Aufklärung umgehend nötig
UPDATE 05.05.15:
Hier unsere Anfrage, die wir zusammen mit UWG, FDP und PirateRat für die Sitzung am 07.05.15 gestellt haben:
Anfrage: Jugendhilfemaßnahmen mit Auslandsbetreuung
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Hat Bochumer SPD-Ratsmitglied mit Heimkindern Kasse gemacht?
Die Unternehmung Life Jugendhilfe GmbH des Bochumer SPD Ratsmitgliedes Gerhard Lichtenbergers soll hilfebedürftige Jugendliche zur Entlastung der Jugendheime in Ungarn in billigsten Unterkünften untergebracht und mit diesem Geschäftsmodell Kasse gemacht haben. So lautet der Vorwurf des ARD-Magazins Monitor (Reportage vom 30.04.15).
In dem Bericht wird an einem Jungen dargestellt, wie das Geschäft der Life Jugendhilfe GmbH ablaufen soll: Findet das Jugendamt im Ruhrgebiet (in diesem Fall Dorsten) für einen Jugendlichen kein passendes Heim, beauftragt es die Life Jugendhilfe GmbH, damit diese das Leben des Jugendlichen organisiert und ihn im Ausland unterbringt. Im konkreten Fall auf einem verwilderten Hof, wo statt ausgebildeter pädagogischer Kräfte ein kaum des Deutschen mächtiger 64-jähriger Handwerker die Betreuung übernimmt. Ein Schulbesuch ist dabei nicht vorgesehen. Ging der Jugendliche im konkreten Fall auf ein Gymnasium bevor er nach Ungarn geschickt wurde, hat er jetzt zwei Mal in der Woche 2 Stunden Unterricht bei einer Webschule. Interessant, Geschäftsführerin dieser Webschule ist die Tochter des Bochumer SPD Ratsmitgliedes Gerhard Lichtenbergers, Sarah Lichtenberger.
Das ganze ist lukrativ, fast 7.000 Euro pro Monat erhält Lichtenbergers Firma, 800 Euro das Unternehmen seiner Tochter.
Eigentlich ist eine Unterbringung von Jugendlichen im Ausland nur in absoluten Ausnahmefällen möglich, nämlich nur dann, wenn notwendige und geeignete Hilfe unter den Rahmenbedingungen des Inlands nicht gelingt bzw. gelungen ist und die besonderen Rahmenbedingungen des im Ausland (z. B. Infrastruktur und Landschaft), verbunden mit dem dortigen individuellen pädagogischen Konzept, die Möglichkeit bieten, Kinder und Jugendliche zu erreichen (mit den Zielen einer Neuorientierung und Anstößen zu Verhaltensänderungen). Rechtsgrundlage für diese Möglichkeit ist § 35 SGB VIII (Hilfe für Kinder und Jugendliche im Ausland).
Dass die Dienstleistungen der Life Jugendhilfe GmbH diesen Anforderungen offenbar nicht halbwegs gerecht werden können, schien die Verantwortlichen in einigen Jugendämtern im Ruhrgebiet jedoch nicht zu interessieren oder es wollte sie gar nicht interessieren. Eigentlich sollte es aber doch ihre Verpflichtung und ihr Anspruch sein, sicher zu stellen, dass die Life Jugendhilfe GmbH die Jugendlichen auch so betreuen lässt, wie es ein individuell pädagogisches Konzept und das Gesetz vorsehen. Spätestens, als die Jugendlichen zurückkamen, hätte durch einfache Befragung auffallen müssen, dass die Bedingungen anscheinend nicht ansatzweise erfüllt wurden.
In einer Gegendarstellung zu der Monitor-Reportage rechtfertigt das Jugendamt Dorsten die Beauftragung der Live Jugendhilfe GmbH im Wesentlichen mit dem bisher guten Ruf des Unternehmens, der nicht gesetzlich geregelten Kontrollpflicht sowie damit, dass das Unternehmen laut Leistungsbeschreibung und Angebot alle Anforderungen erfüllt habe. Gegenüber Monitor erklärten jedoch ungarische Betreuer vor Ort, dass dies in der Realität nicht der Fall sei und die Jugendlichen dort regelmäßig nicht individuell pädagogisch betreut, sondern nur verwahrt würden.
Nur ein Netz aus Filz und Klüngel, gegenseitigem Vertrauen und mangelnder Kontrolle konnte das offensichtliche Versagen in den Jugendämtern möglich machen. Die Beteiligten sind zum großen Teil Parteifreunde und hängen über die verschiedenen Institutionen der Jugendhilfe in Gelsenkirchen und Wattenscheid zusammen. Gerhard Lichtenberger ist Vorsitzender des SPD-Stadtbezirks Süd in Bochum und für seine Partei Mitglied im Rat der Stadt, die Beziehungen zu Ungarn hatte bereits sein Vorgänger Prof. Dr. Hellmuth Burchhardt geknüpft (Ev. Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid). Die in die Sache ebenfalls involvierten und jetzt deshalb beurlaubten Leiter des Jugendamts Gelsenkirchen, Alfons Wissmann, und dessen Stellvertreter Thomas Frings, sind ebenfalls Mitglieder der SPD (WAZ vom 01.05.15).
Der ebenfalls in der Jugendhilfe tätige unabhängige Oberbürgermeister-Kandidat Omid Pouryousefi nimmt zu dem Skandal wie folgt Stellung: „Mit Heimkindern eiskalt Kasse zu machen, ist abscheulich und ein Skandal. Dass ein Mitglied des Bochumer Rates, ein Politiker unserer Stadt, darin verwickelt ist, bedarf sofortige Aufklärung seitens der Partei und des gesamten Rates!
Ich erwarte, dass Herr Lichtenberger, wenn sich die Angelegenheit weiter bestätigt, mit sofortiger Wirkung von allen seinen Ämtern zurücktritt. Ich beschäftige mich und arbeite seit Jahren mit Kindern und Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen und kann versichern, dass wir hier vor Ort mit minimalen Mitteln erfolgreich und nachhaltig helfen können.“
Nach Aussage eines Verantwortlichen aus dem Bochumer Jugendhilfebereich, der ungenannt bleiben will, arbeitet auch das Jugendamt Bochum mit der Life Jugendhilfe GmbH zusammen und haben Vater und Tochter Lichtenberger auch von der Stadt Bochum erhebliche Beträge für ihre Dienstleistungen erhalten. Laut einer weiteren Quelle wurde die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen in den letzten Jahren allerdings stark zurückgefahren.
Mit einer überparteilichen Anfrage soll daher nun für Bochum insbesondere geklärt werden:
– Wurden auch vom Bochumer Jugendamt Kinder nach Ungarn oder sonst wohin in Heime verbracht. Wenn ja wie viele, seit wann und warum?
– Wurde, wenn ja, dazu die Fa. Life Jugendhilfe GmbH, Geschäftsführer Gerhard Lichtenberger (Ratsmitglied der SPD), hierzu beauftragt? Was für Gelder sind ggf. dafür geflossen?
– In wie weit war ggf. auch die Web-Individualschule GmbH involviert?
Aus den Kreisen von FDP/ UWG, STADTGESTALTERN, Grünen und Piraten im Rat war bereits zu hören, dass diese eine gemeinsame Anfrage unterstützen wollen.
Überdies soll Gerhard Lichtenberger (SPD) aufgefordert werden, zu der Angelegenheit im Rat eine persönliche Erklärung abzugeben. Sollten sich die Vorwürfe auch nur annähernd bestätigen, wäre ein Rücktritt die einzig mögliche Konsequenz.
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