Jahr für Jahr weniger städtisches Geld für Schülerinnen und Schüler
Seit Jahren sinken die städtischen Ausgaben für Schulen und Bildung in Bochum. Pro Schülerin und Schüler wird immer weniger ausgegeben. Immer noch nicht hat die Politik erkannt, dass die Ausbildung der Kinder für die Zukunft der Stadt von maßgeblicher Bedeutung ist.
2018 gab die Stadt noch knapp über 1.600 Euro pro Schüler*in aus, 2019 waren es nur noch 1.260 Euro (-340 Euro), 2020 noch mal 100 Euro weniger, nämlich 1.160 Euro. Die Ausgaben pro Kopf sanken also im Zeitraum 2018 bis 2020 um 28%. Besonders fatal der Rückgang der Ausgaben bei den Grundschulen, hier sanken die Ausgaben pro Kopf sogar um knapp über 30% (Mitteilung 20213696, Angaben der Stadt summiert).
Die Stadt spart am falschen Ende
Etwas über 42.000 Schüler*innen gehen in Bochum zur Schule. Die Stadt gibt an 2018 noch 68,5 Mio. für die Schulbildung der Kinder und Jugendlichen bereitgestellt zu haben, 2019 waren es noch 53 Mio., 2020 nur noch 48,9 Mio. (Mitteilung 20213696, Angaben der Stadt summiert).
Investiert die Stadt nicht ausreichend in Schulen und Bildung, nimmt das vielen Kinder die Chance in ihrem Schulleben, die immer wichtiger werdenden Schulabschlüsse bzw. die notwendigen Fähigkeiten zu erwerben, die Voraussetzung sind, um später einen qualifizierten Berufsabschuss und eine gut bezahlte Arbeit zu bekommen. Die Folge ist, die Stadt muss fehlendes Einkommen durch Transferleistungen, wie Grundsicherungen oder “Harz IV” ausgleichen. 14,9% der Einwohner*innen Bochums sind derzeit von Transferleistungen abhängig. Das belastet nicht nur die Stadtkasse mit 3-stelligen Millionenbeträgen, sondern im Besonderen auch die betroffenen Menschen. Ohne irgendeine Perspektive dauerhaft auf die Hilfe von Stadt und Staat angewiesen zu sein, beeinträchtigt Menschen unter Umständen ihr Leben lang. Schulische Bildung ermöglicht eine freie Berufswahl des und eine Selbstbestimmung über den persönlichen Lebensweg. Bestmögliche Bildung hilft, Lebensträume von Individuen zu erfüllen, wie ein schlechtes Bildungsangebot persönliche Lebensträume zerstört.
Ohne gute Schulbildung, kaum Chancen auf gut bezahlte Arbeit
8.000 Langzeitarbeitslose zählt die Stadt. fast ein Viertel davon hat keinen Schulabschluss, 37 % einen Hauptschulabschluss, fast 70% haben keinen Berufsabschluss. Die wesentliche Ursache für die Langzeitarbeitslosigkeit liegt somit in den fehlenden Qualifikationen und einem fehlenden oder nicht ausreichenden Schulabschluss (Arbeitsvermittlungsgesellschaft soll Langzeitarbeitslosigkeit senken). Die Arbeitslosenquote bei Menschen ohne Schulabschluss fällt in etwa sechsmal so hoch aus wie bei Menschen mit abgeschlossener betrieblichen, schulischen oder akademischen Bildung.
Hinzu kommt, die Lage am Arbeitsmarkt wird sich für Menschen ohne ausreichende Schul- und Berufsabschlüsse in den nächsten Jahren weiter verschlechtern. Schon jetzt sind Ungelernte und Langzeitarbeitslose die Verlierer der Corona-Pandemie. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist gegenüber 2020 um 17,2% gestiegen. Eine Vermittlung dieser Arbeitssuchenden ist bereits in vielen Fällen heute nicht mehr möglich, da sie die fachlichen Anforderungen der Unternehmerschaft nicht erfüllen können. 61,3 Prozent der Arbeitslosen sind Frauen und Männer ohne abgeschlossene Berufsausbildung. (WAZ 13.12.21).
Schwierige Lage am Arbeitsmarkt war vermeidbar
In den nächsten Jahren fallen zudem immer mehr Arbeitsplätze weg, die auch von Ungelernten besetzt werden könnten. Verstärkt übernehmen Roboter und Maschinen einfache Arbeiten oder werden diese ins billigere Ausland verlegt. Auf der anderen Seite kann auch in Bochum der Bedarf an gut- bis hochqualifizierten Arbeitskräften nicht gedeckt werden. Beschäftigte mit den entsprechenden Qualifikationen sind knapp, die Unternehmen suchen sie händeringend, können diese aber häufig nicht finden. Solche Arbeitsplätze bleiben dauerhaft unbesetzt.
