20 Okt

Was wäre, wenn? – Gäbe es die Ruhrstadt seit den 80ern

Wie sähe das Leben der Menschen in der Ruhrstadt aus, wäre diese vor 40 Jahren geschaffen worden? – Ein Gedankenspiel

Man stelle sich vor, die 15 Stadtgemeinden der Ruhrstadt (Stadtgemeinden der Ruhrstadt) hätten sich in den 80ern Jahren ernsthaft zusammengetan, um mit 3,43 Mio. Menschen die viertgrößte Metropole Europas (ohne Türkei und Russland) zu bilden. Was wäre anders zu heute, wie würde sich das Leben der Menschen in der Ruhrstadt zu dem heute unterscheiden?

Verwaltungsorganisation

Vieles wäre in der Ruhrstadt einfacher und effizienter organisiert. So gäbe es statt 15 Internet-Portalen, auf denen man sich zum Beispiel ummelden, einen Termin für einen Reisepass oder Führerschein beantragen oder den Hund anmelden oder eine Bewohnerparkausweis sowie eine Baugenehmigung beantragen kann, in der Ruhrstadt nur eines. Die entsprechenden Ämter und Einrichtungen wären zentral organisiert, in jeder der Stadtgemeinden gäbe es die nötigen Zweigestellen. Vieles gäbe es nur ein- nicht fünfzehnmal. Statt 15 Lösungen, die 15 unterschiedliche Abläufe und EDV-Lösungen erfordern, gäbe es nur eine. Auch eine Amtsleitung würde 15 ersetzen. Die Stadtgemeinden würden viel Geld sparen, die Verwaltungsverfahren liefen schneller, die Abläufe wären in allen Stadtgemeinden gleich, wer innerhalb der Ruhrstadt umzieht, müsste sich nie umgewöhnen.

Finanz- und Haushaltssituation

In den Haushalten der Städte würden Millionen an Bürokratiekosten eingespart. Auf sämtliche Stadtgemeinden der Ruhrstadt hochgerechnet könnte das Einsparpotential bei über einer Milliarde Euro pro Jahr liegen. Die Haushaltssituation der Stadtgemeinden wäre eine völlig andere. Machen die Städte heute Schulden, hätten die Stadtgemeinden durch eine effiziente Zusammenlegung ihrer Verwaltungseinheiten die Bürokratie und Verwaltungskosten um 20-30% reduzieren können.

Für Bochum würde die Entlastung allein beim Personalaufwand – also ohne Sachaufwand – bei 80 –150 Mio. Euro pro Jahr liegen. Statt einem Haushaltdefizit im Jahr 2025/26 von 80 und 100 Mio. würde jedes Jahr ein deutliches Plus erwirtschaftet, was in die Stadtgemeinden der Ruhrstadt investiert werden könnte.

Zur Haushalts- und Verschuldungskrise zu Beginn der 2000er- Jahre wäre es nie gekommen. Bochum hätte nie 1,7 Mrd. Schulden angehäuft. Eine zweite Haushaltsnotlage, wie sie aktuell unumgänglich erscheint, wäre kein Thema. Statt wie in Bochum jedes Jahr 40 bis 70 Mio. Euro Zinsen für die angehäuften Schulden zu zahlen, könnte auch dieses Geld jedes Jahr in die Stadt investiert werden.

Investitionen in städtische Infrastruktur

Durch die zusätzlich möglichen Investitionen sähen Stadtgemeinden der Ruhrstadt sähen deutlich anders aus. Stattdessen sieht man ihnen heute an, dass überall Geld fehlt und deshalb städtische Infrastruktur wie Straßen, Plätze, Brücken, Schulen und andere städtische Gebäude nicht oder oft nur notdürftig repariert und Instand gehalten werden.

Statt die Schulden jedes Jahr um Millionen anwachsen zu lassen, hätte allein in Bochum in 40 Jahren mindestens eine Milliarde mehr in die städtische Infrastruktur investiert werden können. Die Ruhrstadt stünde in Sachen Stadtentwicklung heute auf Augenhöhe mit den anderen Großstädten und Metropolen Europas, zu dem unübersehbaren Rückstand von 10-20 Jahren wäre es nicht gekommen (Kommunen der Ruhrstadt verlieren Anschluss).

