20 Mai

Servicewüste Bürgerbüros

Leider gibt es für das, was sich aktuell bei der Terminvergabe der Bürgerbüros abspielt, nur ein Wort: desaströs. Seit April können die Bürger die Dienstleistungen der Bürgerbüros (z.B. Beantragung eines Personalausweises, Ummeldungen) nur noch in Anspruch nehmen, wenn sie vorher einen Termin vereinbaren. In der Folge sind die Vorlaufzeiten auf einen Termin in allen Bürgerbüros auf über einen Monat hochgeschnellt (siehe Tabelle). Die durchschnittliche Vorlaufzeit in den Bürgerbüros beträgt 33 Tage. In keinem Bürgerbüro wartet man weniger als 32 Tage auf einen Termin!

Foto: Stadt Bochum

Foto: Stadt Bochum

Für das An- bzw. Ummelden des Wohnsitzes besteht gemäß § 17 BMG eine Frist von maximal zwei Wochen, danach kann ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 500 Euro verhängt werden. Die Stadt fordert ihre Einwohner zwar auf die Frist einzuhalten (Internetseite). Verhindert aber gleichzeitig aufgrund der schlechten Organisation der Bürgerbüros, dass diese sich gesetzeskonform verhalten. Diese Situation ist unhaltbar.

buergerbuero termineSollen die Fristen des Gesetzgebers eingehalten werden, sind den Bürgern Terminvorlaufzeit von mehr als einer Woche nicht zuzumuten.

Erst Anfang Mai verkündete Oberbürgermeister Eiskirch, die Verwaltung verfolge als neues Leitbild „Vorreiter modernen Stadtmanagements“ zu sein. Die Verwaltung will also ein Ferrari werden, präsentiert sich aber als Wartburg.

Auf Nachfrage erklärt ein Mitarbeiter, von den 24 Mitarbeitern, die im Bürgerbüro Mitte eigentlich die Anträge der Bürger bearbeiten sollten, seien aktuell nur 8 verfügbar, 16 seien krank, befänden sich auf Schulungen oder im Urlaub. Erschreckend, der Krankenstand in der Stadtverwaltung ist offenbar exorbitant hoch.

Obwohl in der Verwaltung bei weitem nicht der Leistungsdruck herrscht wie in vielen privaten Unternehmen, wird doch deutlich häufiger der Arzt aufgesucht. Was können die Ursachen sein? Schlechtes Arbeitsklima oder schlechte Arbeitsorganisation kämen da in Frage. Verständlich, wenn die 8 Mitarbeiter, die für die fehlenden 16 Dienst schieben müssen, sich irgendwann ebenfalls einen Krankenschein nehmen. Auch fehlt es in Verwaltungen häufig an einem Teambewußtsein und einer Identifikation mit dem Arbeitgeber. Steht besonders in kleineren Unternehmen jeder für jeden ein, ist an dem Erfolg des Unternehmens interessiert und will dafür seinen Beitrag leisten, damit es der Firma gut geht und alle davon profitieren, ist eine solche Einstellung bei Mitarbeitern von Behörden eher selten anzutreffen.

Schlechte Organisation, die auch zu Unmut bei den Bürgern führt, die diesen wiederum an die Verwaltungsmitarbeiter weiter geben, erhöhen die Leistungsbereitschaft in den Bürgerbüros sicher ebenfalls nicht. Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter sich häufig wehrlos fühlen. Sie haben keinen Einfluss auf schlechte Arbeitsabläufe, müssen diese aber vor den Bürgern rechtfertigen. Das führt zu Frust, besonders dann, wenn diejenigen in der Verwaltung, die die Bürgerbüros organisieren, auf die Verbesserungsvorschläge der Mitarbeiter und deren Situation nicht in der erforderlichen Weise eingehen und Abhilfe schaffen.

Und auch so hat die Organisation in den Bürgerbüros schwere Defizite. Leider bekommen die Bürger, wenn sie z.B. einen Ausweis oder Pass beantragen, mit der Bestätigungsmail nicht mitgeteilt, was sie dafür mitbringen müssen. So laufen viele Bürger bei den Büros z.B. ohne Stammbuch auf und müssen von den Mitarbeitern wieder zurück geschickt werden. Dann müssen neue Termine beantragen werden. Das Problem ist bekannt, wird aber ignoriert.

Die langen Wartezeiten machen es nicht wenigen Bürgern unmöglich, rechtzeitig die für ihre anstehende Reise erforderlichen Pässe zu beantragen, somit sind sie gezwungen zunächst Express- bzw. Ersatzpässe zu beantragen. Dass führt bei den Bürgerbüros zu erheblicher Mehrarbeit, die bei einer effizienten Organisation nicht anfiele.

Eine weitere Ursache für die langen Wartezeiten ist sicher auch die vermehrte Nachfrage nach Pässen und Ausweisen vor der Hauptreisezeit in den Sommerferien. Es sollte der Verwaltung aber möglich sein, für solche vorhersehbaren Zeiten mit besonderem Andrang Mitarbeiter aus anderen Ämtern zu aktivieren, die immer in den Monaten vor den Sommerferien in den Bürgerbüros bei der Pass- und Ausweisbeantragung aushelfen.

