16 Jan

Scheitert die Stadt Bochum an den Herausforderungen der Flüchtlingskrise?

Der Zustrom der Flüchtlinge nimmt auch in Zukunft nicht ab. Denn auch auf absehbare Zeit werden die Fluchtursachen nicht verschwinden. Auf die mit der Zuwanderung verbundenen Herausforderungen muss sich die Stadtverwaltung schon seit 2014 einstellen.

Notunterkunft in einer Turnhalle, Quelle: Franz Ferdinand Photography

Doch ist die Stadt mittlerweile in der Lage, die sich aus der Migration ergebenden Aufgaben und Anforderungen zu bewältigen? Nachdem zunächst relativ planlos Unterkünfte beschafft und belegt wurden, weil der Zustrom unterschätzt wurde, müsste es mittlerweile einen Plan geben, der zumindest eine geordnete Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge sicher stellt. Der Zustrom der Flüchtlinge ist seit Monaten relativ absehbar, ebenso wie die Zahl der zurück reisenden Menschen kalkulierbar ist.

Auch die Ziele des städtischen Handelns sind seit Mitte 2015 klar definiert:

  • Eine menschenwürdige Unterbringung der ankommenden Menschen in festen, möglichst übersichtlichen Unterkünften.
  • Freizug der Turnhallen im ersten Quartal 2016, damit diese wieder dem Schul- und Vereinssport zur Verfügung stehen.
  • Beschleunigung aller Verwaltungsabläufe, die mit dem Aufenthalt und der Unterbringung der Flüchtlinge verbunden sind, um wertlose Warte- und Aufenthaltszeiten der Flüchtlinge zu vermeiden und die Kosten für die Stadt in einem vertretbaren Rahmen zu halten.
  • Organisation zur Integration der Flüchtlinge in die Stadtgesellschaft, insbesondere der Kinder und Jugendlichen in den Schulen und durch das Angebot von Sprachkursen.
  • Vorausschauende Planungs- und Entscheidungsabläufe, die rechtzeitige und geordnete politische sowie kostensparende Entscheidungen erlauben.
  • Die Hauptlast der Organisation und Versorgung der Flüchtlinge soll von der städtischen Verwaltung getragen werden, um die ehrenamtlich tätigen Bürger auf Dauer zu entlasten.

Werden die Ziele mittlerweile erreicht?

Bei den letzten Ratssitzungen bekamen die Ratsmitglieder teilweise erst Stunden vor der Ratssitzung Beschlussvorlagen der Verwaltung vorgelegt, mit denen die Errichtung neuer Flüchtlingsunterkünfte beschlossen werden sollten. So wurde es der Politik unmöglich gemacht, sich vernünftig und ausreichend mit den Vorlagen zu beschäftigen. Trotzdem musste die Politik die Vorlagen durchwinken, um zu vermeiden, dass Flüchtlinge in Bochum und Wattenscheid ohne Obdach leben müssen, weil ihnen Stadt keine Unterkunft zuweisen konnte.

Auch war die Stadt regelmäßig nicht in der Lage Handlungsalternativen vorzulegen. Regelmäßig gab es nur ein eine Vorlage bzw. ein Angebot, wie und wo die Flüchtlinge unterbringen zu seien. Für die Prüfung von Alternativen fehlte die Zeit.

Die Politik hatte gefordert, dass entsprechende Entscheidungen zukünftig anders, insbesondere vorausschauend und geordnet getroffen werden sollen. Doch auch vor der Ratssitzung am 27.01. ist wieder absehbar, dass die Verwaltung dem Rat erneut eine alternativlose Entscheidung im Schnellverfahren abverlangen wird, um den kurzfristigen Aufbau von Unterkünften für mindestens weitere 700 Flüchtlinge vornehmen zu können.

Der Bedarf an Unterkünften ist seit Monaten bekannt. Warum werden die Pläne der Verwaltung erneut erst wenige Tage vor der Ratssitzung der Politik bekannt gemacht, so dass eine Prüfung der Pläne und von Alternativen praktisch unmöglich ist?

Wenn offenbar auch diesmal wieder nur ein Angebot eines Anbieters der Unterkünfte vorliegt und Alternativangebote nicht eingeholt werden,  wundert es nicht, dass die Unterbringung der Flüchtlinge für die Stadt vergleichsweise teuer wird. Da wundert es nicht, dass die Unterbringung der Flüchtlinge für die Stadt vergleichsweise teuer wird. Es ist nicht zu erkennen, dass die Verwaltung alle Möglichkeiten ausschöpft, möglichst kostensparende Lösungen für die Unterkünfte zu finden.

Auch den eigentlich für das erste Quartal 2016 in Aussicht gestellten Freizug der Turnhallen stellt die Verwaltung jetzt in Frage. Offenbar ist man bei der Bereitstellung der Unterkünfte von falschen Zahlen hinsichtlich der unterzubringenden Menschen ausgegangen, so dass absehbar die Zahl der Unterkünfte nicht ausreicht, um auf die Unterbringung von Flüchtlingen in den Turnhallen zu verzichten.