Zu dieser schwierigen Situation am Arbeitsmarkt hätte es jedoch nicht kommen müssen, wären Stadt und Politik in den letzten Jahrzehnten bereit gewesen, massiv in Schulen und Bildung zu investieren. Das Ziel hätte sein müssen, die Zahl derer, die ungelernt bzw. ohne Berufsabschluss nach Arbeit suchen, massiv zu senken. Hätte man alles daran gesetzt Kinder und Jugendlichen in den Schulen zu einem möglichst großen Bildungserfolg zu verhelfen, so hätten fast alle nach der Schule mit dem entsprechenden Schulabschluss einen guten Berufsschulabschluss erwerben können.
Schule und Bildung sind das Stiefkind der Bochumer Politik
Man möchte meinen, Stadt und Politik lernen aus schlechten Erfahrungen. Das ist aber leider nicht der Fall. Statt die Ausgaben für Schule und Bildung zumindest für die Zukunft massiv zu erhöhen, wird auf Kosten der Schüler*innen weiterhin gespart und die Pro-Kopf-Ausgaben weiter gesenkt. Das zeigt sich auch bei den Schulen selbst. Ausstattung und Zustand lassen zu wünschen übrig. Die Digitalisierung kommt nur im Schneckentempo voran. Wann die flächendeckende Ausstattung der Bochumer Schulen mit digitalen Geräten, WLAN und Glasfaseranschluss endlich abgeschlossen sein wird, steht nach wie vor in den Sternen.
Die Stadt beschränkt sich bei der Schulpolitik im Wesentlichen darauf die Fördermittel von Land und Bund abzugreifen. Es fehlt die Bereitschaft selbst nennenswert städtisches Geld in die Schulen und Schüler*innen zu investieren oder gar eigenes Geld für zusätzliche Lehrkräfte bereit zu stellen. Die Zukunftsperspektiven der jüngsten Einwohner*innen haben nicht die erforderliche Priorität. Erst wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, gefällt sich die Politik darin mit Millionen Aufwand die Armut zu mildern die aus fehlender oder Unterbeschäftigung resultiert. 19,5% der Menschen in Bochum sind derzeit arbeitslos oder unterbeschäftigt (ohne Kurzarbeit).
Die Bochumer Politik scheint die Ursache-Folge-Beziehung von ungenügenden Ausgaben bei Schulen und Bildung und der daraus resultierenden hohen Zahlen bei Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sowie der daraus folgenden Armut nach wie vor nicht zu erkennen. Immer noch hängt man der Ansicht nach, es sei egal, welcher Schulabschluss erreicht würde, die Politik müsse und könne dafür sorgen, dass auch die ungelernten Menschen ohne Berufsabschluss einen gut bezahlten Job bekämen. Das aber gelingt schon seit über drei Jahrzehnten nicht mehr. Fast alle Unternehmen, die in Bochum neu angesiedelt werden, suchen insbesondere Fachkräfte und hochqualifizierte Beschäftigte und bieten kaum Arbeitsplätze für Ungelernte.
Auch die Annahme, man könne das durch mangelnde Investitionen in die Bildung der Schüler*innen verursachte Problem durch nachfolgende Beschäftigungs- und Weiterbildungsmaßnahmen quasi reparieren, erweist sich immer wieder als falsch. Der mit Millionenaufwand geförderte soziale “Arbeitsmarkt” hatte bisher nur einen kaum wahrnehmbaren Effekt. Trotzdem die städtische Beschäftigungsgesellschaft mittlerweile 575 Menschen, die bereits mindestens fünf Jahre arbeitslos sind, künstlich beschäftigt, davon ein Viertel bei der Stadt, stieg die Zahl der Langzeitarbeitslosen 2021 auf 8.000 Personen (+17,2%, WAZ vom 13.12.21)
Verdoppelung der städtischen Ausgaben pro Schüler*in erforderlich
Es ist also höchste Zeit für einen Kurswechsel. Die Stadt selbst muss massiv in Schulen und Bildung investieren, insbesondere in die Grundschulen. Was in jungen Jahren bei der Schulbildung versäumt wird, lässt sich später kaum mehr aufholen. Das Geld muss in Zustand, Ausstattung und zusätzliche Lehrkräfte fließen. Mittelfristig ist mindestens eine Verdoppelung der städtischen Ausgaben pro Schüler*in anzustreben. Investitionen in Schulen und Bildungen rentieren sich langfristig. Was die Stadt heute dort investiert, muss sie später nicht für Beschäftigungsmaßnahmen und Transferleistungen ausgeben.
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