Bracke vs. Lukat – Der Vergleich

Am Sonntag ist Stichwahl im Kampf um das Oberbürgermeisteramt. Welche Ziele verfolgen die Kandidaten, um die Herausforderungen zu bewältigen, vor denen die Stadt steht? Hier der Vergleich.
Das Oberbürgermeisteramt ist die höchste Position in der Stadt. Der zukünftige Oberbürgermeister wird für 5 Jahre gewählt. In dieser Zeit bereiten er und seine Verwaltung die wichtigsten politischen Entscheidungen für die Stadt und den Stadtrat vor. Der Oberbürgermeister ist Chef der Verwaltung und Aufsichtsratsvorsitzender der wichtigsten städtischen Unternehmen. Er leitet die Stadt.
Herausforderungen, vor denen die Stadt steht
In der ersten Wahl erreichte Jörg Lukat, der für SPD und Grüne antritt, 43,1 %, Andreas Bracke, der von der CDU aufgestellt wurde, 22,9 %. Die Wähler und Wählerinnen fragen sich, wer ist der bessere Oberbürgermeister? Wer kann die Herausforderungen, vor denen die Stadt steht, besser bewältigen?

Die STADTGESTALTER haben die Positionen der beiden Kandidaten zu den wichtigsten 8 Herausforderungen (Die acht großen Herausforderungen, denen sich Bochum stellen muss) miteinander verglichen. Da die Programme der Kandidaten zu vielen Punkten nicht viel hergeben, wurden beide Kandidaten gebeten, zu den Punkten folgende Fragen zu beantworten: Welches Ziel verfolgen Sie in dem jeweiligen Bereich? Wie wichtig ist Ihnen der Bereich bzw. das Ziel? (Mail an Kandidaten) Von dieser Möglichkeit machten beide Kandidaten jedoch keinen Gebrauch.
Angemerkt sei, dass ein solcher Kandidatenvergleich eigentlich Aufgabe der lokalen Medien, also Radio Bochum und WAZ-Bochum, gewesen wäre. Diese wollten das aber anders als z.B. die WAZ-Essen nicht leisten (WAZ vom 19.09.2025). Was die Gründe sind, ob Desinteresse, Unwillen, Unvermögen oder alles zusammen, ist nicht bekannt.
Hier nun der Vergleich:

Stadtfinanzen – Beseitigung der bedrohlichen finanziellen Schieflage der Stadt – Mehr Investitionen und finanzielle Handlungsfreiheit
Aktuelle Situation: Im Haushalt 2025/26 gibt die Stadt 201 Mio. Euro insgesamt mehr aus als sie einnimmt. Die städtischen Schulden liegen bei 2 Mrd. Euro. Die Kämmerin rechnet 2029 mit 71 Mio. Euro Ausgaben allein für Schuldzinsen. Die städtischen Finanzrücklagen sind aufgebraucht.
Weder Jörg Lukat noch Andreas Bracke nehmen sich des Themas auf ihren Internetseiten an. Das vermittelt den Eindruck, für beide haben gesunde Stadtfinanzen keine Priorität. Beide geben weder an, das Ziel zu verfolgen, den Stadthaushalt im Blick halten zu wollen, noch bieten sie Lösungen an, wie städtische Ausgaben und Einnahmen wieder ins Gleichgewicht gebracht werden sollen, noch wie das Verschuldungsproblem gelöst werden soll.
Jörg Lukat: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend
Andreas Bracke: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend

Infrastruktur – Herstellung einer metropolengerechten und in europäischen Großstädten üblichen Infrastruktur – Eine Stadt, die Menschen und Unternehmen anzieht
Aktuelle Situation: Im Vergleich zu Großstädten und Metropolen europa- wie weltweit fehlt Bochum wie der Ruhrstadt eine metropolengerechte Infrastruktur. Diese ist nur beim Autoverkehr vorhanden. Werden in Metropolen 20% und mehr Wege mit dem ÖPNV zurückgelegt, sind es in Bochum nur 13,3 %. Wird in Metropolen wie Paris, London, Tokio oder Shanghai, mehr Rad als Auto gefahren, dominiert in der Ruhrstadt weiterhin der Kfz-Verkehr alles.
Jörg Lukat nennt auf seiner Seite als Ziel “Mehr Mobilität im Umweltverbund”. Auch will er eine digitale und vernetzte Mobilität weiter voranbringen. Wie und mit welchen Projekten er diese Ziele erreichen will, sagt er jedoch nicht. Angesichts der immensen Herausforderungen scheinen die gesetzten Ziele schwammig und wenig ambitioniert.
Andreas Bracke erklärt zu diesem Thema kurz und knapp: “Mobilität statt Bevormundung. Weil Alltag zählt – nicht Ideologie.” Offenbar hält er die Forderung, dass die Menschen in der Stadt, mit jedem Verkehrsmittel gut und sicher von A nach B zu kommen, für ideologisch und lehnt eine moderne Verkehrsorganisation, wie sie heute in erfolgreichen Großstädten und Metropolen üblich ist, ab.
Jörg Lukat: Zielsetzung: mangelhaft, Maßnahmen: ungenügend
Andreas Bracke: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend

