Unsoziale Elternbeiträge
Eltern mit über 30.000 Euro Einkommen, deren Kinder in der OGS betreut werden, müssen zukünftig eine einkommensabhängige Sonderabgabe von bis zu 170 Euro pro Monat leisten. Die bisherigen pauschalen Beiträge wird es ab dem 01.08.15 nicht mehr geben. Die Steuern zahlenden Eltern sollen über die Abgabe nicht nur die Kostensteigerungen bei der OGS decken, sondern auch für einen wesentlichen Teil der Beiträge derjenigen Eltern aufkommen, die keine Elternbeiträge zahlen müssen, da kein oder nur ein geringes Einkommen vorhanden ist. Das sind in Bochum immerhin 37% aller Eltern, deren Kinder in der OGS betreut werden.
Bisher hat daher die Stadt für diese Eltern die Beiträge übernommen und dafür 1,4 Mio. Euro aus der wirtschaftlichen Jugendhilfe bereit gestellt. Diese Mittel entfallen zukünftig. Gleichzeitig steigen die Kosten für die Offene-Ganztags-Schule um rund 5%. Der Zuschuss des Landes steigt aber nicht im gleichen Maße (2015 nur um 3% (2016: 1,5%)).
Der Betrag, der nicht kompensiert werden kann, muss also ebenfalls von der Stadt und den Eltern getragen werden. Wieder wälzt das Land Lasten auf die Kommunen ab, ohne dass sich die Stadt wehrt. Es ist auch nicht bekannt, dass die Landtagsabgeordneten der Stadt – Eiskirch, Yüksel und Gödecke (alle Abgeordnete der im Land regierenden SPD) – dieses Problem erkannt, thematisiert und sich diesbezüglich für die Stadt eingesetzt hätten.
Wurden die Elternbeiträge bisher direkt an die sozialen Träger der Ganztagsschulen gezahlt (Caritas, IFAK, Awo o.a.) muss das jetzt über die Stadt mittels Bescheid erfolgen. Da die Beiträge nicht mehr pauschal pro Kind erhoben werden, sondern einkommensabhängig, muss eine Bürokratie aufgebaut werden, die jedes Jahr Jahre die Anträge und Einkommensverhältnisse prüft und die zu zahlenden Elternbeiträg neu festlegt. Dafür müssen 3,7 zusätzliche Verwaltungsstellen geschaffen werden. Es fallen Bürokratiekosten in Höhe von über 400.000 Euro an.
Der zusätzliche Finanzbedarf für die OGS, aufgrund der wegfallenden wirtschaftlichen Jugendhilfe, der Kostensteigerung und der zusätzlichen Bürokratiekosten, ist also enorm. Entsprechend war die Idee von Verwaltung und Politik, die Eltern, die über 30.000 Euro verdienen und deren Kinder in der OGS betreut werden, dafür zur Kasse zu bitten.
So mussten die Eltern bisher pro Jahr 3,11 Mio. an Elternbeiträgen aufbringen. Zukünftig werden es 4,42 Mio. sein. Der städtische Zuschuss pro Jahr soll dagegen um 0,3 Mio. sinken.
Die zusätzlichen Kosten, insbesondere für die entfallende wirtschaftliche Jugendhilfe, zum wesentlichen Teil auf die Eltern mit Einkommen über 30.000 Euro abzuwälzen, ist nach Meinung der STADTGESTALTER unsozial. Wurde die wirtschaftliche Jugenhilfe bisher aus dem allgemeinen Steueraufkommen, also von allen steuerzahlenden Bürgern finanziert, inklusive derjenigen ohne Kinder, werden diese jetzt entlastet, um stattdessen die Steuern zahlenden OGS-Eltern zusätzlich zu belasten.
Ein fatales Signal an Familien, die in Bochum Steuern zahlen. Sie fühlen sich als Melkkuh misbraucht. In einer familienfreundlichen Stadt werden Kinder als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden, in Bochum nicht. Da herrscht weiterhin die althergebrachte Sichtweise, diejenigen sollen für die Kinder aufkommen, die sie in die Welt setzen. Und diejenigen, die Kinder haben und Steuern zahlen, sollen dann auch noch die Beiträge für die Eltern mitbezahlen, die beitragsbefreit sind.
Diese Auffassung hat in Bochum System. Denn so läuft es ja auch bei der Betreuung der Kinder in Kitas und Kindergärten. Eine Mehrheit im Rat versteht sich offenbar als Lobby der kinderlosen Einwohner, deren Rente die Kinder am Ende zwar bezahlen sollen, die man aber nicht für die Elternbeiträge der sozial Schwachen mit aufkommen lassen will.
Zudem erzeugt die Umverteilung der Kosten auf die Steuern zahlenden Eltern völlig unangemessene Bürokratiekosten. 10% der vereinnahmten Elternbeiträge versandet ohne irgendeinen Nutzen in der Verwaltung. Erstaunlich, dass die Parteien, die noch in der letzten Ratssitzung heftig gegen die immer weiter steigenden Personalausgaben gewettert haben, hier im Handstreich die Schaffung von 3,7 neuen Stellen genehmigt haben. Da erscheint die Empörung über die ständige Zunahme von Verwaltungsstellen am Ende wenig glaubwürdig.
Hätte man die zusätzlichen Kosten nicht allein den steuerzahlenden Eltern aufgebürdet, sondern hätte alle Bürger über die Grundsteuer sozial fair belastet, wie von den STADTGESTALTERN vorgeschlagen (Änderungsantrag), dann wären die Bürokratiekosten fast vollständig entfallen. Jeder Haushalt wäre im Durchschnitt mit 60 Cent im Monat mehrbelastet worden, Haushalte mit kleinen Wohnungen entsprechend weniger, Haushalte, die in großen Einfamilienhäusern leben, etwas mehr. Und Bochum hätte ein Zeichen setzen können, dass es die gemeinsame gesellschaftliche Verantwortung für die Kinder ernst nimmt und dass die Familienfreundlichkeit nicht nur auf dem Papier steht.
Die Chance wurde verpasst, nur ein Ratsmitglied der SPD stimmte gegen die unsoziale Sonderabgabe für Steuern zahlende Eltern, eine Mehrheit im Rat winkte den Antrag von SPD, CDU und Grünen durch.
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