Ein Science-Center auf den Opelflächen
Der Tod auf Raten endet 2016. Die nächsten Opfer des Missmanagement bei Opel werden die allermeisten der letzten 3.700 aktuell noch am Standort Bochum beschäftigten Mitarbeiter sein. Das ist tragisch für alle Betroffenen, die Schließung zeichnete sich lange ab und ist nicht mehr zu verhindern. Die Planung für die Zukunft an den Opel-Standorten wird also heute beginnen. Direkt auf die Schließung der Werkstore müssen die ersten Schritte in Richtung Zukunft auf den Werksgeländen erfolgen. Nur wenn dies gelingt, werden die Friktionen für Bochum erträglich bleiben.
Die hoch automatisierte Automobilproduktion bei Opel steht für Technologie und Wissen, die Standorte der drei Werke stehen auf den Geländen früherer Zechen, seit Jahrzehnten werden diese Bochumer Orte also geprägt durch Technik und Technologie. Es bietet sich daher an, diese Tradition an dieser Stelle fortzuführen. Die Ansiedlung von privaten Einrichtungen von Wissenschaft und Bildung könnte daher ein Ziel sein. Doch dazu wäre es förderlich, wenn die Stadt und das Ruhrgebiet ein deutliches Signal setzen, dass sie diese Entwicklung anstrebt und unterstützt.
Das Zeichen könnte die Einrichtung eines Science-Center sein, einer permanenten multimedialen technischen und naturwissenschaftlichen Ausstellung sein. Ein solches Science-Center oder Exploratorium verfolgt das Ziel, den Besuchern durch eigenständiges und spielerisches Experimentieren technische und naturwissenschaftliche Zusammenhänge und Phänomene aus den Bereichen der Naturwissenschaften und/oder Technik nahe zu bringen. Sinnvoll ergänzt werden solche Ausstellung regelmäßig durch Exponate, die die historische Entwicklung der Technik dokumentieren oder zukünftige technische Entwicklungen und Visionen visualisieren.
Ein Science-Center gibt es in der Industrieregion Ruhrgebiet bisher nicht. Ein Exploratorium des Ruhrgebietes könnte der Nukleus eines technischen Wissenschafts- und Forschungsquartiers in Bochum werden.
Vorbild für eine derartige Ausstellung gibt es viele. Vater aller Science-Center ist das Exploratorium in San Francisco. In Europa ist die Cité des Sciences et de l’Industrie in Paris zu nennen. Kleinere Ausstellungen finden sich in Barcelona, Budapest, San Sebastian, Edinburgh, Wolfsburg, Köln und vielen anderen Städten. Auch das Deutsche Museum in München und das Science Museum in London, verfolgen mittlerweile ähnliche Konzepte. Im Ruhrgebiet aber fehlt eine solche Einrichtung bisher. Aber gerade hier wäre sie hoch spannend. Gibt es doch kaum eine andere Region in Europa, die sich aufgrund des technischen Fortschritts so tiefgreifend verändert hat und aufgrund der fortschreitenden Entwicklungen weiter wandeln wird.
Man kann sich ein solches Center auch als einen permanenten IdeenPark vorstellen, wie er 2012 von ThyssenKrupp in der Grugamesse veranstaltet wurde. Diese Ausstellung schauten sich in 13 Tagen 320.000 wissensdurstige Besucher an. Das Interesse der Menschen im Ruhrgebiet an dieser Art Wissensvermittlung scheint ungewöhnlich hoch zu sein.
Der Aufbau eines Exploratoriums müsste ein Ruhrgebiets-Projekt sein. Das Opel-Werk I wäre ein idealer Standort. Hallen als Grundgerüst der Ausstellung wären ausreichend vorhanden. Die RUB mit ihren renommierten technischen Fakultäten befindet sich in unmittelbarer Nähe. Opel könnte einen letzten Beitrag für seine Nachfolge leisten und Teile der Fließbandproduktion in seinem ehemaligen Werk zur Ausstellung belassen. Andere Unternehmen wie BP, RWE, RAG, E.ON oder ThyssenKrupp und Forschungsinstitute des Ruhrgebiets sollten sich gewinnen lassen, um ihre Visionen, Zukunftsprojekte und Entwicklungsplanungen in diesem einzigartigen Center der Wissenschaft zu veranschaulichen.
In einem Science-Center werden die globalen Herausforderungen der Zukunft thematisiert: Ressourcenverknappung, Klimawandel, Bevölkerungsentwicklung und Urbanisierung. Gleichzeitig wird anschaulich gezeigt und kritisch hinterfragt, welche Lösungen Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft hierfür entwickeln wollen.
Der IdeenPark sollte den Besuchern eine Entdeckungsreise durch die Welt der Ideen ermöglichen. Dieses Ziel kann sich auch das Exploratorium setzen.