Stadtentwicklung – Wiederbelebung der Stadtteilzentren und Innenstädte – Höhere Lebensqualität und Attraktivität
Aktuelle Situation: Viele Bochumer Stadtteilzentren sowie die beiden Innenstädte (Bochum und Wattenscheid) befinden sich in einem bedenklichen Zustand. Viele Stadtteilzentren weisen schwere Defizite bei der Stadtgestaltung auf, das Nahversorgungsangebot ist unzureichend, ein Supermarkt fehlt, die Aufenthaltsqualität ist gering.
Jörg Lukat will mehr “öffentliche Bänke und geöffnete Räume schaffen” und die Stadtteilfeste aktiver unterstützen. Dazu will er “Bochum zur Gedankenschmiede für das Thema Wohnen machen – etablierte Pfade verlassen und neues Bauen und Wohnen wagen.” Konkreter wird er nicht. Wie er die strukturellen Probleme in den Innenstädten und Stadtteilen angehen will, sagt er nicht. Die entsprechenden Probleme werden weder benannt noch adressiert. Es ist nicht erkennbar, dass sie für ihn von Relevanz sind.
Andreas Bracke erklärt “Mehr Sicherheit und Verlässlichkeit im Alltag.
Strukturen, die man spürt – vor Ort.” zu seinem Ziel. Auch will er die Lebensqualität verbessern. Wie er diese vagen Ziele erreichen will, sagt er nicht. Ob er das Ziel verfolgt Stadtteile und Innstädte wiederzubeleben und der Attraktivität zu steigern, ist seiner Internetpräsenz nicht zu entnehmen.
Jörg Lukat: Zielsetzung: mangelhaft, Maßnahmen: mangelhaft
Andreas Bracke: Zielsetzung: mangelhaft, Maßnahmen: ungenügend

Klimakrise – Erreichung der Klimaneutralität – Die Stadt für zukünftige Generationen lebenswert erhalten
Aktuelle Situation: Rund 2.000 kt CO2eq/a wurden in Bochum pro Jahr 2021 erzeugt. Daran hat sich in den letzten 4 Jahren aufgrund nur weniger substanzieller Aktivitäten in Sachen Klimaschutz kaum etwas geändert.
Jörg Lukat erklärt recht ausführlich, dass er sich zumindest für Nachhaltigkeit und mehr Grün in allen Bereichen einsetzen will. Er gibt als Ziel an “Kindern und Enkeln ein gutes Leben in Sicherheit, Frieden und Wohlstand [zu] ermöglichen. Was sein konkretes Ziel hinsichtlich Klimaschutz sein soll, bleibt jedoch offen.
Er will „sein Bestes“ dafür geben, dass Klimaplan, die Nachhaltigkeitsstrategie und das Mobilitätskonzept auch weiter realisiert werden. Dass diese nicht ausreichen, um das städtische Ziel “Klimaneutralität bis 2035” zu erreichen, sagt er nicht, Welche Maßnahmen er ergreifen will, damit das Ziel doch noch erreicht wird, bleibt ebenfalls unbeantwortet.
Andreas Bracke spricht das Thema auf seiner Internetseite nicht an. Demnach erscheint es ihm nicht wichtig. Der wiederholte Verweis auf “Ideologie” deutet darauf hin, dass Maßnahmen zum Klimaschutz für ihn allein ideologisch motiviert sind.
Jörg Lukat: Zielsetzung: befriedigend, Maßnahmen: mangelhaft
Andreas Bracke: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend

Bildung/ Schulen – Schaffung einer zukunftsfähigen Schul- und Bildungslandschaft – Mehr Zukunftsperspektiven und weniger Armut
Aktuelle Situation: In 6 von 30 Ortsteilen erhalten mehr als 50% der Grundschüler nur eine Hauptschul- oder eine eingeschränkte Realschulempfehlung. Immer noch gibt es in Bochum zwei Hauptschulen, obwohl klar ist, dass ein Hauptschulabschluss heute kaum mehr ausreicht, um einen Beruf zu erlangen, mit dem sich ein ausreichendes Einkommen erzielen lässt.
Jörg Lukat möchte, dass Bochum beste Bildungschancen, von der frühen Kindheit, über die Ausbildung bis zur Weiterbildung bietet. Dafür schlägt er ein Talent-Scouting für das Handwerk, ein Bochum-Stipendium und “Open Library” für jeden Stadtbezirk vor, Auch will er die Schulsozialarbeit ausbauen mehr Familien-Grundschulzentren einrichten, das Programm Bildung und Teilhabe ausdehnen und die Erweiterung der Kitas vorantreiben sowie Schulhöfe neugestalten.
Dass die Maßnahmen, um die Herausforderung zu bewältigen bzw. das selbst gesetzt Ziel zu bewältigen, erscheint fraglich.
Andreas Bracke erklärt “Moderne Klassenräume statt Container. Bildung braucht Raum – keine Ausreden.” Er reduziert Das Schul- und Bildungsthema auf die berechtigte Forderung nach ausreichenden und guten Schulräumlichkeiten. Dass von ihm zu dem Thema weitere Ziele verfolgt werden, ist nicht erkennbar.
Jörg Lukat: Zielsetzung: befriedigend, Maßnahmen: ausreichend
Andreas Bracke: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend

