Millionenschaden – Bochumer Verwaltung lässt Akten verschimmeln
Seit Jahrzehnten lagern Akten in den Kellern des historischen Bochumer Rathauses. Die Keller sind seit jeher feucht und staubig. Was passiert mit Akten unter diesen Bedingungen? Auch die Akten werden feucht, staubig und fangen schließlich an zu schimmeln. Für die Lagerung von Akten sind die Keller eines Gebäudes, das in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts gebaut wurde, denkbar ungeeignet. Das sollte eigentlich auch die Bochumer Verwaltung wissen. Doch passiert ist nichts. Jetzt musste die Verwaltung zugeben, große Teile der Akten sind bereits verschimmelt. Bis zu 3.000m müssen dekontaminiert werden. Kosten für die Stadtkasse: voraussichtlich 2,1 Mio. Euro. Mal wieder ist der Stadt ein Millionenschaden entstanden, weil die Verwaltung nicht vorausschauend gehandelt hat.
Und noch immer liegt kein Konzept vor, wie mit den Akten aus den Rathauskellern weiter verfahren werden soll. Das drängende Problem ist spätestens seit Anfang des Jahres bekannt. Mindestens 9 Monaten sind vergangen, ohne dass die Verwaltung ein entsprechendes Konzept vorgelegt hat.
Viele Fragen bleiben daher bisher ungeklärt:
- Wie viele verschimmelte Akten müssen dekontaminiert werden, wie viele sind „nur“ staubig oder feucht?
- Wie viele Akten müssen aus dem alten Rathaus ausgelagert werden?
- Wie soll mit den Akten weiter verfahren werden? Digitalisierung, Fremdeinlagerung, Einlagerung in eigenen städtischen Gebäuden, Einlagerung in angemieteten Räumen?
- Welche der betroffenen Akten müssen noch wie lange archiviert werden?
Niemand weiß bisher, wie viele Akten an welchem Ort wie lange ggf. noch gelagert werden müssen. Trotzdem will die Verwaltung nun für 10 Jahre fast 3.500qm im BP-Gebäude an der Wittener Straße für 3,5 Mio. Euro anmieten. Für die Lagerung von 3.000m Akten, um die es gemäß der vorliegenden Verwaltungsmitteilung bisher geht, werden gem. der Archivierungsrichtlinien des Landes NRW nur max. 600qm benötigt. Die Anmietung von 3.500qm bei nur benötigten 600 qm würde also eine beispiellose Geldverschwendung bedeuten.
Befremdlich, zwar weiß die Verwaltung mangels Konzept noch nicht, wie viel Fläche sie zur Aktenlagerung dauerhaft benötigt, aber eine Immobilie will sie schon mal anmieten. Vergleichskalkulationen zu anderen Mietobjekten hat sie trotz des horrenden Mietpreises von 3,5 Mio. für zwei Untergeschosse nicht angestellt, da sich die BP-Immobilie so „hervorragend“ eignen würde. Auch hat nicht etwa die Stadt nach einer geeigneten Immobilie gesucht. Mangels Archivierungskonzept bestand dazu ja noch gar kein Anlass, sondern die Vermietergesellschaft der BP-Immobilie habe bei der Stadt nachgefragt, ob diese die Räumlichkeiten nicht anmieten wolle.
Wie muss man sich das vorstellen? Vermietergesellschaften rufen die Wirtschaftsförderung an und die fragt in allen städtischen Ämtern nach, ob nicht dort in irgendeinem Amt in naher Zukunft ein Mietbedarf bestehen könnte, damit der Vermieter seine Räume vermietet bekommt? Diese Art der Betreuung von Vermietungsgesellschaften durch die Wirtschaftsförderung wäre neu.
Der BP-Deal
Weshalb die Stadt 3.500qm anmieten will, um dort Akten unter zu bringen, für die nicht mehr als 600qm Lagerfläche benötigt werden, erschließt sich nicht. Die Anmietung im BP-Gebäude muss ganz offensichtlich einen anderen Hintergrund haben. Tatsächlich war es, wie inoffiziell aus Kreisen der Verwaltung zu hören ist, so: BP wollte Ende 2014 aufgrund des beabsichtigten Personalabbaus von 1.200 auf 800 Mitarbeiter einen Teil der angemieten Flächen loswerden um Mietzahlungen zu sparen. Verständlicher Weise wollte die Vermietergesellschaft die ganze Immobilie aber nur vollständig vermieten. Für die von BP aufzugebende Fläche ein neues Unternehmen als Mieter zu finden, schien aufgrund der verschachtelten Gebäudestruktur jedoch so gut wie unmöglich. Also versprach die Stadt als Mieter der unvermietbaren Flächen einzuspringen. Sonst wäre der Mietvertrag mit BP ausgelaufen und BP hätte Bochum verlassen, die Vermietergesellschaft hätte die Immobilie in kleinteiligere Büroeinheiten umgebaut und an andere kleine bis mittelgroße Unternehmen vermietet.