Metropolengerechte Verkehrsorganisation

Nach 40 Jahren Ruhrstadt gäbe es vermutlich auch ein metropolengerechten Nahverkehrsnetz. Dieses würde zentral für die gesamte Ruhrstadt geplant und von nur einem Nahverkehrsbetrieb betrieben. Auch das würde den Stadtgemeinden viele Millionen sparen, würde die Ruhrstadt gegenüber anderen Metropolen und Großstädten wirtschaftlich konkurrenzfähiger machen und dazu den Tourismus fördern (Ruhrgebiet: Mieser Nahverkehr schreckt Touristen ab).

Eine gute Verkehrsorganisation, also besonders metropolengerechter ÖPNV, ein gutes Radverkehrsnetz und weniger Staus sind heute ein wesentlicher Standfaktor, um Unternehmen wie Menschen zu einer Ansiedlung zu bewegen.

Statt zu schrumpfen würden die Stadtgemeinden der Ruhrstadt wachsen. Sie könnten Einwohner und Einwohnerinnen wie Unternehmen, auch solche mit hoher Steuereinnahmekraft, gewinnen. Das würde wiederum zu höheren Steuereinnahmen der Ruhrstadtgemeinden führen, wodurch wiederum zusätzliche Investitionen ermöglicht würden.

Wirtschaftliche Entwicklung und Unternehmensansiedlungen

Die Ruhrstadt würde sich zudem durch eine zentrale Wirtschaftsförderung und Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft auszeichnen. Es gäbe für Unternehmen statt 15 teilweise miteinander konkurrierenden städtischen Entwicklungsgesellschaften plus die des Regionalverbands Ruhr (RVR) nur eine, mit Zweigestellen in allen 15 Stadtgemeinden. Ein Unternehmen, das in der Ruhrstadt investieren will, müsste nur einmal anfragen und würde schnell und zielgerichtet bedient, es müsste sich nicht erst bei dutzenden Gesellschaften und Einrichtungen der verschiedenen Städte durchfragen, um einen optimalen Standort zu finden. Das würde jede Unternehmensansiedlung entscheidend erleichtern. Die Ruhrstadt würde auch solche Unternehmen gewinnen, die es ablehnen, sich die unnötig verkomplizierte Bürokratie von 15 konkurrierender Stadtgemeinden zuzüglich RVR anzutun.

Als viertgrößte Stadtmetropole Europas würde die Ruhrstadt zudem ganz anders wahrgenommen. Gerade für große Unternehmen kommt oft nur eine Ansiedlung in Metropolen, mit vielen Menschen und entsprechenden Potentialen an Beschäftigten und Kunden in Frage. 30 Jahre nach ihrer Gründung könnte die Ruhrstadt heute in der Liga der europäischen Metropolen mit Berlin, Paris, Madrid oder London eine entscheidende Rolle mitspielen, würde sich gegenüber den deutlich kleineren Großstädten jedenfalls deutlich abheben.

Tourismus und Kultur

Für Tourismus und Kultur würde das gleiche gelten. Das Kulturleben einer der größten Metropolen Europas würde auf einen anderen Level wahrgenommen als die kaum erfolgversprechenden Bemühungen der 15 Stadtgemeinden sich in der unübersehbaren europäischen Kulturlandschaft bemerkbar zu machen.

In der Ruhrstadt wären die zentralen kulturellen und touristischen Einrichtungen in einem einzigen Verband zusammengeführt und würden gemeinsam von den Stadtgemeinden finanziert und zentral touristisch vermarktet.

Wer Industriekultur erleben will, für den wäre klar, dafür gibt es keinen besseren Ort in Europa als die Ruhrstadt. Nach 40 Jahren Ruhrstadt hätte sich die Metropole einen entsprechenden Ruf erarbeitet, der Tourismus auf einem deutlich höheren Niveau erlauben würde. Eine Metropole wie die Ruhrstadt könnte selbstbewusst auch Events wie Olympische Spiele ausrichten.

Wahrnehmbarkeit und Identifikation

Umgekehrt würde jeder in der Welt sofort wissen, wo man herkommt, wenn jemand sagt, er oder sie lebe in der Ruhrstadt. Bochum kennt schon in Europa kaum mehr jemand. Die viertgrößte Metropole Europas hätte einen festen Platz auf der Weltkarte.