Neuorientierung beim Politikstil – Mehr bürgerlicher Beteiligung und Mitbestimmung.
Aktuelle Situation: In Bochum bestimmt die Verwaltung die Politik und nicht die Politik, was die Verwaltung zu tun hat. Die Verwaltung schlägt vor, was zu tun ist, die Mehrheitskoalition nickt die Dinge ab, wenn die Verwaltung das erwartet. Einen eigenen Gestaltungswillen besitzt die Politik nicht. Man erarbeitet selbst so gut wie keine eigenen Vorschläge und Konzepte.
Jörg Lukat und Andreas Bracke machen zu diesem Bereich beide keine relevante Ausführungen. Es ergibt sich der Eindruck, dass beide nicht an mehr Beteiligung und Mitwirkung der Menschen interessiert sind und dass sie auch zukünftig der Verwaltung den bestimmenden Part in der Stadtpolitik überlassen wollen.
Jörg Lukat: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend
Andereas Bracke: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend

Ruhrstadt – Transformation der Metropole Ruhr – Die weltweit sichtbare Ruhrstadt.
Aktuelle Situation: Die viertgrößte Metropole Europas, die Ruhrstadt, ist nicht sichtbar. Die Zusammenarbeit der 15 Städte, aus denen die Ruhrstadt besteht, liegt weit unter den Möglichkeiten. Ökonomische Synergieeffekte bleiben weitgehend unerschlossen. Jede Stadt ist gefangen in ihrem Kirchturmdenken. Ein Denken in Metropolstrukturen und auf der Ebene einer Metropole findet nicht statt. Der Horizont der Stadtpolitik endet an der Stadtgrenze.
Auch zu diesem Bereich äußern sich weder Jörg Lukat noch Andreas Bracke. Nicht mal die Überwindung des Kirchturmdenkens oder eine Ausweitung der interkommunalen Zusammenarbeit werden erwähnt. Ob die Chancen, die die Ruhrstadt bietet, nicht verstanden werden, das Ziel als unrealistisch eingestuft wird oder schlicht kein Interesse an dem Thema besteht, darüber kann nur spekuliert werden.
Jörg Lukat: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend
Andreas Bracke: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend

Verwaltung – Reform der Verwaltung – Mehr Kundenfreundlichkeit und Effizienz bei den Abläufen
Aktuelle Situation: Die Zahl der Stellen in der Bochumer Verwaltung ist seit 2015 um 40 % angewachsen die städtischen Personalkosten um 60 % gestiegen. Der maßlose Personalzuwachs sprengt den Stadthaushalt und ist Hauptgrund dafür, dass die Stadt 2025/26 201 Mio. mehr ausgibt als sie einnimmt
Jörg Lukat will “durch neue Abläufe in der Verwaltung unser Bochum zur bürgerfreundlichsten Stadt gestalten.” Vorbild ist das Bochumer Bürgerbüro, dass laut Analyse eines Verbraucherschutzvereins das beste Bürgerbüro Deutschlands ist.
Das Ziel ist ambitioniert. Wege und Maßnahmen, die Lukat ergreifen will, um dieses zu erreichen, werden nicht genannt. Auch setzt er sich nicht mit dem Problem vom übermäßigem Personalzuwachs und explodierenden Personalkosten auseinander.
Andreas Bracke negiert das Thema vollständig. So entsteht der Eindruck, es habe für ihn keine Bedeutung.
Jörg Lukat: Zielsetzung: gut, Maßnahmen: mangelhaft
Andreas Bracke: Zielsetzung: ungenügend, Maßnahmen: ungenügend
Zusammenfassung und Wahlempfehlung
Das, was beide Kandidaten als Inhalte bieten, ist mehr als dürftig. Dass sich beide Kandidaten nicht die Mühe machen wollten, sich näher mit den genannten Themen zu beschäftigen, spricht für sich. Offenbar gehen beide Kandidaten davon aus, dass politische Inhalte für die Wahlentscheidung der Menschen ohnehin nicht relevant sind und die lokale Presse sich dafür ebenfalls nicht interessiert.
Nach den bekannten Ausführungen kann man nicht zu dem Eindruck kommen, dass einer von beiden Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters geeignet ist. Die ausgebliebene Reaktion auf die Bitte, sich zu den verschiedenen wichtigen Stadtthemen zu äußern, legt nahe, es fehlt bei beiden die grundlegende Bereitschaft sich mit den Herausforderungen, vor denen die Stadt steht, ernsthaft auseinander zu setzen.
Den STADTGESTALTERn ist daher eine Wahlempfehlung für die Stichwahl unmöglich.
Die STADTGESTALTER
Verwendete Quellen:
Jörg Lukat: https://www.lukat-bochum.de/
Andreas Bracke: https://andreasbracke.de/