Ein Bedarf die verschimmelten Akten im BP-Gebäude unterzubringen besteht jedenfalls nicht. Allerdings musste die Stadt aufgrund der genannten Umstände gegenüber den Bürgern einen Grund finden, um die von der BP aufgegebenen Flächen anmieten zu können. Die angeblich erforderliche Umlagerung der Akten ist dafür nur ein (schlechter) Vorwand.
Grundsätzlich ist es richtig, wenn die Stadt alles tut, um BP in Bochum zu halten. Die beabsichtigte Anmietung stellt allerdings eine unzulässige Hilfe für die BP dar. Am Ende spart die BP auf städtische Kosten 3,5 Mio. Mietzahlungen. Besser also, die Stadt verschweigt den wahren Grund für die beabsichtigte Anmietung. In der Weise wie die Stadt Großunternehmen entgegen kommt, müsste sie eigentlich auch kleinen Unternehmen unter die Arme greifen. Folgerichtig müsste sie auch die Garage eines Handwerkers anmieten, wenn dieser sie nicht mehr benötigt und auf diese Weise die Mietkosten für seinen Betrieb senken will, um seinen Gewinn zu erhöhen.
SPD und Grüne versuchen das Problem zu ignorieren
Auch liegt der Verwaltung mittlerweile ein Angebot vor, in dem ein Unternehmen die Archivierung der Akten für die Hälfte der Kosten anbietet. Fatal, SPD, Grüne und Verwaltung ignorieren Alternativen zur Anmietung der BP-Immobilie aber bisher. Die Mitglieder der rot-grünen Mehrheit im Rat hinterfragen das von der Verwaltung vorgeschlagene Anmietungsgeschäft leider erst gar nicht. Obwohl es offensichtlich ist, dass es deutlich günstigere Möglichkeiten gibt, die Akten anderweitig zu lagern und zu digitalisieren und bei einer städtischen Anmietung der BP-Immobilie Millionen verschwendet werden, haben sie der Anmietung im Planungs- und Grundstücksausschuss des Rates ohne Vorbehalte zugestimmt. So lange Rot-Grün nicht gewillt ist sich ernsthaft mit derart unausgereiften Verwaltungsvorlagen auseinander zu setzen, entstehen auch hier wieder Millionen unnötige Kosten, wie bei so vielen städtischen Geschäften zuvor, deren Folgekosten der Stadt heute finanziell schwer im Magen liegen und ein wesentlicher Grund sind, warum der Schuldenberg seit Jahrzehnten wächst und wächst.
Keine Anmietung ohne schlüssiges Archivierungskonzept
Die Ratsfraktion „FDP & STADTGESTALTER“ hat im Haupt- und Finanzausschuss des Rates beantragt, dass erst über eine Anmietung von Lagerflächen nachgedacht wird, wenn ein schlüssiges Archivierungskonzept vorliegt und insbesondere der Bedarf an dauerhaft benötigter Lagerfläche klar ist.
Nach bisheriger Vorstellung der Verwaltung wird die Dekontaminierung und die zukünftige Lagerung der Akten für 10 Jahre die Stadt mindestens 5,6 Mio. Euro kosten. Das sollte deutlich kostengünstiger gehen. Ein konkreter von den STADTGESTALTERN und FDP entwickelter Vorschlag sieht folgendes vor: Nachdem die jetzt in der Turnhalle am Westring 32 untergebrachten Flüchtlinge eine neue Bleibe gefunden haben, könnte man hier mindestens 3.000m Akten kurzzeitig unterbringen und dort in direkter Nähe zum Rathaus dekontaminieren und digitalisieren. Kosten bei diesem Vorgehen: nur 2,5 Mio. Euro. Digitalisiert man die Akten nicht und bringt sie stattdessen bei einem Fremdanbieter unter, lägen die Kosten immer noch unter 3 Mio. Euro.
Die Stadt kann es sich nicht leisten Millionen zu verschwenden, weil die Verwaltung nicht Willens oder in der Lage ist für die Akten ein kostengünstiges Archivierungskonzept zu erarbeiten und zu realisieren. Die Politik – also auch SPD und Grüne – tragen dafür die Verantwortung, dass keine millionenschweren Entscheidungen getroffen werden, ehe die Verwaltung kein schlüssiges Konzept vorlegt, das alle möglichen Handlungsalternativen beim weiteren Umgang mit den Akten inklusiver nachvollziehbarer Kostenkalkulationen sauber aufzeigt.
Will die Stadt Unternehmen wie die BP entlasten, dann bitte nicht durch einseitige, undurchsichtige Kompensationsgeschäfte. Stattdessen könnte die Stadt die Gewerbesteuer senken, das würde kleinen, mittleren und großen Unternehmen in gleichem Maße zu Gute kommen.
Bildnachweis: Arnoldius
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