Dass es passieren kann, dass Bürger trotz Termin in den Bürgerbüros 45 Minuten warten müssen, ohne das sie über die voraussichtlich abzusitzende Wartezeit informiert werden, bestätigt den Eindruck, dass die Dienstleistungsbereitschaft in den Bürgerbüros erschreckend unterentwickelt ist. Bei 45 Minuten Wartezeit auch mit Termin macht das System zudem kaum mehr Sinn. Ohne Termin hat man früher auch gewartet, aber nur selten bis zu 3 Stunden.

Aufgrund der unzumutbar langen Terminvorlaufzeiten rufen vermehrt entnervte Bürger bei der Rufnummer der Bürgerbüros an. Die ist entsprechend überlastet. Dann nimmt niemand ab. Man kann sich zurück rufen lassen. Doch auch das dauert, wenn es überhaupt möglich ist, weil die Mitarbeiter der Anrufe kaum mehr Herr werden.

Eigentlich sollten mit der Abschaffung der Spontantermine, die Wartezeiten verkürzt und die Arbeit effizienter werden. Erreicht wurde das Gegenteil.

Dabei könnten viele Abläufe durchaus vereinfacht und beschleunigt werden, insbesondere in dem man sie digitalisiert. Z.B. indem Bürger, die das möchten, die erforderlichen Formulare schon vor dem Termin online selbst ausfüllen und nur noch die Dinge im Bürgerbüro erledigen müssen, die sie nicht online erledigen können (Unterschrift, Fingerabdruck, Abgabe von Passbildern). Auch die Möglichkeit Passbilder online von zu Hause selbst hochzuladen könnte man schaffen.

Eine An- oder Ummeldung des Wohnsitzes via Internet ohne Besuch eines Bürgerbüros ist in NRW zwar rechtlich möglich, in Bochum jedoch aus technischen Gründen nicht möglich, denn bisher verweigert die Rot-Grüne Mehrheit eine Digitalisierungsstrategie für die Verwaltung. Der von der Fraktion „FDP und Die STADTGESTALTER“ gemachte Vorschlag (Beschlussvorlage 20152153), systematisch die Digitalisierungspotentiale in der Verwaltung zu erschließen, wurde zwar von der gesamten Opposition mit Ausnahme der Piraten unterstützt, die Ratsmitglieder von SPD und Grünen allerdings lehnten eine Strategie zur Digitalisierung der Verwaltungsabläufe ab.

Ohne Digitalisierungsstrategie und ohne den Willen die Abläufe systematisch durch Digitalisierung zu vereinfachen und zu beschleunigen, wird die Stadtverwaltung das Ziel „Vorreiter modernen Stadtmanagements“ zu werden, nie erreichen. Solange SPD und Grüne analog denken und sich einer Modernisierung der Verwaltung widersetzen, werden sich in den Bürgerbüros die untragbaren Zustände nur mit mehr Personal beheben lassen, für das im städtischen Haushalt aber das Geld fehlt.

Jetzt ist der Oberbürgermeister gefordert, als Chef der Verwaltung muss er sich endlich des Themas annehmen und umgehend eine Reorganisation der Bürgerbüros veranlassen, damit die Vorlaufzeiten für Termine wieder auf ein erträgliche Maß (maximal eine Woche) sinken. Die Fraktion „FDP und Die STADTGESTALTER“ wird nun anfragen, mit welchen Maßnahmen der Oberbürgermeister das kurzfristig erreichen will.

Auch die Digitalisierung der Verwaltungsabläufe wird demnächst sicher wieder Thema sein. Zu hoffen ist, dass dann alle im Rat gewillt sind die erforderlichen Schritte auf den Weg zu bringen.

2 Gedanken zu „Servicewüste Bürgerbüros

  1. Dem Inhalt des Artikels kann ich nur zustimmen. Ein weiteres Beispiel für ineffiziente Abläufe ist das Procedere rund um die Verlängerung des Anwohnerparkausweises. Auch hier läuft nichts in digitalisierter Form und/oder per Überweisung ab. Man muss jedes Mal vorstellig werden und selbst der Ausweis wird von den Mitarbeitern noch handschriftlich ausgestellt. Modernes Stadtmanagement mag als Begriff nett klingen, die aktuelle Praxis entspricht jedoch jener der 1990er Jahre.
  2. Es sei auch noch angemerkt, daß die Stadt Bochum selber schuld ist, wenn Bürger die Ausweis oder Pass beantragen wollten wegen fehlender Personenstandsurkunde heimgeschickt werden müssen. Denn für das Verlangen einer solchen Urkunde gibt es keine Verpflichtung, nicht einmal eine wirkliche Rechtsgrundlage. Man beruft sich auf die allgemeine Mitwirkungspflicht des Bürgers. Andere Städte stellen nicht solche Zugangshürden auf zu einem Dokument (Ausweis) welches der Bürger besitzen muss. Nicht jeder hat eine Geburtsurkunde rumliegen.

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