Werden die Turnhallen nicht zum ersten Quartal 2016 freigezogen, wie bisher geplant und von der Politik den Bürgern entsprechend avisiert, leidet die Glaubwürdigkeit der Politik massiv und der Rückhalt für die bisherige Flüchtlingspolitik schwindet weiter. An diesem Punkt ist die Verwaltung in der Pflicht, die Zusagen einzuhalten. Die Politik hat dafür Sorge zu tragen, dass die Verwaltung entsprechend handelt.

Auch die Integration der Kinder und Jugendlichen an den Schulen gelingt offenbar bisher nicht halbwegs zufriedenstellend. Viele Schulleiter melden, dass ihre Schulen mit den Aufgaben derzeit überfordert sind. Eine Strategie, wie die Probleme zukünftig in Angriff genommen werden sollen, fehlt. Absichtserklärungen gibt es viele, fehlende Klassenräume werden durch Container ersetzt, die Kontingente für Sprachkurse wurden deutlich aufgestockt, aber diese Maßnahmen werden nicht ansatzweise ausreichen, um die Aufgaben, insbesondere die jungen Flüchtlinge in absehbarer Zeit in die Schulen zu integrieren, zu erfüllen. Die Schulentwicklungspläne sind längst Makulatur (siehe auch Antrag der Fraktion „FDP und Die STADTGESTALTER“). Doch die Verwaltung arbeitet weiterhin zu träge. Sie scheint nicht in der Lage zu sein beschleunigt Pläne zu entwickeln, die den Anforderungen gerecht werden. Dabei ist jeder Monat, in dem die Maßnahmen für die Integration nicht ausreichen, für alle Betroffenen ein verlorener Monat. Die unternommenen Anstrengungen sind offenbar weiterhin unzureichend, die Ziele werden auch hier nicht erreicht.

So organisieren auch weiterhin ehrenamtlich tätigen Bürger einen wesentlichen Teil des Lebens der Flüchtlinge in den Unterkünften. Ohne sie geht es nicht. Absehbar ist aber ebenfalls, auf Dauer kann von einem so hohen Engagement der Bürger wie bisher nicht ausgegangen werden kann. Wie die Verwaltung hier einspringen will, ist nicht erkennbar. Auch liegen bisher keine durchgreifenden Pläne vor, wie die Verwaltungsabläufe, die mit dem Aufenthalt der Flüchtlinge verbunden sind, gestrafft werden können, um wertlose Warte- und Aufenthaltszeiten der Flüchtlinge zu verringern und die Kosten für die Stadt in einem vertretbaren Rahmen zu halten.

Fazit: Betrachtet man die Maßnahmen der Verwaltung, um die Flüchtlingskrise zu bewältigen, dann kommt man zu dem Schluss, dass diese weiterhin unzureichend sind. Auch gewinnt man nicht den Eindruck, dass es einen schlüssigen Gesamtplan gibt, um die seit Monaten bekannten Probleme zukünftig in den Griff zu bekommen.

Um aber den Rückhalt für die bisherige Flüchtlingspolitik in weiten Teilen der Bevölkerung zu erhalten, ist es unerlässlich, dass Verwaltung und Politik glaubwürdig handeln und die Menschen darauf vertrauen können, dass die Stadt die notwendigen Maßnahmen ergreift, um eine geordnete Unterbringung der Flüchtlinge zu gewährleisten und alles erforderliche getan wird, damit die Integration der Migranten gelingt.

Bisher ist die Verwaltung offenbar nicht so aufgestellt diese außerordentlichen Herausforderungen bewältigen zu können. Es fehlt offenbar an der erforderlichen Organisation wie an einem Gesamtplan. Zunächst ist hier eigentlich der Oberbürgermeister gefordert. Zu überlegen ist auch, ob man die bestehenden Abläufe nicht von kompetenter und unabhängiger Seite, z.B. durch das Rechnungsprüfungsamt, untersuchen lassen sollte, um von kompetenter und unabhängiger Seite zu erfahren, wo Defizite und Verbesserungspotentiale liegen und um Vorschläge zu erhalten, wie sich die Abläufe und die Organisation konkret verbessern lassen.

Kurzfristig hat die Verwaltung die Zusage zu erfüllen, so viele Flüchtlingsunterkünfte bereitzustellen, dass die Turnhallen wieder frei gezogen werden können, um diese wieder dem Schul- und Vereinssport zur Verfügung zu stellen. Gelingt das nicht, stellt sich zudem die Frage, wer im Verwaltungsvorstand der Stadt hierfür die Verantwortung zu übernehmen hat.

Die Bochumer Stadtpolitik ist am Zug. Und zwar jetzt.

Ein Gedanke zu „Scheitert die Stadt Bochum an den Herausforderungen der Flüchtlingskrise?

  1. Ja, die Situation an den Schulen ist alles andere als befriedigend. Es braucht nämlich nicht nur die nötigen Deutschkenntnisse, um sich in das hiesige Schulleben integrieren zu können. Oftmals verfügen die neu zugewanderten Kinder auch nicht über das notwendige Lernstandsniveau in Fächern wie Mathematik und Englisch. Die Gründe hierfür sind vielfältiger Natur. Um die neu zugewanderten Kinder zu einem qualifizierten Schulabschluss zu bringen, braucht es daher mehr als den üblichen DaZ-Unterricht.

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