Das würde aber an der Identifikation der Menschen, als Bochumer oder Bochumerinnen nichts ändern, jede/r wäre Bewohner von einer Stadtgemeinde und ebenso der Ruhrstadt. Lokale Stadtgestaltung und Stadtentwicklung der einzelnen Stadtgemeinden wären auch weiterhin in deren Hand. Die Unterschiedlichkeiten der 15 Ruhrstadtgemeinden würden gerade die Vielfalt der Ruhrstadt ausmachen. Jede der Stadtgemeinde hätte ihre Eigenheiten und ihr besonderes Profil, gerade das würde den Charakter der Ruhrstadt ausmachen.

Verpasste Chancen durch Politikversagen

Überlegt man also, was möglich gewesen wäre, hätte die Politik sich in den 80er Jahren entschlossen, alles dafür zu tun auf eine gemeinsame Ruhrstadt hinzuarbeiten, zeigt sich das ungeheure Versagen einer gesamten Politikgeneration. Insbesondere die finanziellen Konsequenzen der versäumten Schaffung der Ruhrstadt haben für die Menschen, die in der Ruhrstadt leben, fatale Auswirkungen.

In der Politik der Ruhrstadt wartet man noch heute auf den weißen Ritter, der vorschreibt, die Ruhrstadt zu schaffen – vergeblich. (Ruhrstadt – Die Metropole, die keine sein will, aber trotzdem eine ist). Selbst- und eigenständig die Zukunft in die Hand zu nehmen und die nötigen Dinge auf den Weg zu bringen, dazu war und ist die Politik nicht fähig. Verfolgt man, was die Politik in Sachen Ruhrstadt von sich gibt, mangelt es gar nicht am Willen, was fehlt, ist die Bereitschaft und Kompetenz sich ein großes gemeinsames Ziel zu setzen und dieses konsequent zu verfolgen. Mehr als die Vorschläge der Stadtverwaltungen abzunicken, schaffen die Politiker und Politikerinnen der Ruhrstadt bisher leider nicht. Engstirniges, nur auf die eigene Stadtgemeinde gerichtetes Kirchturmdenken verhindert bisher jede ernsthafte gemeinsame Anstrengung die nötigen Ruhrstadtstrukturen zu schaffen.

Auch die Verwaltungen sehen es nicht als ihre Aufgabe, das Erforderliche zu tun, um eine Ruhrstadt zu schaffen. Sich selbst neu erfinden, Abläufe grundlegend zu verändern, Strukturen völlig neu aufzubauen, Teile der Verwaltung überflüssig zu machen, das wird keine Verwaltung von sich aus tun. Ohne den erklärten Willen und ohne klare Vorgaben der Politik wird sich in Sachen Ruhrstadt auch in den nächsten Jahrzehnten nichts nach vorne bewegen.

Ruhrstadt ist einziger Ausweg aus der Struktur- und Schuldenkrise

Angesichts der den Stadtgemeinden erneut bevorstehenden Schuldenkrise, wäre es gegenüber den Menschen der Ruhrstadt allerdings unverantwortlich, wenn man nicht wenigstens jetzt, wenn auch mit vier Jahrzehnten Verspätung, endlich die nötigen Maßnahmen ergreift, die für einen Aufschwung erforderlichen Metropolstrukturen zu schaffen. Die Bewohner und Bewohnerinnen verlieren durch die Ruhrstadt nichts, sie können nur gewinnen.

Das seit sechs Jahrzehnten andauernde beständige Beklagen von zu wenig Hilfe und Fördermitteln, ohne die kein Strukturwandel und keine positive Entwicklung in den Gemeinden der Ruhrstadt möglich wäre, erscheint scheinheilig, solange man selbst nicht bereit ist, das Nötige zu tun, um eine positive wirtschaftliche Entwicklung zu bewirken. Denn alle wissen, eine positive Stadt- und Wirtschaftsentwicklung wird ohne die Metropolenstrukturen der Ruhrstadt nicht möglich sein. Will man einen weiteren Niedergang verhindern, ist die Schaffung der Ruhrstadt der einzige Ausweg, den die Ruhrstadtgemeinden aus eigener Kraft bewerkstelligen können.

Diesen weiter zu ignorieren, also weiterhin untätig zu bleiben, ist insbesondere gegenüber den Generationen, die zukünftig in den Gemeinden der Ruhrstadt gut leben wollen, nicht zu verantworten.

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