik in Bochum sieht es bisher nicht als ihre vordringliche Aufgabe an, den Menschen bei dem Erwerb von Wohneigentum zu helfen. Dabei schützt Wohneigentum die Menschen im Alter vor Armut. Der Aufbau von Vermögen durch Wohneigentum sichert den Familien ein höheres verfügbares Einkommen, ggf. sogar Einnahmen aus Vermietungen. Mit steigender Wohneigentumsquote steigt auch der Lebensstandard einer Stadt, der zunehmenden Verarmungstendenz wird entgegengewirkt.

Trotz der erheblichen sozialen Vorteile, die mit Wohneigentum verbunden sind, will die Politik in Bochum weiterhin preisgünstigen Mietwohnraum schaffen, statt den Menschen zu Wohneigentum zu verhelfen. Statt die Menschen direkt zu unterstützen, damit sie wie Horst Henschel und seine Frau im Alter über 650 Euro/Monat mehr Rente verfügen, werden die großen Wohnungsbaugesellschaften gefördert, damit diese mehr Mietwohnungen bauen und höhere Gewinne erwirtschaften können. Diese Politik verfehlt erkennbar das soziale Ziel, den Menschen preisgünstiges Wohnen in Bochum zu ermöglichen. Sie dient vielleicht dazu Vonovia am Standort Bochum zu halten, den Einwohnern der Stadt nutzt sie wenig und geht am Bedarf vorbei. Das Wohnungsmarktbarometer belegt, der Wohnungsmarkt ist nicht im Bereich der Mietwohnungen angespannt, sondern im Bereich der Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser (Wohnungsmarktbarometer 2015).

Es ist höchste Zeit umzudenken, insbesondere für die SPD, die sich in besonderer Weise als soziale Partei versteht. In der Wohnungspolitik muss die Bereitstellung von Wohneigentum in das Zentrum der Bemühungen rücken. Der Kreis derer, die hier im Fokus der städtischen Förderung stehen sollten, sind Familien oder Alleinerziehende mit mindestens einem Kind. Zudem sollte nur der Erwerb von Eigentumswohnungen unterstützt werden. Der Erwerb von Wohneigentum durch kinderlose Doppelverdiener oder der Erwerb von Einfamilienhäusern bedarf hingegen keiner städtischen Unterstützung.

Konzept zur städtischen Unterstützung des Erwerbs von Wohneigentum

Angesichts dessen, dass die Stadt über kaum finanzielle Mitte verfügt, wird statt direkter finanzieller Hilfe folgendes Fördermodell vorgeschlagen:

Priorität beim Neubau von Eigentumswohnungen – Auf den neuen Flächen, die von der Stadt jetzt für neue Wohnbebauungen bereitgestellt werden sollen, lässt die Stadt bevorzugt Gebäude mit Eigentumswohnungen bauen. Zu diesem Zweck sollte die Stadt auch auf die städtische Wohnungsbaugesellschaft VBW zurückgreifen.

Umwandlung der Wohnungen von sanierungsbedürftigen Wohngebäuden in Eigentumswohnungen – Daneben sollte ein städtisches Programm aufgelegt werden, mit dem sanierungsbedürftige Wohngebäude aufgekauft, saniert und aufgeteilt in Eigentumswohnungen wiederverkauft werden. Bei diesem Programm sollten insbesondere Stadtteile im Fokus stehen, in denen mit der Sanierung der Gebäude eine positive Entwicklung der Stadtteile unterstützt werden kann (u.a. Wattenscheid, Hamme, Gerthe, Westend, Hustadt).

Wohneigetum für Familien und Alleinerziehende mit mindestens einem Kind – Die Wohnungen sollten an Familien und Alleinerziehende mit mindestens einem Kind verkauft werden.

Risikominimierung bei der Finanzierung – Die Stadt räumt den Käufern für den hoffentlich seltenen Fall, dass sie die Abzahlung des aufgenommen Wohnungsdarlehens, z.B. aufgrund von erheblichen Einkommensverlusten nicht mehr stemmen können, ein Rückverkaufsrecht zum ursprünglichen Kaufpreis ein. Tritt z.B. der Fall ein, dass ein Käufer seine Arbeit verliert und keine neue mehr findet, kauft die Stadt die Wohnung zurück. Mit dem Kaufpreis kann dann die Familie alle finanziellen Belastungen, die aus dem Kauf der Wohnung resultieren, sofort tilgen.

Verkauf im Rohzustand – Die Wohnungen sollten bevorzugt im Rohzustand verkauft werden. So können die Familien eigene Leistungen einbringen, um die Wohnungen einzurichten und auszustatten, insbesondere die Bäder oder hinsichtlich der Boden- und Wandbeläge sowie der Deckenverkleidungen. Alternativ können die Käufer die Leistungen mit Hilfe von Verwandten und Freunde erbringen oder wenn beides nicht verfügbar ist, durch selbst beauftragte Handwerker. Diese Möglichkeiten helfen den Käufern die Kosten des Wohneigentumkaufs wirksam zu reduzieren.

Beratungsstelle zum Erwerb von Wohneigentum – Die Stadt richtet, ggf. mit Unterstützung der VBW, für Interessierte eine Beratungsstelle zum Erwerb von Wohneigentum ein, die den Menschen den Weg zum Wohneigentum ebnen soll. Die Stelle berät und hilft potentiellen Käufern die erforderlichen Schritte beim Kauf von Wohneigentum möglichst reibungslos zu bewerkstelligen.

Errichtet die städtische Wohnungbaugesellschaft VBW Wohnungen und verkauft sie, so erfolgt der Verkauf mit der marktüblichen Rendite.

Fazit: Denkbar sind anstelle des vorgeschlagenen städtischen Förderkonzeptes noch viele andere Möglichkeiten wie die Stadt den Erwerb von Wohneigentum unterstützen kann. Wichtig ist letztlich, dass die Stadt den Fokus ihrer Wohnungsbaupolitik grundlegend ändert und zukünftig die Priorität darauf legt, die Einwohner wirkungsvoll dabei zu unterstützen Wohneigentum zu erwerben, besonders um den Lebensstandard in der Stadt anzuheben und der Verarmung von Rentnern entgegen zu wirken.

Die positiven Effekte sind vielfältig: Den Familien wird es so möglich gemacht Vermögen zu bilden, das in der Regel an Kinder und Enkel weiter gegeben wird. Der entsprechende Wohnungsneubau schafft darüber hinaus automatisch frei werdenden Wohnraum in Mietwohnungen. Durch die Schaffung von erheblich mehr Eigentumswohnungen wird zudem der Kaufpreis der Wohnungen sinken. Mehr Einwohner werden durch ihr Wohneigentum an die Stadt gebunden. Mit dem Erwerb von Wohneigentum erwerben die Einwohner einen kleinen Teil ihrer Stadt. Wohneigentümer engagieren sich daher mehr für ihr Stadtviertel und ihre Wohnumgebung. Die zusätzliche Kaufkraft der Rentner mit Wohneigentum fließt zu einem großen Teil in die städtische Wirtschaft. Der Abwanderung von Menschen, die in der Stadt bisher vergeblich nach Wohneigentum suchen, wird wirksam entgegengewirkt. Die Stadt spart erhebliche Ausgaben für die Grundsicherung, die sie heute für Menschen im Alter zahlt, wenn diesen nach Abzug der Miete von der Rente nicht genug verbleibendes Einkommen verbleibt.

Das Ziel der Stadt sollte es also sein in den nächsten 30 Jahren den Anteil der Menschen, die in ihrer eigenen Wohnung leben, auf 50% zu verdoppeln.

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