Ein Science-Center steht für Zukunft, Ideen und Wissenschaft. Begriffe mit denen Bochum aktuell wenig in Verbindung gebracht wird. Mit dem Science-Center kann eine neue Ausrichtung der Stadt eingeleitet werden, mit der die Stadt auch für sich werben kann. Bisher gibt es eine ähnliche Institution im Ruhrgebiet und dessen Umfeld nicht, so dass dieses Vorhaben als Projekt für das ganze Ruhrgebiet ein Erfolg sein kann. Entsprechend gute Möglichkeiten bestehen überregionale öffentliche Fördermittel wie Finanzmittel von Unternehmen für das Vorhaben nutzbar zu machen. Ein großes Potential besteht auch bei den Bürgern, die sich gerade in unserer industriegeprägten Region besonders für technische Entwicklungen interessieren und entsprechend begeistern können. Entsprechend stehen die Chancen gut engagierte Volunteers für ein Science-Center zu gewinnen. Hier sind insbesondere die Menschen des Ruhrgebiets zu nennen, die in technischen Berufen gearbeitet haben oder noch arbeiten.
Doch stellt sich bei einem solchen Vorhaben das gleiche Grundsatzproblem wie beim „Musikzentrum“. Bochum selbst hat kein Geld es zu unterhalten und zu erhalten. Die Unterschiede zum Vorhaben „Musikzentrum“ sind allerdings augenfällig: Das Exploratorium wäre einmalig im Ruhrgebiet, und nicht wie das Konzerthaus eine kleine Kopie der schon vorhandenen vier Originale. Das Exploratorium spricht einen viel größeren Publikumskreis an, technikinteressiert sind im Ruhrgebiet hunderttausende Menschen, Klassikfans gibt es in Bochum, wenn es hoch kommt, nur ein paar Hundert. Ein Science-Center hätte eine Strahlwirkung weit über das Ruhrgebiet hinaus. Das 5. Konzerthaus wird allenfalls in Bochum und den Nachbarstädten wahrgenommen. Ein Science-Center kann in Zusammenhang mit den Hochschulen in Bochum eine Weiterentwicklung der Stadt als Standort von Wissenschaft und Bildung anstoßen. Es kann helfen Entwicklungs- und Forschungseinrichtungen nach Bochum zu holen. Die dadurch entstehenden Jobs werden von privaten Unternehmen bezahlt. Ein „Musikzentrum“ kann vielleicht einige wenige Künstler in die Stadt locken, die allerdings wiederum überwiegend von der öffentlichen Hand bezahlt werden müssen. 570.000 Menschen besuchen das Exploratorium in San Francisco jedes Jahr. Beim Konzerthaus rechnet man mit 49.000. Zu Finanzierung von Erhalt und Unterhalt des Exploratoriums können Unternehmen und überregionale Förderungen in Anspruch genommen werden. Für die Kosten vom „Musikzentrum“ muss die Stadt ganz alleine aufkommen.
Aber es bleibt eine Grundbedingung, das Exploratorium muss sich dauerhaft ohne städtischen Gelder tragen. Der Opelkomplex könnte so umgestaltet werden, dass im Zentrum das Science-Center steht und darum herum private Einrichtungen von Wissenschaft und Bildung angesiedelt werden. Eine direkte Anbindung an den RUB-Campus würde die Attraktivität des neuen Campus erhöhen.
Aber für die Stadt ergäbe sich ein weiteres Plus, das Exploratorium könnte hunderttausende Besucher nach Bochum locken.
Wichtig wäre, eine Idee wie die dargestellte bereits heute weiter zu entwickeln. Gelder, die zur Abwicklung von Opel von öffentlichen Trägern und Opel selbst bereitgestellt werden, müssen gleich in die zukunftsweisende Umgestaltung der frei werdenden Werksgeländes investiert werden.
Die Wirtschaft im Revier befindet sich seit Beginn der Industrialisierung in einem ständigen Wandel. Technik und Technologien, die sich am Markt nicht mehr behaupten können, weichen immer wieder neuen Ideen. Dies bedeutet Verlust des Gewohnten, des Sicheren, dieser Wandel birgt aber auch Chancen für die Zukunft. Wichtig ist sie zu nutzen.
Immerhin 554 Menschen (etwa 290 Vollzeitstellen) plus 250 Volunteers arbeiten im Exploratorium von San Francisco. Es verfügt über ein beachtliches Budget von 45 Mio. Euro. Um ähnliches zu Schultern braucht die Stadt also starke Partner. Die gilt es zu finden und von einem solchen Vorhaben zu begeistern. Gelingt dies kann 2016 die Zukunft auf dem Gelände der heutigen Opelwerke neu beginnen, wie 1962 auf den zuvor abgeräumten ehemaligen Zechengeländen die Opelproduktion begann.
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